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Negativer Asylbescheid in Österreich„Weder Ihr Gang noch Ihr Gehabe“

Ein Afghane hat wegen seiner Homosexualität in Österreich Asyl beantragt – vergeblich. Denn dem Beamten wirkte er nicht schwul genug.

Rainbow Parade in Wien 2016: So können schwule Männer aussehen – anders aber auch. Foto: dpa

WIEN taz | Wer schwul ist, der hat sich entsprechend maniriert zu benehmen und zu kleiden. Diese Meinung vertritt jedenfalls Oberrevident Ceka in Wiener Neustadt in seinem negativen Asylbescheid für einen 18-jährigen Afghanen: „Weder Ihr Gang, Ihr Gehabe oder Ihre Bekleidung haben auch nur annähernd darauf hingedeutet, dass Sie homosexuell sein könnten“.

Der junge Mann, der angab, wegen seiner homosexuellen Veranlagung in seinem Heimatland Verfolgung befürchten zu müssen, war im Herbst 2016 als unbegleiteter Minderjähriger über die Türkei und Ungarn nach Österreich gekommen. Bei der polizeilichen Vernehmung hatte er zunächst angegeben, als Angehöriger der Minderheit der Hazara in seiner Heimatprovinz Herat um sein Leben zu fürchten.

Das österreichische Bundesasylamt bezweifelt nicht grundsätzlich, dass Homosexuellen in Afghanistan Gefahr droht. „Bisexuelle und homosexuelle Orientierung sowie transsexuelles Leben werden von der breiten Gesellschaft abgelehnt“, heißt es in dem Bescheid, der eine Unzahl von Berichten und Gutachten zitiert. In rückständigen Gegenden drohe sogar die Todesstrafe. Und: „NGOs berichten von der Polizei, die schwule Männer festnimmt, ausraubt und vergewaltigt“.

Oberrevident Ceka verneint schlicht die Glaubwürdigkeit des Asylbewerbers. So heißt es in dem Bescheid etwa, dieser habe laut Zeugen Konflikte mit Zimmergenossen in seiner Unterbringung in einem SOS-Kinderdorf ausgetragen und sei wegen Körperverletzung angezeigt worden – auch das spreche gegen den Fluchtgrund: „Ein Aggressionspotenzial ist bei Ihnen also vorhanden, das bei einem Homosexuellen nicht zu erwarten wäre.“

Vorurteile, Stereotype, Klischees

Cekas Schlussfolgerung: „Sie sind nicht homosexuell, wollen die Behörde nur täuschen“. Die Folge: Der junge Mann bekommt kein Asyl und darf auch nicht als subsidiär Schutzberechtigter im Land bleiben. Denn die Provinz Herat gelte als vergleichsweise sicher.

„Sowohl das Interview, wie auch die Begründung sind durchzogen von Vorurteilen, Stereotypen, Klischees und somit völlig ungeeignet, eine Grundlage für die Feststellung über die Glaubwürdigkeit irgendeines Asylwerbers zu treffen“, sagt Marty Huber von der LGBT-Beratungs- und Betreuungsorganisation Queer Base in Wien, wo der Flüchtling Schutz gesucht hat.

In der langen Begründung des 118 Seiten starken Bescheides wird auch kritsisiert, dass der Asylwerber seinen ursprünglich angegebenen Fluchtgrund geändert habe. Das sei allerdings völlig normal, sagt Huber: „Für Jugendliche ist die Einvernahme eine massive Überforderung“. Der junge Mann habe dem Dolmetscher misstraut und sich deswegen nicht outen wollen. Außerdem sei das Polizeiprotokoll für das Asylverfahren rechtlich irrelevant.

Der Bescheid, der der taz vorliegt, wurde schon am 11. April erlassen, aber erst jetzt durch einen Bericht der Wochenzeitung Falter öffentlich gemacht. Über den Inhalt wundert Michael Genner von der Rechtsberatungs- und -vertretungsorganisation Asyl-in-Not sich nicht: „Das fügt sich gut in die Dinge, die ich sonst kenne“.

„Psychischer Ausnahmezustand“

So habe Oberrevident Ceka schon in einem früheren Bescheid geschrieben: „Die meisten afghanischen Asylwerber lügen und behaupten, sie hätten bei der Erstbefragung nicht angeben können, warum sie das Land verlassen hätten.“

Das stehe „in völligem Widerspruch zur Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes“, sagt Genner. Der habe wiederholt festgestellt, dass Asylsuchende sich bei der Erstbefragung „in einem physischen und psychischen Ausnahmezustand befinden“ und „auf eine korrekte Übersetzung angewiesen“ seien.

Marty Huber weiß von weiteren Mandanten, die laut Asylbescheid nicht „feminin genug waren, um als schwul zu gelten“. Es sei ein Lotteriespiel, welchem Beamten man zugewiesen werde: „Es wird gewissen Menschen aus gewissen Ländern einfach oft grundsätzlich nicht geglaubt“.

Der afghanische Asylwerber hat gegen den Bescheid berufen. Das Oberverwaltungsgericht in zweiter Instanz hat im vergangenen Jahr 42 Prozent der negativen Asylbescheide wieder aufgehoben.

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