piwik no script img

Neonaziprozess in Dortmund„Combat 18“-Mitglieder sehen Gericht als Bühne

Die gewaltorientierte Neonazi-Organisation ist seit 2018 verboten. Bei Prozessauftakt wird deutlich, dass die Angeklagten sie fortgeführt haben.

2018 läuft der heute Angeklagte Robin Schmiermann für Combat 18 auf einer Demonstration in Dortmund Foto: Alex Völkel/Nordstadtblogger.de

Dortmund taz | Als hätte man ihnen den Prozess in Dortmund als Bühne angekündigt, saßen drei der vier Angeklagten schon eine halbe Stunde vor Verhandlungsbeginn auf der Anklagebank in Saal 130 am Dortmunder Landgericht. Einer von ihnen: Robin Schmiemann (40), Neonazi, verurteilter Gewalttäter, einst Brieffreund von Beate Zschäpe. Er macht Selfies, zeigt das „White Power“-Zeichen. Immerhin verdeckt seine Hose das Tattoo auf seinem Bein: „What­ever it takes – C18“

„Combat 18“, benannt nach dem Zahlencode für „Adolf Hitler“, wurde 2020 in Deutschland verboten. Der Grund: Die Organisation sei in Wesen und Zielsetzung mit dem National­so­zia­lis­mus verwandt und ge­walt­orien­tiert organisiert. Sie rufe zur Bildung bewaffneter Zellen auf, plane Anschläge. Das Verbot folgte dem Mord an Regierungspräsident Walter Lübcke – der mutmaßliche Täter hatte früher Kontakt zu Stanley Röske, heute einer der Angeklagten. Die Ermittlungen offenbarten: Combat 18 lief weiter – mit Struktur, Treffen, Geldfluss.

Robin Schmiemann ist in der militanten Rechten kein Unbekannter. Als junger Mann saß er wegen versuchten Mordes im Gefängnis – ein brutaler Raubüberfall, bei dem er einem Mann in den Rücken schoss. Aus der Haft heraus schrieb er Beate Zschäpe, die spätere Mit­an­ge­klag­te im NSU-Prozess – und stilisierte sich öffentlich zum „politischen Gefangenen“. In den Nullerjahren galt er als Kopf der Dortmunder Combat-18-Zelle, ein Knotenpunkt für die militante Rechte in NRW.

Röske, 49, gilt als Strippenzieher. Laut Bundesanwaltschaft organisierte er geheime Treffen mit Mitgliedern der Gruppe „Knockout 51“ in Eisenach.

Konspirative Treffen, neue Mitglieder

Die Generalbundesanwaltschaft wirft den vier Angeklagten – Stanley Röske (49), Robin Schmiemann (40), Kevin Langner (44) und Gregor Michels (45) – vor, spätestens ab Sommer 2018 die verbotene rechtsextreme Organisation Combat 18 Deutschland fortgeführt zu haben. Die Männer sollen an konspirativen Treffen teilgenommen, neue Mitglieder rekrutiert und die Gruppierung nach außen vertreten haben – etwa durch das Tragen von Kleidung mit einschlägigen Symbolen, durch strukturierte Aufnahmerituale und durch das Betreiben von Chatgruppen zur ideologischen Vernetzung.

Laut Anklage organisierten sie zudem Szenetreffen, hielten die Hierarchie aufrecht und sorgten über den Verkauf von Merchandising-­Artikeln für Einnahmen, mit denen Combat 18 weiterhin finanziert wurde. Aus Sicht der Bundesanwaltschaft verstießen sie damit gegen das Vereinigungsverbot (§ 85 StGB) und führten eine Organisation fort, die in ­ihrer Zielsetzung und Struktur als wesensverwandt mit dem Na­tio­nal­sozialismus eingestuft ist.

Am ersten Verhandlungstag geht es um ein angeblich unpolitisches Treffen im April 2021, eine BKA-Beamtin und ein BKA-Beamter sagen aus, darunter eine Ermittlerin, die für die Auswertung beschlagnahmter Handys zuständig war. Sie schildert, wie Einladungen zu der Zusammenkunft über Telegram und Whatsapp verschickt wurden.

„Ohne politische Kleidung“ am Parkplatz in Godisthal

Der Chatverlauf sei eindeutig: Stanley Röske, mutmaßlicher Kopf von Combat 18 Deutschland, habe das Treffen organisiert und ausdrücklich darum gebeten, keine politische Kleidung zu tragen. Treffpunkt: ein abgelegener Parkplatz nahe Goldisthal in Thüringen. Laut Generalbundesanwaltschaft soll Röske unter anderem Treffen mit Mitgliedern der rechtsextremen Kampfsportgruppe „Knockout 51“ in Eisenach organisiert haben.

Der Prozess gegen Schmiemann, Röske und zwei weitere Rädelsführer von Combat 18 soll bis September 2025 laufen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!