Nasa landet auf dem Mars: Auf der Suche nach Leben
Am Donnerstag landet der Nasa-Rover „Perseverance“ auf dem Mars. Bisher ist kein außerirdisches Leben entdeckt worden – doch die Indizien mehren sich.
D ie Wettervorhersage für den Jezero-Krater auf dem Mars? Gewinnt an Bedeutung. Denn da landet am Donnerstag, 18. Februar um 21.50 Uhr deutscher Zeit, die Nasa mit ihrem nächsten großen Ding, dem Rover „Perseverance“.
Nun, das Wetter lässt sich zumindest stichhaltig vermuten: Das nächste Thermometer ist, via Google Mars grob geschätzt, 3.200 Kilometer entfernt, im Bauch der Mars-Veteranin „Curiosity“. Sie rollt seit über 3.000 Sol, also Mars-Tagen von je 24 Stunden und 39 Minuten, im Gale-Krater umher. Dort ist gerade angenehmer Spätsommer mit Temperaturen von nachts bis zu minus 73 Grad.
Curiosity befindet sich leicht südlich des Äquators, Perseverance wird leicht nördlich des Äquators landen. Aber die Temperaturen dürften dort ähnlich sein, gleiche Klimazone, nur recht windig. Und in den Dünen dort liegen vermutlich die Trümmer der 2003 bei der Landung zerschellten britischen Sonde Beagle 2 rum.
Seit 1960 gab es 49 Mars-Missionen, inklusive der gescheiterten und der beiden Sonden der Vereinigten Arabischen Emirate und Chinas, die kürzlich in die Umlaufbahn eingeschwenkt sind. Politisch geht es dabei immer um die Eitelkeiten der Nationen, ihre Ingenieurskunst unter Beweis zu stellen, wissenschaftlich um die ewige Frage: Gibt es außerirdisches Leben?
Nicht die kleinste Mikrobe
Noch ist nichts entdeckt, nicht die kleinste Mikrobe. Aber die Hinweise, dass auf dem Mars was war oder ist, verdichten sich, dank Generationen von Wissenschaftler*innen, deren Job eben diese Suche ist.
Genau vier Missionen haben und hatten die Möglichkeit an Bord, Leben nachzuweisen – oder dessen seit Milliarden Jahren im Boden schlummernde Überreste: Die beiden Viking-Sonden der Nasa in den 1970er Jahren; Curiosity, die seit 2012 kleine Löcher bohrt, Bodenproben nimmt und Daten funkt; und nach Perseverance soll 2023 noch „Rosalind Franklin“ kommen, der Rover der europäischen Raumfahrtagentur ESA und der russischen Roskosmos.
„Rover“ ist bei Perseverance untertrieben, das Ding hat die Maße eines Kleinwagens. Drei Meter lang, eine Tonne schwer, die Wetterstation an Bord ist ausgefeilt. Im Kopf ein Haufen Kameras, die 360-Grad-Fotos machen, 3D und in Farbe, mit Zoom, dazu Mikrofone, um den dumpfen Sound der dünnen Marsatmosphäre aufzuzeichnen. Ein brotkastengroßes Gerät mit Klappkorb-Design namens Moxie soll aus dem CO2 der Marsluft, aus dem sie zu 96 Prozent besteht, Sauerstoff gewinnen. Einfach nur, um zu zeigen, dass es möglich ist.
Bis Ende der 2030er Menschen zum Mars
Schließlich versprach Barack Obama, bis Ende der 2030er Jahre Menschen zum Mars zu senden. Das Landesystem von Perseverance, mit Jetpack und Bodenradar, entscheidet spontan selbstständig, wo es den Rover exakt absetzt. An Bord ist auch Ingenuity, ein Helikopter mit 1,2 Meter Spannweite, der weitestgehend autonom rumfliegen soll. Um zu zeigen, dass das in der dünnen Marsatmosphäre geht.
Der Rover ist vor allem eines: eine Demo-Mission für die neusten Space-Technologien, schreibt auch die Nasa. In Sachen Suche nach Leben könnte ein anderer Teil der Mission der Durchbruch sein: Perseverance soll Bodenproben entnehmen und versiegeln. Die soll dann irgendwann bis 2031 die europäische Raumfahrtagentur ESA mit einem Roboter aufsammeln und zur Erde bringen.
Daniel P. Glavin, Astrobiologe, ist bei der Nasa in dem Team, das die Bodenproben nehmen soll. Er ist Vizedirektor für Forschungsstrategie im Curiosity-Team und hat früher auch schon mal ein paar Wochen in der Antarktis nach Mars-Meteoriten gesucht. Leben auf dem Mars? „Ich bin immer noch optimistisch. Für mich ist die Frage nicht, ob, sondern wo es Leben auf dem Mars gibt“, sagt er der taz. Curiosity habe „signifikante Entdeckungen“ geliefert.
Es sei nun erwiesen: Der Gale-Krater war vor 3,5 Milliarden Jahren ein See. Und zwar einer mit perfekten Bedingungen für Leben. Nicht zu sauer, nicht zu salzig, mit allen wichtigen Elementen, sagt Glavin. Schon vor Curiosity galt es als ziemlich sicher, dass der Mars in seiner Frühphase ein Zwilling der Erde war.
Leben als echte Plage
Caroline Freissinet vom französischen Latmos-Forschungsinstitut ist eine der Wissenschaftler*innen, die sich seit Jahren über die Daten beugt, die Curiosity zur Erde funkt. Ehe sie sich der Astrobiologie zuwendete, forschte sie auch schon an der Mikrobiologie neuseeländischer Schafe. „Wenn auf einem Planeten Leben entstanden ist, dann bekommen Sie das nie wieder los, das ist eine echte Plage“, sagt Freissinet im Videochat.
Heute ist der Mars staubtrocken, wird von ultravioletter Strahlung gegrillt, Wasser auf der Oberfläche ist bisher nur am Nordpol nachgewiesen, gefroren. „Es kann gut sein, dass Leben auf dem Mars entstanden ist und, als sich die Bedingungen verschlechterten, hat es sich in den wärmeren Untergrund zurückgezogen und lebt in kleinen Wassereinschlüssen, wo es seine Energie aus Mineralien gewinnt“, sagt Freissinet.
Und dann gibt es da noch Gilbert Levin, der Freissinet und Glavin – sie sagen das so nicht direkt – wohl ein wenig auf die Nerven geht. Gil, wie sie ihn nennen, debattiert immer wieder mit Glavin und Freissinet. Der Mann ist ein Tausendsassa, der schon einen kalorienarmen Süßstoff und ein Mittel gegen Diabetes Typ 2 und vieles mehr patentiert hat. 1941 hat er angefangen, an der Johns-Hopkins-Universität Ingenieurwissenschaften zu studieren, und er ist immer noch im Space-Business.
Levin behauptet bis heute, gemeinsam mit seiner Kollegin Patricia Ann Straat 1976 Leben auf dem Mars nachgewiesen zu haben. Gemeinsam mit einer Handvoll anderer Wissenschaftler*innen publizierten die beiden immer wieder neue Auswertungen der alten Daten in seriösen Fachzeitschriften wie Astrobiology.
Viking-Sonden auf dem Mars
Damals, 1976, landeten die beiden Nasa-Sonden Viking 1 und 2 auf dem Mars. Levin war der Chefwissenschaftler eines Experiments, das nach Leben suchen sollte: Die Viking-Sonden nahmen Bodenproben, versahen sie mit einer Nährlösung, erwärmten sie behutsam und prüften, ob da etwas im Boden die Lösung konsumiert und Gase ausatmet. Und das passierte, immer wieder. Die restlichen Daten waren aber widersprüchlich. Der Nasa und einem Großteil der Wissenschaftsgemeinde war das viel zu dünn für die große Sensation.
Die taz forderte Levin schon 2017 zu einer investigativen Recherche auf: „Warum hat die Nasa das einfache wissenschaftliche Prinzip ignoriert, das Experiment von damals zu wiederholen, um es zu validieren oder zu verwerfen?“ Kürzlich schrieb er in einer E-Mail an die taz, Curiosity habe Kerogen entdeckt, ein Gemisch organischer Materie, das hätten ihm Freissinet und Glavin erzählt. Das sei nur durch den Zerfall von einstigem Leben zu erklären. Erdöl ist beispielsweise ein Kerogen.
Caroline Freissinet klingt fast schon sauer, wenn man mit ihr über Levins Behauptungen spricht. Offenbar dreht er ihr das Wort im Mund um: Sie erzählte ihm, sie hätten in den Curiosity-Daten den Nachweis sogenannter Alkene im Marsboden gefunden. Die könnten einst Fettsäuren gewesen sein, wie sie in lebenden Zellen zu finden sind. Sie könnten aber auch einfach nur zufällig auf dem Ur-Mars entstanden sein. Levin macht daraus die Behauptung, die Nasa hätte Fettsäuren entdeckt.
Ein „stinkender, modriger Matsch“
In allen Debatten um Leben auf dem Mars ist wichtig zu wissen: „Organische“ Stoffe sind alle Arten von einfachen oder komplexen Molekülen auf Basis von Kohlenstoff. So etwas findet sich überall, auch auf Asteroiden. Gleiches gelte auch für Kerogen, schreibt Glavin. Dessen Existenz sei kein Nachweis von Leben.
Ein „stinkender, modriger Matsch“ könne solche Organik sein, dabei mausetot, sagt Fred Goesmann. Er ist Physiker am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung und Chefwissenschaftler des MOMA, des Instruments im ESA-Rover Rosalind Franklin, das Leben nachweisen könnte. Start ist im September 2022, Landung am 10. Juni 2023. „Der exakte Landetermin ergibt sich irgendwie zwingend aus der Bahndynamik der Planeten, verstanden hab ich es auch nicht“, sagt Goesmann.
Er kennt Levin nicht persönlich, der sei aber sicherlich ein sympathischer Kerl und habe durchaus einen Punkt: Egal, was man auf der Erde an Chemie zusammengeschüttet habe, die Viking-Daten seien bisher nicht hinreichend ohne biologische Vorgänge reproduzierbar – mit allerdings auch nicht.
„Suche nach Leben, das ist eine Puzzlearbeit. Solange uns auf dem Mars kein Hamster vor der Kamera vorbeihoppelt, glaubt das doch sowieso niemand, dass wir was gefunden haben.“ Und lebt der Mars? Es sei ihm schon wichtig, das herauszufinden. „Aber ich komm eher aus der Bastelecke und freue mich, wenn mir jemand sagt: ‚Das schafft ihr auf dem Mars nicht‘, und dann funktioniert es doch“, sagt er.
Spuren von Leben in 2 Metern Tiefe
Goesmann spricht von einem wissenschaftlich spektakulären Vorhaben, das die Indizien über einen einst belebten Mars komplettieren könnte: Der Rover Rosalind Franklin wird den Untergrund des Mars nach Leben absuchen. „Wir werden dort landen, wo es mal lehmiges, toniges Zeug gab“, sagt er.
Das sei seit der Frühphase des Mars ein paar Milliarden Jahre unter Lava geschützt gewesen und für planetare Zeitskalen erst seit Kurzem, vielleicht 30 Millionen Jahren, freigelegt. „Da buddeln wir bis zu zwei Meter rein, da könnten Spuren von Leben konserviert sein“, sagt er. „Das wäre dann etwas anderes als diese wuschige Chemie, die wir bisher gefunden haben.“
Der Massenspektrometer an Bord des Rovers kann die Proben so detailliert untersuchen, dass mögliche Ordnungsstrukturen und Muster in den Molekülen zu sehen sind, wie es nur Leben hinterlässt, egal wie das einst aussah. Auch wenn Curiosity laut Nasa offiziell nicht nach Leben suchen sollte, wohl, um die Erwartungen an die Mission nicht zu hoch zu hängen: So etwas hätte auch die alte Veteranin aufspüren können. Hat sie aber nicht. Kein „rauchender Colt in Sachen Leben“, sagt Glavin.
Perseverance wiederum kann zwar nach chemischen Verbindungen suchen, in dem es den Marsboden röntgt. Aber das zeige nur, „wie das Zeug im Boden leuchtet, wenn man es bestrahlt“, sagt Goesmann. Details, die bei der Suche nach Leben helfen, seien damit kaum zu finden, meint er.
Epochale Suche, entscheidender Fehler
Und wahrscheinlich ist den beiden Raumfahrtagenturen Esa und Nasa beim Design ihrer beiden Rover Rosalind Franklin und Perseverance ein für die epochale Suche entscheidender Fehler unterlaufen: Sollte es noch mikrobiologisches Leben geben, dann am ehesten im geschützten Untergrund, da wo Goesmann hinein bohrt. Ein Traum wäre, würden diese tiefen Bodenproben auch zur genauen Analyse zur Erde geschickt, sagt Freissinet.
Aber das geschieht nicht, Rosalind Franklin ist zu klein, um neben einem Bohrer auch noch die Vorrichtung zum Verpacken von Bodenproben mit zu nehmen: Sie wird, ganz ökologisch, auch nur mit Solarzellen angetrieben. Auf Perseverance, ausgestattet mit einer mächtigen Plutonium-238-Batterie, war bei all der Demo-Technologie wiederum kein Platz für einen Bohrer. Also verpackt die Nasa nur Proben von der Oberfläche. Die Europäer sollen die dann mit einem noch zu konstruierenden, ganz neuen Roboter einsammeln. Und so kommt es, dass die Wissenschaft 10 Jahre, bis 2031, warten wird, bis Bodenproben vom Mars auf die Erde kommen – und die könnten wenig aussagen, weil sie von der mit UV-Strahlen gegrillten Oberfläche stammen.
Gilbert Levin engagiert sich unterdessen im „Internationalen Komitee gegen Marsproben auf der Erde“, weil er fürchtet, extraterrestrische Mikroben könnten die Erde verseuchen. Glavin sorgt sich eher, dass die Proben nicht heil ankommen. Goesmann sieht die Sache so: Die Nasa kündige seit 50 Jahren an, in 10 Jahren Marsproben auf die Erde zu schaffen. Mal sehen. Vielleicht erledigt auch Elon Musk das. Kürzlich versprach er, im Jahr 2024 Menschen auf den Mars zu schicken.
Für Goesmann ist das keine gute Vorstellung: „Sobald Menschen auf dem Mars rumhirschen, ist der unwiderruflich mit irdischen Mikroben verseucht“, sagt er. Und dann ließe sich das Rätsel, ob auf dem Mars unabhängig von der Erde Leben entstand, womöglich nie lösen. Doch wenn das so wäre, dann lebt es wohl auch überall sonst im All, wo die Bedingungen stimmen: Es soll allein in unserer Galaxie, der Milchstraße, bis zu 300 Millionen erdähnliche Planeten geben.
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