Naturschutz in Nord- und Ostsee: Artenschutz auf dem Papier
Als sechs Gebiete unter Naturschutz gestellt wurden, waren Umweltverbände voll des Lobes. Doch für Kontrolle und Management gibt es kaum Personal.
Ende September 2017 hatte die damalige Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) sechs Meeresgebiete in Nord- und Ostsee unter Naturschutz gestellt. Die sechs Gebiete „Doggerbank“, „Borkum Riffgrund“ und „Sylter Außenriff/Östliche Deutsche Bucht“ in der Nordsee sowie „Fehmarnbelt“, „Kadetrinne“ und „Pommersche Bucht/Rönnebank“ in der Ostsee umfassen rund 30 Prozent der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) Deutschlands. Die im Höchstfall 200 Seemeilen breite – in der schmalen Ostsee nur bis zur Mitte reichende – AWZ, in der Meeresanrainer Priorität bei der wirtschaftlichen Nutzung vor ihren Nachbarstaaten genießen, schließt sich an das zwölf Seemeilen breite Hoheitsgebiet an und unterliegt der Zuständigkeit des Bundes, nicht der Küstenbundesländer.
Sogar die Umweltverbände lobten den Artenschutz
Mit der Schutzgebietsverordnung habe das Umweltministerium „einen wichtigen ersten Schritt zum Schutz der Artenvielfalt an den Küsten“ gemacht, lobten damals acht deutsche Umweltverbände in einer gemeinsamen Erklärung. Und fügten an, dass nun auch ein klares Management und effektive Kontrollen notwendig seien, damit der Schutz von Nord- und Ostsee nicht nur auf dem Papier stehe.
Deutschland hat im September 2017 sechs Meeresgebiete in Nord- und Ostsee nach den Regeln der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der EU (FFH-Richtlinie) unter Schutz gestellt, um europarechtliche Schutzverpflichtungen umzusetzen.
In der Nordsee sind diese Gebiete: Doggerbank, Borkum Riffgrund und Sylter Außenriff/Östliche Deutsche Bucht.
In der Ostsee sind diese Gebiete: Fehmarnbelt, Kadetrinne und Pommersche Bucht/Rönnebank.
Für diese Gebiete müssen in Managementplänen konkrete Regeln festgelegt werden, wie der Schutz der Natur zu gewährleisten ist. Die Fischerei auch mit Grundschleppnetzen indes ist weiterhin erlaubt.
Zurzeit sind etwa 45 Prozent der deutschen Meeresfläche – in der Nordsee sind es 43 Prozent, in der Ostsee 51 Prozent – als Natura-2.000-Gebiete geschützt.
Eben das aber tut er, hat Lemke nun herausgefunden. Im Bundeshaushalt 2019, der zurzeit im Bundestag diskutiert wird, „ist nach vorläufigem Planungsstand vorgesehen, eine zusätzliche neue Planstelle des höheren Dienstes einzusetzen“, so die der taz.nord ebenfalls vorliegende Auskunft von Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD), Parlamentarische Staatssekretärin im Umweltministerium, an Lemke. „Damit ist eine erste Grundausstattung für die Wahrnehmung der Aufgaben gewährleistet, schreibt die Staatssekretärin. „Etwaige zwischenzeitliche Arbeitsspitzen sind durch Priorisierungsentscheidungen zu bewältigen.“
Wie eine einzige höhere Planstelle sechs Meeresschutzgebiete vor Norddeutschlands Küsten managen, überwachen und kontrollieren soll, ist Lemke schleierhaft. Die Fischerei mit Stell- und Schleppnetzen würde weiterhin „unsere wertvollen Ökosysteme“ in Nord- und Ostsee bedrohen, „Schweinswale sterben als Beifang, schützenswerte Riffe werden einfach umgepflügt“, kritisiert die Grüne. Und die Naturschutzbehörden könnten ihre Aufgaben wegen Personalmangels nicht ausreichend erfüllen. „Das ist kein Zufall, sondern politisches Kalkül der Bundesregierung“, glaubt Lemke.
Denn eigentlich sollte das Bundesamt für Naturschutz (BfN) für die Pflege der Meeresschutzgebiete 18 Planstellen erhalten. Zwei dieser Planstellen wurden bereits für das Jahr 2018 bewilligt, die Besetzungsverfahren seien ein Jahr später, verkündet Schwarzelühr-Sutter nun, „bereits eingeleitet beziehungsweise in Vorbereitung“. Eine weitere Stelle soll im kommenden Jahr hinzukommen, von den übrigen 15 Stellen ist vorerst keine Rede mehr. „Soweit sich das Risiko eines Umsetzungsdefizits konkretisiert“, teilt die Staatssekretärin umständlich mit, könne „sukzessive eine Aufstockung anzustreben sein“ – aber frühestens nach 2020.
Lemke ist konsterniert. Im derzeit debattierten Bundeshaushalt 2019 sind nach ihrer Rechnung 8.750 neue Planstellen vorgesehen, davon „allein 350 neue für die PKW-Maut“. Für die Umsetzung und Überwachung der Meeresschutzgebiete soll es hingegen lediglich eine weitere Stelle geben. „Konkrete Maßnahmen der Naturschutzbehörde zum Schutz von Schweinswalen, Sandbänken und Riffen oder zahlreichen Seevogelarten können daher nicht ergriffen werden“, befürchtet Lemke deshalb.
Zudem drohen sie durch ungehemmte Fischerei auch in Schutzgebieten „konterkariert“ zu werden, fürchtet sie. Denn die Bundesregierung habe auf EU-Ebene in Brüssel Dänemark in Aussicht gestellt, in einem Korridor durch das Naturschutzgebiet Sylter Außenriff weiterhin „mit naturzerstörerischen Schleppnetzen“, sagt Lemke, „verheerende Eingriffe in die empfindlichen Ökosysteme der Nordsee“ fortsetzen zu dürfen: „Das ist ein Einknicken vor der dänischen Fischereiindustrie“, so Lemkes Urteil.
Der Naturschutz fällt regelmäßig unter den Tisch
Ähnlich sieht das auch Thilo Maack, Fischerei-Experte von Greenpeace, einem der acht Umweltverbände, die vor einem Jahr die Meeresschutzgebiete gelobt hatten. „Der Naturschutz fällt regelmäßig unter den Tisch, wenn er mit wirtschaftlichen Interessen kollidiert“, sagt Maack, und die Fischerei sei weiterhin „vollkommen unreguliert“. Mit dem vorgesehenen Personalschlüssel könnten Kontrollen nicht funktionieren, sagt Maack: „Daran kann man erkennen, wie wichtig der Bundesregierung der Meeresschutz ist.“
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