Nahost-Konflikt in Berlin: Skulpturengruppe geschändet
Unbekannte haben das Denkmal „Frauenprotest 1943“ mit antisemitischen Parolen beschmiert. Es erinnert an die größte zivile Protestaktion zur NS-Zeit.

Das Denkmal „Frauenprotest 1943“ erinnert seit 1995 daran, dass hier Ende Februar und Anfang März 1943 Hunderte Frauen über mehrere Tage für die Freilassung ihrer inhaftierten jüdischen Ehemänner protestiert haben. Die Gestapo hatte sie in einer erneuten Deportationswelle verhaftet. Die 2.000 Männer aus sogenannten „Mischehen“ brachte die Gestapo in das Gebäude der ehemaligen Behörde für Wohlfahrtswesen und Jugendfürsorge der Jüdischen Gemeinde in der Rosenstraße.
Die Frauen demonstrierten rund dort eine Woche lang täglich für ihre Freilassung, über die Anzahl der Protestierenden gibt es unterschiedliche Angaben. Das Denkmal von Ingeborg Hunzinger greift diese Szenerie auf und stellt etwa gefangene jüdische Menschen einer Gruppe von Frauen gegenüber. Anfang März 1943 wurden die ersten Gefangenen dort entlassen, nach und nach kamen sie frei, die rund 7.000 Festgenommenen ohne „arische“ Ehepartner*innen wurden nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Der Protest gilt als die größte spontane Protestdemonstration während der Zeit des Nationalsozialismus.
Jüdisches Leben „auf Sand gebaut“
„Antiisraelischer Mob, Islamisten und Nazis aller Couleur vergreifen sich an dem Mahnmal“, schreibt die Israelitische Synagogen-Gemeinde Adass Jisroel in Reaktion auf die Schmierereien. „Auch diese außergewöhnliche Ausnahme, dieser mutige Widerstand in einem Meer von Täter- und Komplizenschaft deutscher Volksgemeinschaft wurde jetzt geschändet.“ Für Juden in Berlin scheine es „heute keine Ruhe, keine Sympathie, keine Sicherheit mehr“ zu geben.
Nicht zufällig habe Deutschland nach 1945 die überlebenden Juden niemals darum gebeten zurückzukehren, schreiben sie weiter. Weder Staat noch Gesellschaft seien wirklich an einer Umkehr interessiert gewesen. Das „viel besungene ‚aufblühende jüdische Leben in Berlin‘“ sei auf Sand gebaut. „Das überlieferte antijüdische Ressentiment schimmert als stabiles, gesamtgesellschaftliches, überparteiliches Kit durch“, heißt es von Adass Jisroel. Es sei nicht vorbei, und der Aufstand der Anständigen bleibe aus.
Das Haus der Wannsee-Konferenz schrieb auf der Plattform X: „Die antisemitischen Schmierereien in der #Rosenstraße sind widerlich. Unsere Solidarität gilt allen, deren Familiengeschichten mit der Rosenstraße verbunden sind, in Berlin, in Israel, in aller Welt.“
Die Rosenstraße ist eine der ältesten Straßen Berlins und eng mit dessen jüdischer Geschichte verbunden. An der Rosenstraße Ecke Heidereutergasse stand ab 1714 die älteste Synagoge Berlins. Im zweiten Weltkrieg wurde sie zerstört – nachdem sie in der Progromnacht 1938 noch verschont geblieben war (vermutlich wegen ihrer geschützten Lage im Innenhof zwischen mehreren Häusern). Neben der Synagoge hatte die jüdische Gemeinde 1905 ein Verwaltungszentrum eingerichtet.
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