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Nazis nutzen CoronakriseSolidarität mit Grenzen

Rechte instrumentalisieren die Krise als Moment der Nachbarschaftssolidarität. Geholfen wird aber nur denen, die vermeintlich zum „Volk“ gehören.

Geholfen wird nicht jedem: Nazis instrumentalisieren die Coronakrise Foto: dpa

Leipzig taz | Ein junger Mann in grünem Pulli und mit freundlichem Lächeln, der einer älteren, gebückt laufenden Dame im langen Rock und mit Krückstock über die Straße hilft. Daneben ein Bus, der an der roten Ampel wartet, in Großbuchstaben steht darauf: “Jugend packt an. Du – Ich – Wir.“ Gezeichnet ist das Ganze wie ein freundlicher Comic für Kinder in hellen Farben. Doch wer genau hinschaut, sieht: Jene Hilfe, für die hier geworben wird, gibt es nicht für jeden.

Das Werbebild, das in vielen Städten auch als Flugblatt verteilt wird, entspringt einer PR-Aktion der Jungen Nationalisten (JN), der Jugendorganisation der NPD. Das Konzept: Agitation in der Coronakrise durch Hilfsangebote. Einkaufen gehen für Senior:innen, Obdachlosenhilfe, Tierheimspenden.

Doch die Solidarität hat Grenzen: Geholfen wird nur Deutschen oder ebenjenen, die nach Meinung der Initiatoren deutsch sind. Dafür hat die JN eine Kampagne von 2017 wiederbelebt, die schon damals nationalistische Hilfsaktionen mit dem Versprechen propagierte, zu helfen, wo der Staat versage.

Die JN ist nur eine der zahlreichen Organisationen, die die Corona-Krise für nationalistische Propaganda im Gewand von Hilfsaktionen nutzt. Auch rechtsextreme Parteien wie der III. Weg oder Die Rechte, die Kampagne Ein Prozent oder die AfD reagieren auf die derzeitige Situation mit ähnlichen Aktionen.

Der III. Weg macht es vor

Ein Beispiel ist der AfD-Politiker und Freiburger Stadtrat Dubravno Mandic, der schon häufiger durch rassistische Aussagen auffiel und aufgrund seiner extrem rechten Ansichten sogar schon aus der Partei ausgeschlossen werden sollte. Auf Facebook wirbt der streng gescheitelte 39-Jährige unter dem Hashtag „#buildVolksgeist' damit, dass er „junge, gesunde und kräftige Patrioten“ der Jungen Alternative zu Bedürftigen schicke. Die AfD brachte mit ihren Aktionen auch Krankenhauspersonal in Sachsen in Aufruhr, als die Rechten während der Ausgangssperre in Hoyerswerda versuchten, Blumen in einer Klinik zu verteilen.

Mit einer sogenannten Solidaritätsaktion für Risikogruppen und „gegen die soziale Kälte“ wirbt auch der Verein Ein Prozent. Seit 2015 gilt dieser als ein Sammelbecken für neurechte Vordenker rund um das Institut für Staatspolitik von Götz Kubitschek, das Compact-Magazin von Jürgen Elsässer oder AfD-Politiker wie Hans-Thomas-Tillschneider.

Sich selbst bewirbt der Verein als „Deutschlands größtes patriotisches Bürgernetzwerk“. In dieser Rolle wollen die Aktivist:innen sich profilieren: Jetzt habe man die Möglichkeit, unter Beweis zu stellen, dass man als Patrioten immer wieder Verantwortung für die Gesellschaft trage, heißt es auf der Website. Explizit rassistische Tendenzen hat der Aufruf zwar nicht, doch die Undurchschaubarkeit macht die rechte Agenda gefährlich.

Im sächsischen Plauen zeigt sich schon seit Jahren, wie die rechtsextreme Strategie der Nachbarschaftshilfe für Deutsche aufgeht. Die Partei der III. Weg organisiert in einem ihrer „Stützpunkte“ hier seit Jahren eine Hausaufgabenhilfe sowie Selbstverteidigungs- und Kampfsportkurse und betreibt eine Kleiderkammer – „nur für Deutsche“. Mit Erfolg: Im Mai 2019 wurde der III. Weg-Politiker Tony Gentsch in den Plauener Stadtrat und den Kreistag des Vogtlandkreises gewählt – mit 3,8 Prozent der Stimmen in Plauen und 12 Prozent im Stadtteil Haselbrunn, wo das Parteibüro wöchentlich seine Türen öffnet.

Die Zahlen steigen

In der Coronakrise hat die rechtsextreme Partei bisher schon in vierzehn Regionen Nachbarschaftshilfen und Tierfutterspenden organisiert. Die Aktivist:innen verteilen auch Pralinen an Feuerwehrleute und Krankenschwestern – und verbreitet gleichzeitig rechte Verschwörungstheorien und rassistische Hetze.

Warum das gefährlich werden kann, zeigt das Beispiel Stefan Trautmann. Der ehemalige NPD-Stadtrat aus Sachsen war bereits 2018 Teil einer „Schutzzonen“-Kampagne der NPD, bei der sich Bürgerwehren bildeten, die durch die Städte patrouillierten. Auch damals war das Narrativ: Der Staat ist nicht fähig, seine Bürger zu schützen, also müssen sie es selbst tun. Ein Konzept, das an die neunziger Jahre erinnert, in denen Neonazis sich organisierten, um national befreite Zonen zu errichten – oftmals mit Gewalt. Der Tenor auch damals: „Sozial geht nur national.“

Eine Sprecherin des Bundesamt für Verfassungsschutz sagte gegenüber der taz, dass solche Aktionen ähnlich der damaligen Schutzzonenkampagne in den vergangenen Wochen wieder vermehrt auftreten. So habe eine Gruppe von NPD-Parteimitgliedern erst Mitte März vor dem Bundestag patrouilliert, auch an anderen Orten soll es diese Aktivitäten gegeben haben. Ziel der rechten Gruppen sei es, eine vermeintliche Schutzzone für Deutsche zu errichten.

Es sei deutlich zu beobachten, dass die Rechtsextremen sich als „Kümmerparteien und Helfer in der Krise profilieren“, so die Sprecherin. Die Sehnsucht nach Solidarität wird so zum Anknüpfungspunkt für die Verbreitung verschwörungstheoretischer, nationalistischer und rassistischer Thesen. Zahlen zu den Aktivitäten gibt es zwar laut Verfassungsschutz keine, aber deutlich zu beobachten ist: Die Anzahl steigt.

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