Neofaschisten in griechischen Schulen: Hakenkreuze auf der Schulbank
Traditionell ticken Griechenlands Jugendliche eher links, jetzt wächst die Sympathie mit den Neofaschisten. Lehrer sind besorgt.
ATHEN taz | Der 16-jährige Kostis steht vor seiner Schule im Zentrum Athens. Raucherpause. Zwischen zwei Zügen zeigt der Jugendliche mit den wirren hellbraunen Haaren auf verschiedene Symbole an der Außenwand des kalkweißen Schulgebäudes aus den 60er Jahren. Hakenkreuze und das an das Hakenkreuz angelehnte Symbol der neofaschistischen Partei Chrysi Avgi sind dort zu sehen. Daneben stehen die Worte Chrysi Avgi – Goldene Morgenröte – geschrieben.
Chrysi Avgi, so heißt die neofaschistische Partei Griechenlands. Sie polemisiert gegen Einwanderer, Lesben und Schwule. Ihre Anhänger versammeln sich auch schon mal zu Fackelmärschen und singen die griechische Übersetzung des Horst-Wessel-Liedes.
Abgeordnete reden von einer neuen Zivilisation, in der nur noch Menschen „rein griechischen Blutes“ das Wahlrecht haben. Bei den Parlamentswahlen im Juni vor zwei Jahren erhielt die Chrysi Avgi knapp 7 Prozent der Stimmen und sitzt seitdem mit 18 Abgeordneten im 300-köpfigen griechischen Parlament.
Übergriffe auf andersdenkende Schüler
Der sonst sehr gelassen wirkende Kostis wird immer aufgeregter, als er erzählt: „Seitdem die Chrysi Avgi im Parlament sitzt, ist Faschismus unter den Jugendlichen hier präsenter.“ Auch im Schulgebäude findet man Aufkleber der Partei auf den Stühlen oder in die Schultische eingeritzte Hakenkreuze und das Symbol der Chrysi Avgi. „Es ist deutlich spürbar, dass da ein Rechtsruck unter den Jugendlichen stattgefunden hat“, sagt Kostis.
Er drückt die Zigarette aus und schnappt seinen Rucksack. In ein paar Minuten beginnt die nächste Unterrichtsstunde. Kostis dreht sich noch einmal um: „Es kommt bei uns auch häufiger vor, dass die Anhänger der Chrysi Avgi andere Mitschüler beleidigen und sogar angreifen, nur weil diese eine dunkle Hautfarbe haben oder nicht mit deren Meinung übereinstimmen.“
Das Vertrauen der Griechen in die etablierten Parteien des Landes ist erschöpft. Ihnen geben sie die Schuld an der Wirtschaftskrise. Die NeofaschistInnen, die sich jahrelang im Untergrund hielten, gewannen in der Krise plötzlich an Zuspruch. Besonders in der jungen Generation wächst die Zahl der Anhänger.
Sorgen im Elternhaus, Angst vor der Zukunft
„Die Jugendlichen hier im Lande sind die, die in der Krise am meisten draufzahlen“, sagt Oberstufenlehrer Andreas Safiris. In vielen Elternhäusern habe die Wirtschaftskrise das Leben erheblich erschwert, erzählt der hochgewachsene Mann. Die Sorgen der Eltern bekämen auch die SchülerInnen zu spüren: Lohnkürzungen, Arbeitslosigkeit und die ständige Ungewissheit, welche Leistungen der Staat als Nächstes streicht. „Und die Schüler sorgen sich um ihre eigene Zukunft, wenn es schon jetzt keine Arbeitsplätze mehr gibt“, sagt Safiris.
Viele der Jugendlichen seien durch die Lage im Lande so verunsichert und auch wütend, dass sie in der Chrysi Avgi die einzige Lösung sehen, um aus dieser Situation herauszukommen, sagt Safiris. Eigentlich sei die Jugend Griechenlands generell links eingestellt, meint Safiris. „Doch durch die Entwicklungen im Lande bewegt sich ein nicht unbedeutender Teil der Jugendlichen nun gen rechts und liebäugelt mit dem Faschismus. Und wenn wir da jetzt nicht eingreifen, verlieren wir diese Jugendlichen an die Faschisten.“
Safiris hat zusammen mit anderen Lehrerinnen und Lehrern eine Theatergruppe gegründet, die Stücke mit antifaschistischem Hintergrund aufführt. Sie treten auf öffentlichen Plätzen und in Schulen auf. „Als Lehrer im Klassenraum bist du eher eine Machtperson und kommst bei vielen SchülerInnen als Vorbild nicht infrage“, erklärt Safiris die ungewöhnliche pädagogische Maßnahme. Über das Theater versuchen Safiris und seine LehrerInnentruppe die Jugendlichen emotional zu erreichen und nicht „bloß vor ihnen zu stehen und zu erklären“.
Die griechische Lehrergewerkschaft Olme registriert den grassierenden Faschismus an den Schulen ebenfalls mit Besorgnis und geht nun verstärkt dagegen vor. „Spätestens als Schüler den Holocaust leugneten wurde uns klar, dass wir etwas tun müssen“, sagt Pavlos Charambis.
Charambis, ein Mann Mitte 60, unterrichtete bis vor einem Jahr selbst. Jetzt ist er für die Olme aktiv. Die veranstaltete im Sommer ein Antirassismusfestival auf dem Gelände der Athener Kunsthochschule. Zahlreiche SchülerInnen, StudentInnen aber vor allem junge LehrerInnen sind gekommen, um sich auszutauschen und anregen zu lassen. Tagsüber wird diskutiert, Theatergruppen treten auf, am Abend spielen mehrere Bands.
Viele Morgenröte-Fans sind noch keine „Faschisten“
Charambis, der an einem Schulpult sitzt, wird von mehreren TeilnehmerInnen angesprochen. Viele LehrerInnen seien unsicher, wie sie mit der Situation umgehen sollen, so Charambis. Die Olme organisierte einen Workshop, um zusammen mit den KollegInnen Strategien zu entwickeln und besuchte Schulen. Zwei Bücher hat die Olme mittlerweile herausgegeben, in denen LehrerInnen über ihre Erfahrungen im Umgang mit Faschismus an der eigenen Schule berichten und Vorschläge machen, wie dieser eingedämmt werden kann.
„Noch sind die Schüler in einem Entwicklungsstadium, in dem sie leicht zu beeinflussen sind. Und zwar von beiden Seiten“, betont Charambis. Und das berge auch die Hoffnung, die Schüler zu erreichen, wenn man die Chance jetzt wahrnehme und gegen den Faschismus steuere.
„Von den meisten SchülerInnen, die AnhängerInnen der Chrysi Avgi sind, kann man gar nicht sagen, dass sie wirkliche FaschistInnen sind“, meint Theaterleiter Safiris. Die SchülerInnen wollten sich vielmehr gegen die etablierten Parteien und gegen den starken Flüchtlingszulauf positionieren. Das findet dann im Bekenntnis zur Chrysi Avgi Ausdruck, so der Lehrer.
Gastfreundlichkeit schlägt in Fremdenhass um
Griechenland ist für Tausende Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan oder Somalia das Tor zur Europäischen Union. In kleinen Schlauchbooten wagen sie die Überfahrt von der Türkei nach Griechenland oder kommen über die türkisch-griechische Grenze in der Region Evros. Allerdings ist es dem Land durch ein Abkommen mit der EU nicht möglich, die Flüchtlinge weiterreisen zu lassen. Zusammen mit der zunehmenden Armut entwickelt sich in der griechischen Bevölkerung eine fremdenfeindliche Stimmung gegen Flüchtlinge: Mittlerweile gibt es auch in Griechenland sogenannte No-go-Areas für Ausländer. Viele der Migranten bleiben wenn es dunkel wird, aus Angst vor Angriffen der Faschisten, zu Hause.
„Griechenland wird sozusagen zum Sammelbecken für MigrantInnen“, sagt Safiris. Das könne der krisengeschüttelte Staat nicht tragen. „Diese Situation gibt den FaschistInnen natürlich Futter“, sagt Safiris. „Es ist jetzt leicht zu sagen, dass die AusländerInnen die Schuld tragen und nicht die Politik der EU.“
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