Negativer Medienpreis: Chapeau, Herr Reichelt, aber…
Der Verein Neue Deutsche Medienmacher will den „Bild“-Chef Reichelt auszeichnen. Doch der lehnt ab – mit einer skurrilen Rede.
Das Nationalgemüse Deutschlands ist jetzt der Namensgeber eines Medienpreises: „Die Goldene Kartoffel“ wurde am Samstag zum ersten Mal verliehen, in einer Bar in Kreuzberg. Ausgelobt wurde sie im Rahmen des zehnjährigen Jubiläums der Neuen Deutschen Medienmacher (NdM), dem Verein, der für mehr Vielfalt in den Medien eintritt.
Lecker und nahrhaft ist die Kartoffel. Sie steht inzwischen nicht nur für Weißdeutsche, sondern, in Form des Medienpreises, auch für „unterirdische Berichterstattung über Aspekte zu der Migrationsgesellschaft“. Die erste „Goldene Kartoffel“ sollte an Julian Reichelt, den Chefredakteur der Bild-Zeitung, verliehen werden. Reichelt ist zwar persönlich erschienen, zeigte sich aber verletzt und nahm den Preis nicht mit nach Hause.
NdM-Vorsitzende Sheila Mysorekar würdigte Reichelt für seine Arbeit mit folgenden Worten: „Bild steht für Unsachlichkeit, Vorurteile und Panikmache, wenn es um die Themen Integration, Migration und Asyl geht, für doppelte Standards in der Berichterstattung über Menschen mit und ohne Migrationshintergrund und für einen stark ethnozentrischen Blick auf unsere Einwanderungsgesellschaft und deren Herausforderungen.“
Dass Julian Reichelt persönlich bei der Preisverleihung erschien und sich die kritische Auseinandersetzung mit seiner Arbeit anhörte, war keine Selbstverständlichkeit. Von daher: Chapeau!
Einige Missverständnisse
Allerdings müssen an dieser Stelle einige Missverständnisse beseitigt werden. Reichelt erinnerte in seiner Rede an eine kleine Anfrage von AfD-Bundestagsabgeordneten. Darin wollten sie von der Bundesregierung wissen, ob und wie sie die Neuen Deutschen Medienmacher finanziell fördere. Reichelt schlug dem Verein vor, kein Geld von der Bundesregierung anzunehmen, wenn man über „guten und schlechten Journalismus“ urteile. Dabei geht es bei der „Goldenen Kartoffel“ darum, dass Journalisten rassistische Vorurteile reproduzieren, nicht um „guten“ und „schlechten“ Journalismus.
Zudem fühlte sich Reichelt rassistisch angegriffen: „In den Brennpunktschulen, wo die Integration keine Erfolgsgeschichte ist, ist Kartoffel eine Beschimpfung, die sich auf Rasse und Herkunft bezieht“, so der Bild-Chefredakteur. Dabei vergisst Herr Reichelt, dass Rassismus eine strukturelle Diskriminierung ist, die von gesellschaftlichen Institutionen, Gesetzen und Normen ausgeht. Menschen, die der Mehrheitgesellschaft angehören, können im Gegensatz zu Minderheiten nicht strukturell benachteiligt werden.
Besonders erwähnenswert ist, dass Reichelt einen geflüchteten Journalisten aus Syrien, Mohammad Rabie, mitbrachte, als Token mit auf die Bühne nahm und ihn die Bild-Zeitung verteidigen ließ. Dass Reichelt einen geflüchteten Journalisten fördert, ist zweifellos eine gute Sache. Das schließt aber eine unsaubere Berichterstattung über Migration, Integration und Asyl genausowenig aus, wie eine Mutter zu haben Frauenfeindlichkeit ausschließt.
Nach seiner Replik verließ Reichelt die Bühne, allerdings nicht die Lokalität, trank türkisches Bier und unterhielt sich mit anderen Gästen. Die glänzende Goldene Kartoffel blieb einsam zurück, gewiss nur bis zum nächsten Jahr.
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