Nazi-Gedenkstein in Polen: Gemeinsam spenden mit Rechtsextremen
Der AfDler Stephan Protschka hat für einen Gedenkstein mit zweifelhafter Inschrift gespendet. Jetzt wurde er wegen Volksverhetzung angezeigt.
Unter einem Eisernen Kreuz wird auf dem Stein unter anderem der „Selbstschutz- und Freikorpskämpfer“ gedacht. Dabei handelt es sich laut Wagner wohl um den „Volksdeutschen Selbstschutz“; der habe „im Zweiten Weltkrieg Zehntausende Polen und Juden ermordet“, so der Historiker. Es handle sich um eine 1939 gegründete Vorfeldorganisation der SS.
Es könnte aber auch der „Selbstschutz Oberschlesien“ gemeint sein, ein Zusammenschluss rechtsextremer Freikorpsverbände, die 1921 rund um Annaberg gegen polnische Aufständische kämpften. Viele Freikorps-Mitglieder gingen später zur SA und zur SS. In beiden Fällen sieht Wagner den Verdacht auf Volksverhetzung begründet.
„Das ist ein neuer, erschreckender Vorfall von Verherrlichung des Nationalsozialismus“, sagte Wagner. „Und es ist ein Beweis, dass die AfD immer weiter im rechtsextremen Milieu verankert ist.“
Ist das AfD-Foto digital verfälscht?
Protschka bestätigte der taz, dass er 300 Euro für den Gedenkstein gespendet hat. Seine Großeltern seien selbst vertrieben worden, sein Urgroßvater gelte noch immer als vermisst, sagte der bayerische AfD-Politiker, der auch im Bundesvorstand seiner Partei sitzt, zur Begründung. Von der Einweihung des Gedenksteins hat er Fotos auf Facebook gepostet.
Der Stein auf diesen Fotos unterscheidet sich allerdings in einem wichtigen Punkt von dem, der auf einem anderen Foto zu sehen ist, das im Netz kursiert. Es soll ursprünglich von den „Jungen Nationalisten“, der Nachwuchsorganisation der rechtsextremen NPD, ins Netz gestellt worden sein.
Empfohlener externer Inhalt
Während auf Protschkas Foto nach seinem Namen und dem der Jungen Alternative Berlin nur fünf weitere Spender auf dem Stein zu finden sind, sind es auf dem anderen Bild sechs. Auf Protschkas Bild fehlt der Schriftzug „Junge Nationalisten“. Diese hatten zuvor selbst ein Foto gepostet, das die Übergabe einer Spende von 200 Euro an den Bund der Jugend der Deutschen Minderheit (BJDM) in Bytom zeigt. Die Organisation hat den Stein initiert. Im Netz wird nun vermutet, Protschkas Foto könne bearbeitet worden sein.
Dem widerspricht der AfD-Politiker. Die „Jungen Nationalisten“ hätten zunächst auf dem Stein gestanden, sagte Protschka auf Anfrage der taz. Sie seien auf seine Initiative hin aber entfernt worden. Er sei davon ausgegangen, dass nur er und die Junge Alternative Berlin Spender für den Stein seien. „Eingeweiht wurde der Gedenkstein ohne den Schriftzug ‚Junge Nationalisten‘“, sagte Protschka.
Allerdings ist der NPD-Nachwuchs nicht der einzige Mitspender, der für Protschka zum Problem werden könnte. Auf dem Stein ist auch der Name der „Burschenschaft Markomannia Wien zu Deggendorf“ zu lesen. Diese wird vom bayerischen Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft und beobachtet.
Update 19.11. 16:50 Uhr: Die taz hat sich mit Hilfe der KollegInnen der „Gazeta Wyborcza“, mit der wir gemeinsam im Recherverbund „Europe's Far Right“ arbeiten, den Gedenkstein vor Ort angeschaut.
Der Schriftzug „Junge Nationalisten“ ist tatsächlich entfernt. Doch nicht nur das: Der Stein wurde inzwischen mit dem Schriftzug „Deutsche raus!“ beschmiert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Kanzlerkandidat-Debatte
In der SPD ist die Hölle los
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Verfassungsklage von ARD und ZDF
Karlsruhe muss die unbeliebte Entscheidung treffen
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört