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Nachtzug Stuttgart-Wien-BudapestA bisserl K.-u.-k.-Herrlichkeit auf Schienen

Gediegen mit dem ungarischen Nachtzug nach Wien: Es gibt genug Platz für Faltrad und Gepäck – und eine generöse Entschädigung für die Verspätung.

Der Nachtzug nach Budapest am Bahnhof in Stuttgart Foto: Arnulf Hettrich/imago

Budapest taz | Mit Magyar Államvasutak nach Budapest klingt exotisch und weckt Neugier. Die staatliche ungarische Bahngesellschaft Magyar Államvasutak hat jeden Tag einen Nachtzug von Stuttgart über Wien nach Budapest.

Pünktlich um 23 Uhr rollt der Zug im Bahnhof in Augsburg ein. Die Schaffnerin, gekleidet in königlichem Dunkelblau, öffnet eine der beiden Waggontüren zur Ticketkon­trolle. Die Atmosphäre ist ruhig, gedämpft und fast zeremoniell. Unsere Befürchtung, mit unserem Gepäck Schwierigkeiten zu haben, stellt sich als unbegründet heraus. Die beiden zusammengeklappten und in eine Stoffhülle verpackten Falträder, samt Packtaschen und Rucksäcken, werden von der Schaffnerin freundlich akzeptiert und finden problemlos Platz im Zweierabteil.

Die Atmosphäre im Nachtzug erinnert an die Zeit der Österreichisch-Ungarischen Monarchie. Allein schon das höfliche Willkommen der Schaffnerin lässt ein wenig mondänen Charme aufkommen. Der etwas nostalgisch anmutende Zug ist gut beleuchtet und einladend. Die Gänge sind breit und die Toiletten an jedem Wagenende sauber und funktionsfähig. Man fühlt sich sicher.

Im Zweier-Schlafwagenabteil sind die Betten bereits vorbereitet, jedoch noch hochgeklappt. Ein kleines Handtuch und Erfrischungsgetränke liegen bereit. Die Betten sind mit kuscheligen Wolldecken bedeckt. WLAN ist nicht verfügbar, aber Stromanschlüsse gibt es, genug für Laptops, Ladegeräte und Rasierer – mit der Einschränkung, dass 100 Watt eben nicht für einen Wasserkocher ausreichen. Es empfiehlt sich, eine Thermosflasche mit heißem Wasser dabei zu haben, die auf Wunsch in der Bordgastronomie nachgefüllt wird.

taz-Serie Nachtzugkritik

Nachtzüge sind eine umweltfreundliche Alternative zu vielen Flügen. Die taz stellt deshalb in loser Folge Verbindungen mit Schlaf- oder Liegewagen vor. Wir schreiben aber auch, was besser werden muss, damit sie für mehr Menschen attraktiver werden.  Alle Folgen gibt es auf www.taz.de/nachtzugkritik.

74 Euro für die Liege

Wer früh bucht, zahlt für eine Fahrt im Sechser-Liegewagen rund 74 Euro (ohne BahnCard-Ermäßigung). Ein Bett im Schlafwagen ist natürlich etwas teurer. Kinder bis fünf Jahre reisen kostenlos, wenn sie den Platz mit einem Erwachsenen teilen. Der Zug spart uns die Übernachtung im Hotel.

Um 23.02 Uhr startet die Fahrt in Augsburg. Wir haben gut acht Stunden vor uns, um zu schlafen. Um kurz nach Mitternacht kommt aber noch einmal die Grenzpolizei zur Passkontrolle. Ja, das gibt es wieder zwischen Deutschland und Österreich. Um 8.30 Uhr sollen wir in Wien sein, um 10.19 Uhr in Budapest.

Doch es kommt anders: Der Zug fährt langsamer und langsamer. Die Fahrt verzögert sich immer weiter, und als wir in Wien ankommen, ist es bereits eine Stunde später als im Fahrplan. Technischer Defekt. Die nun gestresste Zugbegleiterin informiert uns, dass der Zug in Wien stehenbleibt und es keine Zeit mehr für das geplante Frühstück gibt. Wir sollen aussteigen und mit einem Schnellzug weiterfahren. Schließlich erreichen wir Budapest zwei Stunden verspätet und unser Anschlusszug ist weg. Die ungarische Bahn entschädigt uns später großzügig und überweist uns die Hälfte der Reisekosten zurück. Und beim nächsten Mal gibt es bestimmt eine entspannendere Ankunft in Budapest.

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9 Kommentare

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  • Da Fliegen ökologisch ausscheidet, ist die Information für neugierige Europareisende wertvoll, wenn sie für solche Entfernungen nicht so recht Bus, Daumen oder Rad nehmen wollen.

  • Jaja, der Nachtzug. Wenn man wie der Kaiser im Schlafabteil reist, der findet es natürlich romantisch. Die Arbeiter die sich das nicht leisten können buchen lieber einen Flug statt sich 10 Stunden im Sitzwagen zu quälen. Ich finde es gut das zB die Schweiz Subventionen gestrichen hat, weil es ist nur ein Spielzeug reicher Ökos! Steuergelder besser für S-Bahn!

  • Das Argument mit "spart eine Nacht im Hotel" halte ich für irreführend. Wenn ich bspw. fliegen würde, würde ich einfach einen Tag später die Reise beginnen und einen Tag früher beenden, muss also weniger Urlaubstage nehmen und kann gemütlich zuhause schlafen. Ach ja, und günstiger ist Fliegen leider auch.

    Das soll hier kein Plädoyer für das Fliegen oder gegen Zugfahren sein. Ich möchte nur eben aufzeigen, dass dieses Reisen per Nachtzug finanzielle und zeitliche Aufwände hat. Somit bleibt dieses Reisen eher etwa für Leute mit genug Zeit, Geld und/oder Leidensfähigkeit.

    Ich bin selber vorletztes Jahr mit dem Nachtzug von Berlin nach Stockholm gefahren, hat mir gereicht. Vielleicht denkbar, wenn es so mondän wie in diesem Artikel sich fährt.

    • @vøid:

      Äpfel sind Äpfel und Birnen sind Birnen.



      Die Pünktlichkeitsbilanz der Airlines ist nicht gerade vom Feinsten, mit der Technik gibt es auch dort Probleme, und das Gepäck steht am Ende irgendwo. Wenn ich im Flugzeug annähernd liegend schlafen will, dann kostet es deutlich mehr als das Low-Cost-Billigticket.

  • Fahre diesen Zug auch hin und wieder und kenne natürlich das Verspätungsproblem. Dann bleibt nur ein Triebwagen aus den Siebzigern übrig, um etwa nach Szeged zu kommen oder nach Serbien. Atmosphäre hat das schon, wenn Schaffner und Passagiere zwischen den stehen und rauchen und unter einem das Gleisbett blitzt.

  • Fast neuneinhalb Stunden für die Strecke von Augsburg nach Wien?!



    Sorry, aber das ist einfach nur lächerlich…klar, ein Nachtzug ist kein ICE, aber so wird das auf längeren Strecken nichts als Flugzeugalternative.

    • @Saile:

      Nachtzüge werden überall so geplant, dass sie morgens am Ziel sind. Nachts um 1 irgendwo einzusteigen ist nicht witzig. Teilweise gibt es längere Stopps und dies zu erreichen. Wer allerdings nachts um 3 in Wien sein will, dem ist dann nicht zu helfen. Klar, wer den Flugverkehr schön reden will, findet immer etwas.

    • @Saile:

      Das ist kein Bug, sondern ein Feature. Fahrzeiten von Nachtzügen sind so ausgelegt, dass man in den Schlaf- und Liegewagen einen vernünftigen Schlaf bekommt. Niemand will nur vier Stunden pennen...

      Über Nacht verkehrende ICE gibt es übrigens auch, aber das ist ein anderes Thema.

  • ich weiß ja nicht, was so großzügig an der gesetzlich erzwungenen Erstattung von 50% des Fahrpreises großzügig sein soll, aber heh.



    Hört sich für mich eher nach erzwungenen Standards an.