Nato-Gipfel: Obama verschreckt Demonstranten
Nur eine winzige Schar demonstriert in Baden-Baden gegen die Nato. Die Gründe: verschlossene Grenzen und Barack Obama.
Vor dem barocken Bahnhof in Baden-Baden ertönt es aus einem Lautsprecherwagen der Polizei: "Wir sind im moralischen Recht, die Nato bei ihrer Kriegsplanung morgen zu blockieren." Irgendwie ist das witzig, wenn ein solcher Satz aus einem Polizeiwagen heraushallt. Zumindest können sich manche Zuhörer ein Grinsen nicht verkneifen. Der Redner heißt Monty Schädel und ist Anmelder der großen Anti-Nato-Demonstration zum Gipfelauftakt in Baden-Baden. Eigentlich spricht Schädel zu dem Häufchen Demonstranten. Doch der Haufen Journalisten ist mindestens genauso groß, der Haufen Polizisten sicher noch größer.
Den Lautsprecherwagen der Demonstranten ließ die französische Polizei nicht über die Grenze. Also haben die deutschen Polizisten Erbarmen gezeigt und dem Demonstrationsleiter einen Wagen geliehen. Denn längst ist klar, dass die Aktion nichtig ist.
Was gab es nicht für Befürchtungen vor dem Gipfel: 3.000 gewaltbereite Militante fürchtete der Innenminister von Baden-Württemberg, also marschierten 15.000 Polizisten zum Schutz auf. Nun rufen 300 DemonstrantInnen: "60 Jahre ist zu viel, nie wieder Nato ist das Ziel", weit ab von den verbarrikadierten Sicherheitszonen um die Tagungsorte der Innenstadt. Vorn ein schwarzes Blöckchen, vielleicht 20 Männer und Frauen.
Ein Grund, warum nur so wenige gekommen sind, heißt Barack Obama. Niemand hat eine verhunzte US-Fahne mitgebracht, niemand eine Freiheitsstatue mit Strick um den Hals gebastelt, und Bush-Teufelsmasken wurden nicht durch Obama-Masken ersetzt.
"Wenn man so ein Feindbild nicht hat, dann kommen viele nicht", sagt Günter Wimmer, ein 66-jähriger Münchner mit melodischem Akzent, weißem Bart und weißem Haar, der schon 1982 gegen den Nato-Doppelbeschluss demonstriert hat. Er ist in Baden-Baden, weil er die Struktur der Nato für hochgefährlich hält, weil die Nato nie ein Verteidigungsbündnis gewesen sei. Aber Obama, sagt er, wolle wirklich etwas verändern, könne aber nicht, wie er wolle, wegen des Drucks aus Militär und Industrie.
"Peace, yes we can!", hat sich Margherite Brisson auf die Rückseite ihres weißen Gewandes geschrieben, aus ihrem Kopfwickel schauen noch ein paar Gänseblümchen heraus. Obama, sagt sie, schickt nur deshalb mehr Truppen nach Afghanistan, weil er das aufgrund des internationalen Drucks muss, eigentlich wolle er doch anders. Andere sind weniger großzügig mit der Politik des neuen US-Präsidenten. Viele beschweren sich eben über jene Truppenaufstockung am Hindukusch, über US-Gefängnisse im Irak, über einen Obama, der seinen Bonus als charismatischer erster schwarzer Präsident überstrapaziert. Sie beschweren sich, dass sich die Machtstrukturen der Welt nicht ändern, dass Waffenexporte nicht gestoppt werden, dass es Atomwaffen gibt. "Alles ist besser als Bush", sagt ein Schüler. Obama aber ist hier kein Feindbild. Eher ein Freund, der nur den falschen Job hat.
Dass so wenige Kritiker gekommen sind, liegt aber auch an der Polizei. Vom Anti-Nato-Camp aus Straßburg reist fast niemand an. In der Nacht zum Freitag waren in Straßburg 300 Nato-Gegner festgenommen worden, Agenturen berichteten von heftigen Auseinandersetzungen mit der Polizei. "Viele befürchten, nicht mehr über die Grenze nach Frankreich zurückzukommen, wenn sie in Baden-Baden demonstrieren", sagt Monty Schädel.
In der Bevölkerung gibt es kaum spontane Demonstrationsbesucher - nimmermüde predigte die Polizei zuvor, wie schwer die Krawalle werden könnten. Verdatterte Rentner auf geranienbestückten Balkonen blicken auf die kleine, friedliche Schar, die wegen absurder Auflagen der Polizei kaum mehr als Parolen rufen darf: Die Demonstranten durften sich nicht schminken. Das sei Vermummung - vermutlich fürchteten die Beamten die Rebell Clown Army, die gern Polizeimärsche imitiert und Blümchen auf Schutzschilde malt.
Laut Auflagen war zudem alles verboten, was irgendwie zu laut sein könnte, Sambatrommeln etwa. Auch Wasserspitzpistolen waren untersagt sowie das Tragen von Kapuzenpullover. Ein Eilantrag der Veranstalter gegen die Auflagen beim Verwaltungsgericht Karlsruhe scheiterte. Das Gericht teile die Auffassung, "dass ohne die beanstandeten Auflagen Leib und Leben insbesondere der Gipfelteilnehmer sowie die Durchführung des Gipfels unmittelbar gefährdet würden", wie es in der Begründung hieß.
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