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Neonazis drohen Journalisten mit dem TodUnd jetzt?

Der Braunschweiger Journalist David Janzen hat erneut eine Morddrohung von Neonazis erhalten. Viel Hoffnung auf die Polizeiermittlungen hat er nicht.

Fand ein Kreuz, einen Szene-Code, eine Kerze und rohes Fleisch im Briefkasten: David Janzen Foto: dpa | Sina Schuldt

D avid Janzens Stimme klingt gefasst. Die erneute Todesdrohung bringt den Journalisten, der schon lange zur rechtsextremen Szene recherchiert, nicht aus der Ruhe. Er weiß, über wen er berichtet. Am 29. März stand in roter Farbe an der Haustür des Braunschweiger Rechtsextremismusexperten: „Bündnis gegen Antideutsche“. Im Briefkasten lag rohes Fleisch. Auf dem Boden stand eine kleine Kerze mit eindeutiger Aussage: „1.4.88 Janzen“, dahinter ein Kreuz. „Ich kenne das, doch ich frage mich schon, was noch folgen könnte“, sagt Janzen am Telefon.

Die Zahl ist ein Code. Sie weist deutlich auf den möglichen Tä­te­r*in­nen­kreis hin. Die „1488“ verbinde zwei Szenecodes, erklärt Janzen. Die „14“ steht dabei für die sogenannten „14 words“ des US-amerikanischen Rechtsextremisten David Eden Lane, der dem Ku Klux Klan angehörte und Gründer der terroristischen Organisation „The Order“ war. Die „14 Worte“ lauten auf Deutsch: „Wir müssen die Existenz unseres Volkes und eine Zukunft für unsere weißen Kinder sichern.“ Dieses Quasi-Glaubensbekenntnis ist mit dem 8. Buchstaben im Alphabet, dem H, verbunden. „88“ bedeutet: „Heil Hitler“. Nicht gerade originell, meint Janzen. Die Kombination ist ein gängiger Code.

In einer ersten Pressemitteilung führt die Polizei zu der Tat aus, dass wegen „Sachbeschädigung“ ermittelt würde. Für Janzen ist das nicht nachvollziehbar: „Ich frage mich, warum die Polizei hier nur von einer Sachbeschädigung spricht. Ein Kreuz zusammen mit meinem Namen auf einer Kerze verstehe ich eindeutig als Morddrohung.“ In einem späteren „Zeugen-Aufruf“ geht die Polizei von einer „Bedrohung“ und „Körperverletzung“ aus.

Nun war der Staatsschutz bei Janzen. Eine Strafanzeige wegen Bedrohung, Nachstellung sowie Körperverletzung hat er gestellt. Die Gewerkschaft Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (DJU) wertet die Tat ebenso als Angriff auf die wichtige journalistische Arbeit von Janzen.

Ermittlungen zu bisherigen Attacken an Janzens Haustür stellte die Staatsanwaltschaft ein

Viel Hoffnung verbindet Janzen mit der Anzeige nicht. Denn Ermittlungen zu bisherigen Attacken an seiner Haustür stellte die Staatsanwaltschaft immer wieder ein, so Janzen. Diese Praxis dürfte die Szene ermutigen.

In Braunschweig plakatierten Unbekannte auch mehrfach ein Porträtfoto von Janzen mit der Aufschrift: „Ich bin verantwortlich für Lügen, Hetze und Gewalt – David Janzen – Täter, kein Opfer.“ 2019 gehörte Janzen zu jenen Jour­na­lis­t*in­nen, gegen die in Hannover NPD und „Die Rechte“ einen Aufmarsch ausrichteten. Über 7.000 Ge­gen­de­mons­tran­t*in­nen solidarisierten sich mit den Bedrohten in der niedersächsischen Landeshauptstadt. Aus der Politik, vom damaligen Innenminister Boris Pistorius (SPD), wurde Unterstützung zugesagt.

Erst der zivilgesellschaftliche Druck und die Anweisung der Generalstaatsanwaltschaft führten zu der Verurteilung Johannes Welges wegen Beleidigung. Am 28. März verurteile das Amtsgericht den Ex-Kreisvorsitzenden von „Die Rechte“ zu 2.400 Euro Geldstrafe. Janzen vermutet, dass die Attacke eine Reaktion auf seine Berichterstattung über Welge seien könnte.

Einen Tag vor der erneuten Bedrohung Janzens legte die Betroffenenberatung Niedersachsen die Zahlen für das Jahr 2022 vor. Sie registrierten 590 Beratungen zu rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt. Das ist eine Steigerung von acht Prozent gegenüber 2021.

Pressesprecherin Marie Kortmann sagt, dass „besonders Menschen ins Visier“ geraten, „die sich aktiv in unserer Gesellschaft engagieren. Sie werden als Feindbild gesehen und sollen eingeschüchtert werden.“ Und sie betrachtet die Polizei skeptisch: „Wir fragen uns, warum die Polizei kaum Interesse zeigt, rechte Gewalt sichtbar zu machen“. Eine Frage, die Janzen als Betroffener auch immer wieder stellt.

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Andreas Speit
Autor
Rechtsextremismusexperte, Jahrgang 1966. In der taz-Nord schreibt er seit 2005 die Kolumne „Der Rechte Rand“. Regelmäßig hält er Vorträge bei NGOs und staatlichen Trägern. Für die Veröffentlichungen wurde er 2007 Lokaljournalist des Jahres und erhielt den Preis des Medium Magazin, 2008 Mitpreisträger des "Grimme Online Award 2008" für das Zeit-Online-Portal "Störungsmelder" und 2012 Journalisten-Sonderpreis "TON ANGEBEN. Rechtsextremismus im Spiegel der Medien" des Deutschen Journalistenverbandes und des Ministeriums für Justiz und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt. Letzte Bücher: herausgegeben: Das Netzwerk der Identitären - Ideologie und Aktionen der Neuen Rechten (2018), Die Entkultivierung des Bürgertum (2019), mit Andrea Röpke: Völkische Landnahme -Alte Sippen, junge Siedler, rechte Ökos (2019) mit Jena-Philipp Baeck herausgegeben: Rechte EgoShooter - Von der virtuellen Hetzte zum Livestream-Attentat (2020), Verqueres Denken - Gefährliche Weltbilder in alternativen Milieus (2021).
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1 Kommentar

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  • „Wir fragen uns, warum die Polizei kaum Interesse zeigt, rechte Gewalt sichtbar zu machen“.



    Komisch hier sind keine Kommentare, all der besorgten Kommentatoren zu lesen, die noch vor ein paar Tagen eifrigst vor einer linken Gewaltspirale gewarnt haben ...