Nahostgespräche abgesagt: Schweigen in Jericho
Die Erschießung dreier Palästinenser durch israelische Soldaten empört selbst die Verhandlungswilligen. Die neue Gesprächsrunde steht unter keinem guten Stern.
JERUSALEM taz | Eine für Montag vereinbarte neue Runde der Nahostfriedensgespräche ist wegen der Erschießung dreier Palästinenser durch die israelischen Streitkräfte kurzfristig abgesagt worden. Wie ein Sprecher der Palästinenserführung mitteilte, wurde das für den Nachmittag in Jericho vereinbarte Treffen „aufgrund des israelischen Verbrechens in Kalandia“ annulliert.
Im Flüchtlingslager Kalandia starben drei zwischen 19 und 30 Jahre alte Demonstranten, als Grenzpolizisten das Feuer auf sie eröffneten, 15 weitere Palästinenser wurden zum Teil schwer verletzt. Die größte Organisation der PLO, die Fatah, rief eine dreitägige Trauerzeit aus. Vor fast genau 20 Jahren hatten sich Israel und die PLO im Oslo-Abkommen auf die Zweistaatenlösung geeinigt.
Die von US-Außenminister John Kerry vorangetriebene neue Verhandlungsrunde steht mithin unter keinem guten Stern. Beide Seiten ließen sich nur schwerfällig zu den Gesprächen treiben. Es scheint, als suchten Israelis und Palästinenser nur nach einem Vorwand, dem ungeliebten Partner schleunigst wieder den Rücken zuzukehren.
Internationale Hilfe zur Klärung der Umstände?
Gleich zum Verhandlungsauftakt kam aus Jerusalem die Nachricht vom geplanten Bau Hunderter neuer Wohnungen für Siedler im Westjordanland. PLO-Funktionärin Hannan Aschrawi signalisierte, dass die Palästinenser wieder vor die UN ziehen werden, sollte der Siedlungsbau nicht gestoppt werden.
Auch zur Klärung der Umstände, die am Montag zum Tod der drei Demonstranten führten, will sich die Palästinensische Autonomiebehörde um internationale Hilfe und ein unabhängiges Untersuchungskomitee bemühen, so berichtet die palästinensische Nachrichtenagentur Maan in Bethlehem.
Die Unruhen hatten am frühen Morgen im Flüchtlingslager Kalandia am israelischen Checkpoint nach Jerusalem, unweit von Ramallah, begonnen. Eine israelische Einheit hatte den Auftrag, einen Mann zu verhaften, was mehrere hundert Palästinenser offenbar zu verhindern versuchten. Die Grenzschützer setzten sich nach eigenen Angaben zunächst mit gummiumhüllten Metallgeschossen zur Wehr und später mit scharfer Munition. Alle drei Todesopfer weisen, palästinensischen Informationen zufolge, Schusswunden in Brust und Kopf auf.
Abbas: Über Grenzziehung kann man verhandeln
Wenn große Menschenmengen die Soldaten bedrohten, so kommentierte ein Armeesprecher, „dann besteht keine andere Möglichkeit, als in Selbstverteidigung auf scharfe Munition zurückzugreifen“. Die Demonstranten hätten die Sicherheitskräfte zuvor mit Steinen und Molotowcocktails beworfen. Die PLO verurteilte den Beschuss. Israels Einsatz von „scharfer Munition in eng bevölkerten Wohngegenden stellt eine eklatante Verletzung von internationalem und humanem Recht dar“, kommentierte Hannan Aschrawi.
Obschon die bisherigen drei Gesprächsrunden ohne Fortschritte blieben, zeigte sich der palästinensische Präsident Mahmud Abbas zuversichtlich, dass eine Einigung möglich ist. Bei einem Treffen mit israelischen Oppositionspolitikern der Meretz erklärte Abbas letzte Woche, dass die Palästinenser im Anschluss an einen Vertrag keine weiteren Ansprüche mehr stellen würden. „Die Unterzeichnung eines Abkommens wird das Ende des Konflikts signalisieren.“ Auch die von Israel geforderten demilitarisierten Zonen seien kein Problem.
„Wir brauchen weder Flugzeuge noch Raketen, sondern nur eine starke Polizei.“ Über Veränderungen des Grenzverlaufs könne man ebenso verhandeln wie darüber, dass einige jüdische Siedlungen im Rahmen der Endstatuslösung unter palästinensischer Souveränität bleiben. Aschraf Khatib, ein Sprecher des PLO-Verhandlungskomitees, erklärte, dass noch unklar ist, wann die Gespräche mit den Israelis fortgesetzt werden. Der Termin müsse „in Absprache mit dem Präsidenten“ vereinbart werden.
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