„Narziss und Goldmund“ als Kinofilm: Wo Beten alle Muskeln stärkt

Hermann Hesse mochte keine Literaturverfilmungen. Stefan Ruzowitzky hat „Narziss und Goldmund“ trotzdem für die Leinwand adaptiert.

Zwei Männer im Mittelalter

Der Tunichtgut Goldmund (Jannis Niewöhner) und Klosterstreber Narziss (Sabin Tambrea) Foto: Sony

Ora et labora. Viel mehr ist im Kloster bekanntlich nicht los – die einen brauen Bier und bestellen den Kräutergarten, die anderen beten. Oder geißeln sich, weil sie dem hübschen Novizen zu lange auf die Tonsur geschaut haben.

In Stefan Ruzowitzkys filmischer Adaption von Hermann Hesses Klassikererzählung „Narziss und Goldmund“ ist das nicht anders: Dem Klosterstreber Narziss (Sabin Tam­brea) wird der vom lieblosen Vater verstoßene Tunichtgut Goldmund (Jannis Niewöhner) unter die Fittiche gelegt. Man freundet sich an, vielleicht ist da auf Seiten Narziss’ auch mehr, aber in Goldmunds (vom Beten?!) erstaunlich muskulös gewachsener Brust rufen Wander- und Wollust um die Wette.

„Goldmündchen“ (O-Ton Hesse) macht sich darum alsbald von dannen und zieht – offiziell auf der Suche nach der Mutter – durch Gegend und Betten, Narziss geißelt sich ob der unkeuschen Gedanken. Bis nach Jahren das Wiedersehen Freude macht und es sich herausstellt, dass Goldmund neben den vielen Frauen auch noch das Holzschnitzen studiert hat. Er soll nun, gegen den Willen von Narziss’ schlecht gelauntem Betkumpel Lothar (André Hennicke), dem Kloster Mariabronn einen neuen Altar bescheren …

Hesse selbst fand Literaturverfilmungen schrecklich. Und was soll man sagen: Er hat in diesem Fall recht. Während man sogar im piefigen Berliner „Museumsdorf Düppel“ noch eine Ahnung davon erhaschen würde, welche innerlichen und äußerlichen Probleme zwei junge Männer im Mittelalter umtreiben könnten, hat der Film ein anderes Ziel.

„Narziss und Goldmund“. Regie: Stefan Ruzowitzky. Mit Jannis Niewöhner, Sabin Tambrea u. a. Deutschland 2020, 110 Min.

Regisseur Stefan Ruzowitzky und sein Co-Autor Robert Gold versuchen, aus dem spröden, philosophisch-pietistischen Stoff über die Suche nach der Vollkommenheit, die Gegensätzlichkeit und die damit verbundene Verzweiflung zweier Freunde eine geile Teenagersause zu machen, die der gymnasiale Deutsch-LK (wie immer überwiegend Mädchen) mit Hingabe schaut – weil Jannis ja so süß ist!!!!

Ein Mittelalter-Puppenhaus

Ist er auch, keine Frage. Beide Hauptdarsteller sind sensible und hingebungsvolle Schauspieler, das Drehbuch schafft es zuweilen, den immanenten Konflikt zumindest anzudeuten. Doch die Inszenierung dieses Konflikts steht der Idee im Wege: Immer wieder wird man aus dem Kontext gerissen, weil die Figuren aussehen wie Kasperpuppen und das Bühnenbild wie ein Mittelalter-Puppenhaus. Immer wieder treibt die klebrige Musik jedes Vertrauen in die Gestaltung aus.

Und immer wieder sagt Goldmund Dinge wie „Hau ab, Idiot“, Mönch Anselm (Kida Khodr Ramadan) neuköllnert durch Klostermauern, und wenn alle dramaturgischen Stricke reißen, und kurz in Vergessenheit gerät, dass Goldmund eigentlich auf der Suche nach der Mutter ist, muss Niewöhner seinen herbeigebeteten Muskelbody zeigen.

Dazu wirken manche Szenen wie der Versuch, „Der Name der Rose“ zu kopieren – wobei Jean-Jacques Annaud mit seiner Eco-Verfilmung 1986 ein Höchstmaß an schauspielerischer, visueller und inhaltlicher Spannung gelungen war. „Narziss und Goldmund“ dagegen ist so spannend wie 157 Mal das „Gegrüßt seist du Maria“ zu beten. Wenn das Hesse wüsste, das Herz im Leibe tät ihm zerspringen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.