Nahverkehr in Indien: 11.000 neue E-Rikschas pro Monat

Indien ist ohne Rikschas nicht vorstellbar. Das beliebte Fahrzeug rollt auf drei oder fünf Rädern mit Muskelkraft, Diesel, Gas und neuerdings Strom.

Watender Fahrer in einer Rikscha, im Hintergrund Bus mit offener Tür.

In Delhi warten die Fahrer einer E-Rikschas und eines Busses an einer Metro-Station auf Fahrgäste Foto: Saumya Khandelwal/laif

MUMBAI taz | Hupen ist nicht die Ausnahme – sondern die Regel: Indiens Verkehr ist laut und wild. Eine weitere Besonderheit sind Rikschas, die fast überall auf dem Subkontinent herumkurven: mit drei Rädern oder fünf, angetrieben mit Diesel, Gas, elektrisch oder manchmal noch per Muskelkraft.

Einer stolzer Rikschabesitzer ist Doulat Khan aus der westindischen Kleinstadt Kinwat. Seit 25 Jahren fährt er eine Fahrradrikscha. „Ich mache das lieber als andere Jobs“, sagt er, auch wenn er mit umgerechnet 2,30 Euro am Tag nicht viel verdient. Doch so könne er sich seine Zeit besser einteilen und arbeite, wann es ihm passt.

Das Logo zeigt ein Fahrrad

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Heutzutage bietet Khan seine Dienste hauptsächlich zum Warentransport an. Dafür hat er seine Rikscha umgebaut. Das faltbare Dach wurde gegen mehr Ladefläche getauscht. Als Fortbewegungsmittel seien motorisierte Rikschas beliebter, weil sie schneller sind.

Fahrrad­rik­schas sind dennoch nicht aus ländlichen Regionen oder aus Städten wie Delhi im Norden, Nagpur in Zentralindien oder Chennai im Süden verschwunden. Hier lesen sie Einheimische wie Touristen für kurze Strecken auf.

Motorrikschas fahren 50 kmh schnell

Gute 50 Stundenkilometer schnell können dagegen Khans Kol­le­g:in­nen in den mit komprimiertem Erdgas (CNG) betriebenen Autorikschas fahren. Je nach Region haben sie eine andere Farbkombination. In der Metropole Mumbai sind sie wie alle offiziellen Taxi schwarz-gelb lackiert.

Der 41-jährige Francis Fernandes fährt seit einigen Jahren ein „Auto“, wie die Taxirikschas hier genannt werden. Drei Passagiere haben auf der Rückbank Platz.

Doch oft ist es etwas ganz anderes, das damit von einem Ort zum anderen gelangt: Getreidesäcke, Bambusstäbe, Möbel. Über 100.000 dieser Flitzer gibt es in Mumbai – doppelt so viele wie normale Taxis. Aufgrund des starken Verkehrs sind sie allerdings nicht in der Altstadt erlaubt.

Außerhalb Mumbais rollen Siebensitzer und laut tuckernde Dieselrikschas. Sie fahren auf festgelegten Routen und nehmen so viele Passagiere mit, wie jeweils hineinpassen.

Die Fahrpreise werden lokal festgelegt, aber nur in wenigen Städten kontrolliert. „Man kann sich bei jeder Polizeistation in Mumbai melden, wenn einem zu viel Geld abgeknöpft wurde“, sagt Fernandes.

Weiße Kleidung zeigt, dass der Fahrer die Rikscha besitzt

Er fing mit dem Fahrerjob an, nachdem er seine Stelle in einem Callcenter verlor. „Als Rikschafahrer zu arbeiten, bewahrt viele vor der Arbeitslosigkeit“, sagt Fernandes. Er ist in Weiß gekleidet, da ihm das Auto gehört. Wer Kaki trägt – und das sind die meisten – least das Fahrzeug.

Fernandes bleiben jeden Monat nach Abzug der Kosten für Reparaturen und Gas 200 bis 300 Euro übrig. So eine Anschaffung müssen viele mit einem Kredit abstottern.

Für sein Gefährt hat er samt Zubehör 1.700 Euro gezahlt. Nicht jeder schafft es, den Bankkredit ohne Hürden abzuzahlen und verleiht die Rikscha weiter.

Bei den Anschaffungskosten sind E-Rikschas oft preiswerter. Sie machen über 80 Prozent des indischen Marktes für Elektrofahrzeuge aus. Laut dem Umweltmagazin Down to Earth soll es bereits 1,5 Millionen registrierte E-Rikschas in Indien geben. Monatlich kämen 11.000 hinzu.

Für die E-Rikschas gibt es nicht genug Ladestationen

Im Gegensatz zu Delhi scheitert es in Mumbai aber an fehlenden Ladestationen. Rajesh Kushwaha aus dem nordindischen Uttar Pradesh nahm vor zwei Jahren einen Kredit für eine E-Rikscha auf, um sich selbstständig zu machen. Die Gesamtkosten betrugen 2.000 Euro. „Ich habe mich für diese Rikscha entschieden, da sie nicht mit teurem Benzin läuft und besser für die Umwelt ist.“

Doch er muss sie alle 100 Kilometer für sieben bis acht Stunden aufladen. „Ich lebe auf dem Land, da gibt es oft ein Problem mit der Elektrizitätsversorgung“, sagt er. Das sei schwierig für ihn. Auch sei die Zahl der Kunden seit der Pandemie zurückgegangen. Eine Erfahrung, die er mit vielen teilt, auch wenn Rikschas zuletzt sogar als Ersatzkrankenwagen im Einsatz waren.

In der Hauptstadt warten Rikschas an Metrostationen und befördern Passagiere die letzten Kilometer bis zur Arbeit oder Haustür. Manche Modelle haben moderne Lithium-Ionen-Akkus wie E-Autos, die Günstigeren sind aber mit Blei-Säure-Batterien ausgestattet, die alle sechs bis acht Monate gewechselt werden müssen. Allerdings gibt es auch dort nur wenige offizielle Ladestationen.

Die Entsorgung der Batterien ist ein Problem

Die Produktion von Lithium-Ionen-Batterien als auch die der Wasserstoffvariante wird zwar von der Regierung vorangetrieben, doch die Komponenten für E-Rikschas werden in der Regel importiert und in Indien zusammengebaut.

Der weltgrößte indische Rikschahersteller Bajaj hat für 2022 ein E-Modell angekündigt und der indische Reliance Konzern will Wasserstoffbrennstoffzellen für Elektrofahrzeuge herstellen. Noch werden keine Brennstoffzellenfahrzeuge in Indien verkauft.

Eine umweltfreundliche Entsorgung der Batterien ist weiterhin ein Problem. Zwar verpesten E-Rikschas Delhis ohnehin belastete Luft nicht noch zusätzlich, doch letztlich nutzen sie Strom, der größtenteils aus Kohle gewonnen wird.

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