Nahender Wahlkampf in Brasilien: Bolsonaro spielt mit der Gewalt
Nach einer tödlichen Schießerei zwischen zwei Männern diskutiert Brasilien über politische Gewalt. Bolsonaro wird Hetze vorgeworfen.
Der Mann zog nach einem Wortwechsel ab, drohte jedoch wiederzukommen und alle umzubringen. Das geht aus Zeugenaussagen, Polizeiberichten und Überwachungskameras hervor.
Arruda, der als Sicherheitsbeamter arbeitete, holte daraufhin seine Waffe aus dem Wagen, um sich bei einer Rückkehr des Mannes schützen zu können. Nach 20 Minuten kehrte der Mann, der inzwischen als der Gefängnismitarbeiter Jorge da Rocha Guaranho identifiziert wurde, tatsächlich zurück und öffnete das Feuer auf Arruda. Der vierfache Vater erwiderte die Schüsse. Beide Männer starben.
Ex-Präsident Lula sprach sein Mitgefühl für die Familie des Opfers aus und betonte, sein Parteikollege habe eine „größere Tragödie“ verhindert.
Schon 2018 drohte Bolsonaro mit Gewalt gegen die PT
Präsident Bolsonaro äußerte sich nicht direkt, schrieb aber bei Twitter, dass es keine Hilfe für diejenigen geben werde, „die Gewalt gegen Oppositionelle ausüben“.
Doch viele machen den ultrarechten Präsidenten für den Angriff mitverantwortlich. So auch der Polizist und PT-Politiker Leonel Radde. „Bolsonaro hetzt und fordert seine Anhänger ständig dazu auf, Gewalt auszuüben“, sagte er taz.
Schon bei einer Wahlkampfveranstaltung 2018 schnappte sich Bolsonaro einen Mikrofonständer, imitierte damit ein Gewehr und brüllte in das Mikrofon „Wir werden die petralhada (abwertende Bezeichnung für Anhänger*innen der PT, die Red.) erschießen.“ Auch durch seinen Kampf für lockere Waffengesetze ermögliche Bolsonaro solche Taten, sagen Expert*innen.
Erst letzte Woche versammelten sich Waffenfans in der Hauptstadt Brasília. Angeführt wurde der Protest vom Präsidentensohn Eduardo Bolsonaro. Guaranho, der Mörder des linken Lokalpolitikers, hatte im Juni 2021 ein Foto mit ihm bei Twitter gepostet.
Das Vertrauen in die Polizei ist gering
Viele rechnen mit Gewalt rund um die für Oktober angesetzte Wahl. Nicht erst seit dem jüngsten Mord wird deshalb diskutiert, wie man Lula schützen kann. Bei einem öffentlichen Auftritt in Rio de Janeiro trug der Ex-Gewerkschafter zuletzt eine kugelsichere Weste, aus Sicherheitsgründen soll er umgezogen sein.
Trotz aller Vorsicht kam es zu mehreren Zwischenfällen bei Veranstaltungen. Viele Linke wollen sich bei dem Schutz ihres Kandidaten nicht allein auf die Polizei verlassen, und das wohl nicht zu Unrecht. In mehreren Städten sollen Polizist*innen vertrauliche Informationen über Lulas Auftritte durchgestochen haben. Viele Polizist*innen in Brasilien unterstützen Bolsonaro.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Die Wahrheit
Der erste Schnee