Nahost-Experte zu Gesprächen mit Assad: „Die Türkei muss einlenken“
Außenminister Steinmeier und Kanzlerin Merkel fordern Gespräche mit Präsident Assad. Das kann nur der erste Schritt sein, sagt Guido Steinberg.
taz: Herr Steinberg, in der Bundesregierung hat sich der Konsens durchgesetzt, dass es ohne Gespräche mit dem Assad-Regime keinen Frieden geben wird. Warum?
Guido Steinberg: Die Regierung bestätigt damit nur die Realität. Schon 2011 war Syrien-Experten klar, dass dieses Regime nicht so schnell abtreten wird. Da Assad auch noch fast vorbehaltlos von Russland und dem Iran unterstützt wird, gibt es ohne Gespräche keine Lösung.
Was könnte das Ziel solcher Gespräche sein?
Russland möchte Isis gemeinsam mit uns und Assad bekämpfen. Das geht auf keinen Fall. Damit machen wir uns fast ganz Syrien zum Feind, weil wir alle Verbrechen des Regimes gegen die eigene Bevölkerung ignorieren würden. Wir können aber auch nicht durchsetzen, dass Assad abtritt. Russland hat durch seine militärische Unterstützung klargemacht, dass es am Regime festhält.
Was wäre ein Kompromiss?
Das Regime stellt den Krieg gegen die Bevölkerung ein und zieht sich in die Teile zurück, die es noch kontrolliert und wo seine Unterstützer stark sind. Zumindest dieses Gebiet könnte sich dann etwas stabilisieren. Ich muss aber gestehen, dass ich für diese Verhandlungen wenig Erfolgsaussichten sehe.
Wladimir Putin und Barack Obama wollen sich in der kommenden Woche am Rande der UN-Generaldebatte in New York treffen. Die Unterredung sei für Montag vereinbart worden, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Donnerstag laut russischen Nachrichtenagenturen. Ein US-Regierungsvertreter sagte, Obama habe dem von Putin vorgeschlagenen Treffen zugestimmt. „Es wäre unverantwortlich, nicht zu versuchen, über ein Engagement auf höchster Ebene Fortschritte zu erzielen“, sagte er. Hauptthema dürfte der Konflikt in Syrien sein.
Neben Russland und dem Iran könnte sich auch Saudi-Arabien querstellen: Die Saudis wollen, dass Assad fällt.
Saudi-Arabien wird oft als einer der Hauptakteure in Syrien beschrieben, das sehe ich aber anders. Die Türkei nimmt viel mehr Einfluss auf den Konflikt. Assads Restsyrien kann man vielleicht ohne Ankara stabilisieren, für alle anderen Aspekte ist es aber unabdingbar, dass die Türkei einlenkt.
47, kennt sich in Syrien aus: Er hat in Damaskus studiert. Heute arbeitet er für den Thinktank SWP, der die Bundesregierung in außenpolitischen Fragen berät. Entstehung und Aufstieg des IS erklärt Steinberg in seinem Buch „Kalifat des Schreckens“.
Etwa im Umgang mit den Kurden in Nordsyrien?
Die PYD, die Partei der syrischen Kurden, ist zwar problematisch, weil sie zur PKK gehört. Sie schützt aber zumindest die eigene Bevölkerung. Deshalb sollten wir sie unterstützen. Das geht aber nur, wenn die Türkei es duldet. Und so lange sie im eigenen Land gegen die PKK kämpft, wird das nicht geschehen. Da sehe ich eines der größten Versäumnisse der westlichen Politik der letzten Jahre: Hätten wir unser Interesse an einer Lösung des Kurdenproblems in der Türkei deutlicher artikuliert, könnten wir die Kurdengebiete in Syrien jetzt einfacher stabilisieren.
Falls Assad die Waffen fallen lässt und sich die Türkei mit den Kurden einigt, steht im Osten des Landes immer noch Isis. Wie wollen Sie das Kalifat bekämpfen?
Luftangriffe halte ich für richtig, daran sollte sich auch Deutschland beteiligen, aber sie reichen nicht aus. Um den Islamischen Staat zu vernichten, sind Bodentruppen nötig, die von der Bevölkerung nicht als Besatzer angesehen werden – also am besten syrische arabische Sunniten.
Viele von denen kämpfen mittlerweile aber selbst für Isis oder andere Islamisten.
Das ist richtig. Es gibt zwar noch einige Gruppierungen im Norden, beispielsweise die, die gemeinsam mit den Kurden Kobani befreit haben. Es führt aber kein Weg daran vorbei, neue Verbündete zu rekrutieren.
Bleiben noch syrische Gebiete, die derzeit zwar nicht von Isis kontrolliert werden, dafür von anderen islamistischen Gruppen. Was kann dort geschehen?
Das ist im Moment nicht die dringendste Frage. Wichtig wäre es aber, dass die Türkei aufhört, diese Gruppen zu unterstützen.
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