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Nahrungsmittel in DeutschlandEin Drittel landet auf dem Müll

Die Wirtschaft verursacht rund 60 Prozent der Lebensmittelverluste in Deutschland, so der WWF. Ein großer Teil davon ist vermeidbar.

Solch krumme Dinger kommen nicht in den Supermarkt. Foto: dpa

BERLIN taz | In Deutschland gehen einer neuen Studie zufolge mehr Lebensmittel verloren als angenommen. Jährlich 18 Millionen Tonnen – fast ein Drittel des aktuellen Nahrungsmittelverbrauchs – würden produziert, aber nicht gegessen, heißt es in einer am Donnerstag veröffentlichten Untersuchung des Umweltverbands WWF. Die Wirtschaft – von den Produzenten über den Handel bis zu Kantinen und anderen Großverbrauchern – verursacht demnach mehr als 60 Prozent der Verluste.

Studien im Auftrag des Bundeslandwirtschaftsministeriums waren nur von 13 Milllionen Tonnen ausgegangen. Der Anteil der Wirtschaft dürfte demzufolge lediglich 48 Prozent betragen. Die höheren WWF-Zahlen könnten der Realität näher kommen, weil der Verband alle verfügbaren Studien kombiniert und mit Erkenntnissen aus dem Ausland ergänzt hat.

Unvermeidbar sind laut WWF etwa acht Millionen Tonnen: zum Beispiel Verluste durchs Säubern und Schneiden. Aber fast zehn Millionen Tonnen würden unnötigerweise im Müll landen – beispielsweise weil Gemüse nicht „schön“ genug ist für den Handel oder weil Verbraucher zu viel eingekauft haben.

„Angesichts knapper werdender fruchtbarer Ackerflächen und einer prognostizierten Weltbevölkerung von über neun Milliarden Menschen in 2050 können wir uns eine solche Verschwendung nicht leisten“, urteilte WWF-Vorstandsmitglied Christoph Heinrich. Um die zehn Millionen Tonnen unnötig weggeworfener Lebensmittel anzubauen, würden 2,6 Millionen Hektar Felder benötigt: so groß wie Mecklenburg-Vorpommern. Fast 48 Millionen Tonnen Treibhausgase würden umsonst ausgestoßen.

Zu starker Fokus auf Haushalten

EU und Bundesregierung hätten sich zwar das Ziel gesetzt, die Lebensmittelabfälle bis 2020 zu halbieren. Um das zu erreichen, müsse die Regierung aber endlich eine Strategie erarbeiten, so der WWF. Da die bisher vorliegenden Daten ungenau seien, solle mehr geforscht werden. Sonst ließe sich nicht überprüfen, wie erfolgreich Maßnahmen gegen Verschwendung waren.

Der WWF wirft der Regierung auch vor, ihre Kampagne zu stark auf die privaten Haushalte zu fokussieren. Allein bei den Großverbrauchern gingen 3,4 Millionen Tonnen verloren, die zu 70 Prozent vermeidbar wären.

Ein Sprecher des Agrarministeriums sagte der taz: „Wir sind auf allen Ebenen unterwegs.“ So habe die Behörde zum Beispiel mit dem Handel Aktionen für kleinere Verpackungsgrößen veranstaltet.

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25 Kommentare

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  • Traut euch, holt denkram aus'm Müll wieder raus... Seit ich containern gehe (meistens bei EDEKA, weil da die "Containerqualität" mit Abstand am besten ist), habe ich mit meinen noch nicht 30 Jahren angefangen, regelmäßig zu kochen, zu experimentieren und frisch zu verarbeiten. Außerdem hebt das meinen Lebensstandard, da ich mir im Monat auf die Art und Weise Lebensmittel im Wert von locker 300,-€ hole, Geld, das mir andersweitig sehr nützlich ist... Ich hab es aufgegeben auf derartige Misstände zu schimpfen sondern einfach meinen Nutzen draus gezogen...

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Ano Nym:

      Eine kluge Strategie, über die ich nur anerkennend staunen kann. Gerne würde ich mir ein Beispiel daran nehmen. Zu meinem Bedauern stehen dem altersbedingt und gesundheitlich limitierte Möglichkeiten sowie fehlende Supermärkte/ Discounter, die ich fußläufig erreichen könnte, im Weg.

  • Ja haha, weil der Kunde, die Kundin das Produkt nicht möchte, seien 20-40% des Gemüses nicht vermarktbar.

    Das ist aber mindestens das Arbeitsergebnis von 40 Jahren Marketing, Produktdesign und Werbung.

     

    Es ist doch wie mit der Hauptschule.

    Die Eltern und Kinder haben gelernt, dass das Gymnasium die Norm und das Ziel ist.

     

    Ich kaufe jedenfalls sehr gerne die herzförmigen Kartoffeln.

     

    Ein anderer mengenmäßig wichtiger Aspekt ist die Lagerung, Haltbarkeit der Früchte - je länger, je mehr sie "behandelt" wurden?

  • Viele Menschen kennen sich leider in der Tat zu wenig mit Lebensmitteln aus. Deswegen sind die Kampagnen, das Mindeshaltbarkeitsdatum zu ignorieren, hochproblematisch: Wenn man in der Lage ist, zu beurteilen, ob das Nahrungsmittel noch gut ist, dann kann und soll man das Mindesthaltbarkeitsdatum ruhig ignorieren. Aber wer keine Ahnung hat, der sollte lieber einfach alles wegwerfen, was jenseits des Mindeshaltbarkeitsdatum ist, als eine Lebensmittelvergiftung zu riskieren.

    • @yohak yohak:

      Wer davon keine Ahnung hat, sollte am besten gar nicht essen.

    • 6G
      65572 (Profil gelöscht)
      @yohak yohak:

      Die natürliche Auslese muß ja auch eine Chance haben.

  • Wo auch eine dringende Aufklärung nötig ist >> das Mind.Haltb.Datum.

  • Die Vorschriften tun das ihrige dazu. Man DARF schlichtweg vieles von bester Qualität nicht anbieten.

  • Einfach mal selbst Kartoffeln anbauen: Es ist erstaunlich, wie wenig Knollen wirklich vermarktbar wären. Die Rumrechnerei mit den Klimaeffekten etc. macht wenig Sinn: Es müssen ja soundso viel Hektar Kartoffeln angebaut werden, um soundsoviel marktfähige Ware zu erhalten. Der Handel müsste krumme Gurken und verwachsene Knollen in sein Sortiment aufnehmen, damit sich was ändert. Andersherum: Was heißt "weggeworfen"? Nicht marktfähiges Obst und Gemüse landet meines Wissens in Tiermägen oder Biogasanlagen. Das ist doch auch eine legitime Verwertung. Oder man macht Kompost daraus für bio-veganen Landbau. Wie sollen denn sonst diese Felder organisch und ohne Tierexkremente gedüngt werden, wenn nicht mit pflanzlichen Abfällen? Und: Kleinere Verpackungsgrößen heißt wieder mehr Müll. Und noch ein "und": Je größer ein Verarbeitungsbetrieb, desto höher in der Regel die Verwertungsrate. Tönnies zum Beispiel verwertet bis zu 99 Prozent vom Schwein.

  • Ein wichtiges Thema: Da wir in Deutschland in Sachen Lebensmittel im Überfluss leben, wissen so manche von uns gar nicht mehr, wie wertvoll sie sind.

     

    Manche Landwirte können zum Glück Gemüse mit "Macken" (sind ja eigentlich keine, wenn eine Gurke krümmer ist als eine andere) noch an Kantinen verkaufen oder gar selbst verarbeiten. Aus Karotten kann man wunderbar Saft gewinnen, wenn sie sich angeblich nicht zum Einzelverkauf eignen.

     

    Wir können uns aber auch an die eigene Nase fassen: Sobald bei einem Bund Radieschen eine trocken ist, ist der Bund auch mit einem großen Rabatt teilweise nur schwer verkäuflich. Das hat mir mal ein Marktleiter geklagt. Dabei macht der Kunde noch ein gutes Geschäft ...

     

    Ich selber kaufe nur so viel ein, wie ich tatsächlich benötige oder aber, ich teile rechtzeitig, wenn ich doch zu viel habe. Zudem gibt es ja auch gute und leckere Rezepte für die Resteküche: http://www.brehl-backt.de/restlos-gluecklich/

     

    Alles ein Tropfen auf den heißen Stein, werden manche sagen. Ich finde es aber gerade wichtig, vor der eigenen Haustür zu kehren.

  • Guten Tag Herr Maurin,

     

    Zwanzig bis vierzig Prozent der Gemüse- und Obsternte sind in Deutschland nicht vermarktbar. Krumme Gurken, dreibeinige Möhren oder schorfige, fleckige Äpfel - der Verbraucher will sie nicht. EDEKA wollte das ändern und hatte 2013 begonnen, sog. B-Ware in einigen Filialen zum halben Preis abzugeben. Wie die WZ in Düsseldorf im Oktober des vergangenen Jahres informierte, wurde die Initiative eingestellt; das Interesse der Verbraucher war zu gering.

     

    mfg

     

    ms

    • 6G
      65572 (Profil gelöscht)
      @Manfred Stein:

      Vermutlich war die B-Ware bei Edeka noch teurer als die entsprechenden Produkte bei Lidl.

    • @Manfred Stein:

      Dieses Kundenverhalten liegt am Überangebot. Sie verwechseln da Ursache und Wirkung.

      • 6G
        65572 (Profil gelöscht)
        @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

        Ursache und Wirkung... Es gibt ein Überangebot von A-Ware und deshalb kaufen Leute die nicht soviel Geld haben nicht die B-Ware?

    • @Manfred Stein:

      ...sog. B-Ware will keiner? Das ist doch ein Gerücht.

      • @Fotohochladen:

        Guten Tag,

         

        können Sie Supermärkte/Ketten nennen, in denen das funktioniert? Wäre wirklich interessiert. Würde mir das gern ansehen.

      • @Fotohochladen:

        @Manfred Stein

         

        Doch das stimmt. Die vielen Kreditkartenkäufer im MoaCenter in Moabit kaufen lieber teuer und chic, auch mit Bio-und Veggie anspruch aber meiner Meinung nach nur weil dies Trend ist.

        Andererseits leben auch immer noch genügend Niedriglöhner im ehemaligen Arbeiterbezirk und die freuen sich schon über das eine oder andere 50% Schnäppchen.

        Leider hat Edeka gerade die Aufkleber so verkleinert das die MHD-B-Ware schwerer zu finden ist.

        In der letzten Wallraff Reportage wurde gerade berichtet das große Convinience-Verarbeiter MHD-B-Ware in Massen kaufen und auch verarbeiten, vor allem bei Schul-und Seniorenessen. Die Marseille-Kliniken sollen einer der größten Abnehmer für B-Lebensmittel sein.

         

        Ciao

        Der Demokrator

        • @DerDemokrator:

          OK; MHD-B-Ware kennt man aus den Supermärkten. Kaufe ich gelegentlich auch. Hier geht es aber um krumme Gurken, schorfige Äpfel und dreibeinige Möhren.

    • @Manfred Stein:

      Vielleicht vielen durch das B-Waren-Angebot aber auch die Umsätze mit A-Ware geringer aus?! Ferner passt hässliches Gemüse auch wenig in das gehobene Einkaufserlebnis der Supermärkte.

       

      Ob 'ne Gurke nun gerade oder krumm ist, ist mir sowas von egal und vielen anderen (jüngeren) Kunden bestimmt auch ... vor allem wenn sich Geld sparen lässt! ;)

      • @EDL:

        Klasse wenn es Ihnen egal ist, aber die Mehrzahl der Verbraucher eben nicht. Die "Standards" haben sich doch zu dem Entwickelt was der Markt nachfragt, also die große Anzahl der Verbraucher und das möglichst BILLIG. Da passt das Argument "...vor allem wenn sich Geld sparen Lässt!" wie Faust aufs Auge.

        Es gibt bestimmt viele Begrüßens werte Effekte die entstehen wenn weniger weggeschmissen wird, aber auch Folgen die wir/ich nicht unbedingt haben will (auch viele Sozialromantiker nicht).

        Weniger Ausschuss bedeutet mehr vermarkt bare Ware - mehr Ware gleich Preisverfall - Preisverfall bedingt Produktionseinschränkungen = Wenn trieft es in aller Regel?

        Die kleineren Betriebe die den Kostendruck nicht mit Effizienzsteigerung mehr begegnen können und jetzt schon unter der Last des Deutschen und Europäischen Überwachungs- und Aufzeichnungzwangs Ächzen. Ganz zu schweigen von den klein Bauer in dritt Ländern die sich unserer Flut von Billigwahre erwehren müssen.

        • @Jörg 70:

          "Die "Standards" haben sich doch zu dem Entwickelt was der Markt nachfragt, also die große Anzahl der Verbraucher und das möglichst BILLIG."

           

          Nicht nur die Verbraucher. Bei bspw Gurken und Bananen ist die Form entscheidend, da von geraden Früchten mehr in Stiege oder Karton passt; Also einen logist. Hintergrund, was natürlich auch auf Ihr "möglichst billig" hinausläuft, aber eben auch auf den Gewinn.

        • @Jörg 70:

          Könnte es vielleicht einmal nicht um den "Markt" und dessen wohlergehen gehen?

           

          Warum können wir nicht mehr das essen, was auf den Feldern wächst... egal ob es nun irgendwelchen DINs und ENs entspricht?

           

          Ich schließe mich @JensBrehl an.... in der Resteküche kann man mit etwas Phantasie unglaublich leckere Dinge zaubern, einfach aus dem..was aus dem Kühlschrank dringend weg muss. Leicht welker Salat und schrumpelige Radieschen werden wie neu, wenn man sie einfach mal ne halbe Stunde in ner Schüssel mit kaltem wasser liegen lässt.

           

          Eins der Probleme ist glaube ich auch, dass die Menschen inzwischen leider viel zu wenig über den Gebrauch von Lebensmitteln wissen....

          • @Jean Noire:

            "Könnte es vielleicht einmal nicht um den "Markt" und dessen wohlergehen gehen?"

             

            Das ist eine, mit Verlaub, bemerkenswert infantile Frage. Dass Verbraucher - bis auf wenige Ausnahmen - nur 1A-Ware kaufen, wenn sie die Wahl haben, das ist eine Tatsache.

             

            Lebensmittelkonzerne sind keine Volkserziehungsanstalten, sie kümmern sich nicht etwa um das Wohlergehen des Marktes, sondern sie exitieren in ihm, und in dieser Branche wird äußerst kanpp kalkuliert, nach allem, was ich so erfahre.

             

            Es hindert Sie ja niemand, zu essen, "was auf den Feldern wächst". Aber fragen Sie doch mal Mitarbeiter im Einzelhandel, wieviele nicht nur so denken, sondern vor allem so handeln, wie Sie es vorschlagen.

             

            Ihrer letzten Bemerkung allerdings stimme ich ausdrücklich zu: Das Wissen über simpelste Zubereitungstechniken geht offenbar verloren. Falls das irgendwann zur Folge hat, dass in einer arbeitsteiligen Gesellschaft Nahrung überwiegend fremdzubereitet und als Convenienceprodukte verkauft wird, ließe sich der Verschwendung vielleicht über Einflussnahme auf die Produzenten verringern.