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Neskovic verlässt die Linksfraktion„Endlich frei atmen können“

Der Geheimdienstexperte Wolfgang Neskovic verlässt die Linksfraktion im Bundestag. Er will seine Kräfte nicht mehr auf Parteidisziplin verschwenden.

Ist lieber ganz unabhängig: Wolfgang Neskovic. Bild: dapd

BERLIN taz | „Ich möchte endlich wieder frei atmen können“: Mit diesen Worten hat Wolfgang Neskovic die Linksfraktion verlassen, deren Justiziar und Geheimdienstexperte er jahrelang war. Sein Mandat behält er aber – und will 2013 als Unabhängiger wieder in den Bundestag einziehen.

Die Linksfraktion verliert damit einen Juristen mit scharfem Geist und spitzer Zunge, der mit Kritik nie hinterm Berg hielt – auch intern nicht. Vorausgegangen war ein wochenlanger Streit mit dem Brandenburger Landesverband der Linkspartei, auf dessen Ticket der parteilose Neskovic zwei Mal in den Bundestag eingezogen ist, 2009 sogar per Direktmandat im Wahlkreis Cottbus-Spree-Neiße.

Neskovic hatte zuletzt heftige Kritik an der Rolle der Linken in der rot-roten Koalition in Brandenburg geübt, wo sie sich in seinen Augen von der SPD über den Tisch ziehen lasse und sich kaum mit eigenen Themen durchsetze. Der Landesverband war Neskovic zu lasch, zu wenig links, zu unsozial. Bei den Ost-Pragmatikern waren die undiplomatisch vorgetragenen Vorwürfe nicht gut angekommen; dass sie Neskovic nochmals als Kandidaten für Cottbus aufstellen würden, galt als unwahrscheinlich.

Im Bundestag dagegen fanden die Genossen in der Linksfraktion Neskovic selbst sei beim Thema Geheimdienstreform zuletzt zu lasch, zu wenig links, zu weit von der Parteilinie entfernt gewesen. Derzufolge soll der Verfassungsschutz völlig abgeschafft werden. Neskovic hält das für falsch und verfassungsrechtlich nicht möglich – was Fraktionschef Gregor Gysi als „Einzelmeinung“ abqualifizierte. Nun schrieb Neskovic am Donnerstag in einem offenen Brief: Er wolle seine Kräfte nicht länger auf „Abwehrkämpfe sowie auf Parteidisziplin und Hierarchien verschwenden“. Viel zu oft gehe es im politischen Apparat darum, „schlechte Politik durch wolkige Nullsätze schönzureden“.

Streitbarer Richter

Schon vor seiner Zeit als Berufspolitiker war der in Lübeck als Sohn eines serbischen Maurers und einer deutschen Schneiderin geborene Neskovic ein Querkopf. Legendär ist sein Plädoyer für ein „Recht auf Rausch“ als Landesrichter in Schleswig-Holstein Anfang der 90er-Jahre. Trotz seiner streitbaren Positionen wurde Neskovic später Richter am Bundesgerichtshof.

Vor seinem Austritt aus der Linksfraktion am Donnerstag hatte Neskovic schon zwei Parteien gefrustet den Rücken kehrt. Bis Mitte der 90er war er Mitglied der SPD, die er wegen der Aufweichung des Asylrechts verließ. Mit den Grünen brach er wegen des Kosovokriegs. Im Bundestag profilierte Neskovic sich als hartnäckiger Geheimdienstwächter im Parlamentarischen Kontrollgremium – das er mit seinem Austritt aus der Linksfraktion auch verlassen muss. Der 64-Jährige ist jetzt endgültig ein Einzelkämpfer.

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5 Kommentare

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  • L
    lowandorder

    Lost in translation? oder Schleppschicht?

    2.0

     

    @ von T.V.:

    …Lieblingskanzlerkandidat…

     

    Vade retro!

    Das denn bitte doch nicht.

    Dann könnte dieser geistige Eishockeyspieler

    ja schone wieder nicht frei atmen.

     

    Und - wir werden ja alle nicht jünger!

    " undiplomatisch" - das trifft's eher weniger;

    in der SPD war es lange gelungen, ihn geschickt via

    enger unerschrockener Vertrauter auf Augenhöhe

    einzubinden.

    Bei einem Justizminister Klingner

    nach der überraschenden After-Barschel SPD eines

    Björn Ikea-Klappstuhl Engholm war dann endgültig

    Schluß mit Lustig.

     

    Die Grünen waren ihm in seinen Gebieten

    eine VHS-Verstaltung. Sehr klarsichtig.

    Kosovokriegslügen! Fischer/Scharping

    - da können wir uns die Hand geben!!

    Es ist gut, wenn Richter dieser Republik

    einen solchen Verfassungsbruch nicht bereit

    sind mitzutragen. Und sie dabei zudem

    nicht nur einzelne sind!

     

    Und die Linke?

    Na, - da konnte jeder, der ihn kennt,

    von Anfang an doch nur kopfschüttelnd

    mit dem Krückstock an riechen:

    dat geit in Mors.

     

    So denn: Wolfgang, each time is a new time.

    Einzelkämpfer - warste so verstanden immer.

    Zu recht. Masseltoff.

     

    Ps by the way, Herr Schmidt - falls Sie auch das Foto in der e-taz verantworten - und wie sollten Sie nicht: - echt perfide!

  • V
    valeria

    Gestern stand in "taz" (ungefaehr)"die Gruene Partei befasst sich nicht gerne mit innerpolitischen Verantwortungen" und das zweigt sich nun auch in der "Linke". Was wollen diese Leute: Reisen ins Ausland, zu Konferenzen nach Wien oder New York, oder als 'Weisse Wohltaeter' in die exotischen Tropen: Ausserhalb von Europa sollen alle zurueck aufs Land - nicht ganz wie die Khmer Rouge von Pot Pol in Kambodien - sondern romantisch als "Kleinbauern". Nur organische Bananen anbauen fuer BRD Bio-Laeden oder bischen Fischen im Urwald. Aber keinesfalls Hydroelektrikstaedaemme oder Mineralienbergbau. Das passt in das geopolitische Programm der USA und des Vatikans. Die USA Agrarlobby will "Farms here-forests there" (sieh im net!) und der Vatikan braucht verdummte Kleinbauern fuer den Glauben an die Priester.

  • T
    T.V.

    Guter Schritt. Mein Lieblingskanzlerkandidat, leider wohl unter ferner liefen.

  • OW
    Onkel Willy

    Ich finde es schade, dass Herr Neskovic die Linksfraktion verlässt. Damit geht ein wichtiger und wertvoller Mitstreiter. Die Gründe für diesen Schritt sind mir unbekannt aber leider zerlegen sich linke Parteien und Gruppierungen schon seit über einhundert Jahren oftmals selbst. Leider.

  • G
    georga

    Hier ist die Erklärung, der genannte Offene Brief von Wolfgang Neskovic zu lesen:

    http://www.wolfgang-neskovic.de/files/121213_erklaerung.pdf

     

    Zum Austritt von Wolfgang Neskovic aus der Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag erklärt der Fraktionsvorsitzende Gregor Gysi:

    „Ich bedaure den Schritt von Wolfgang Neskovic außerordentlich. Ich hätte sehr gehofft, dass sich die Widersprüche zwischen ihm und den verantwortlichen Genossinnen und Genossen im Landesverband unserer Partei in Brandenburg und im Kreisverband Lausitz auf andere Art und Weise lösen lassen. Für sein weiteres Wirken und Leben wünsche ich Wolfgang Neskovic alles erdenklich Gute.“

     

    Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD Thomas Oppermann hingegen stichelt auf Twitter:

    https://twitter.com/ThomasOppermann/status/279216910527246336