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Nachtflugverbot BERPlatzeck will jetzt auch mehr Ruhe

Überraschung! Brandenburgs Ministerpräsident hat sich hinter das erfolgreiche Volksbegehren zum Nachtflugverbot für den Berliner Großflughafen gestellt.

Flieger überm Preußenland sind nicht gern gesehen bzw. gehört. Bild: dpa

BERLIN taz | Das brandenburgische Volksbegehren zu einem Nachtflugverbot am geplanten Großflughafen Schönefeld ist erfolgreich: „Ja, wir nehmen das Volksbegehren an“, sagte Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) am Dienstagvormittag in einer eilends einberufenen Pressekonferenz im Potsdamer Landtag. Tags zuvor hatte sich der Koalitionsausschuss des rot-rot Regierungsbündnisses darauf geeinigt.

Demnach soll der Landtag die Forderungen des Begehrens in seiner Plenarsitzung in der kommenden Woche übernehmen. Ohne diesen Schritt wäre es, voraussichtlich am 16. Juni, zu einem Volksentscheid gekommen. Durch Platzecks Zugeständnis ist die angestrebte Ruhezeit von 22 bis 6 Uhr aber noch längst nicht beschlossene Sache. Sie hängt nun von der Haltung der beiden anderen Flughafeneigner ab, dem Land Berlin und dem Bund. Mit denen sei nun zu reden. „Ich werde mich bemühen, dass am Ende der Verhandlungen mehr Nachtruhe steht“, so Platzeck.

In Brandenburg hatte zuletzt nur noch die SPD ein ausgeweitetes Nachtflugverbot abgelehnt. Selbst die CDU, im Landtag in der Opposition, sprach sich für eine Ruhephase von 23 bis 6 Uhr als Kompromisslösung aus. SPD-Koalitionspartner Linkspartei hatte immer deutlicher Sympathien für das Volksbegehren erkennen lassen. Vor kurzem hatte sich die parlamentarische Geschäftsführerin der Linken-Bundestagsfraktion und langjährige Brandenburger Landtagsabgeordnete Dagmar Enkelmann per Presserklärung öffentlich hinter die Initiative gestellt.

Es ist das erste Mal, dass ein Volksbegehren in Brandenburg erfolgreich ist. Bis Dezember waren in der zweiten Stufe des Volksgesetzgebungsverfahrens 106.000 gültige Unterschriften zusammen gekommen – nötig waren nur 80.000. In Berlin hingegen war ein Volksbegehren zum Nachtflugverbot im Herbst gescheitert: 170.000 Unterschriften waren nötig, zusammen kamen nur 139.000.

Dabei ist in Berlin die geforderte Zahl der Unterschriften zwar höher, das Sammeln aber wesentlich leichter ist als in Brandenburg. In der Bundeshauptstadt reicht eine Unterschrift auf einer Sammelliste, die am Kneipentisch, im S-Bahn-Wagen oder in der Kantine herumgehen kann. Im Nachbarland hingegen müssen Unterstützer eines Begehrens entweder persönlich aufs Rathaus oder einen „Antrag auf Erteilung eines Eintragungsscheins“ ausfüllen, der sie zur Briefwahl berechtigt.

Gerade wegen des in Berlin gescheiterten Volksbegehrens ist es jedoch fraglich, was den rot-schwarzen Senat unter Führung des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) dazu bringen sollte, sich auf längere Ruhezeiten einzulassen. Wowereit hatte sich in der Vergangenheit klar gegen das geforderte Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr gewandt und darin eine Bedrohung für die Konkurrenzfähigkeit des Flughafens und seine Entwicklung zu einem internationalen Drehkreuz gesehen.

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5 Kommentare

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  • VR
    Volker Rockel

    Unabhängig von der Hauptstadtlage ist eines der wichtigsten Argumente des zukünftigen Flughafens BER gewesen, dass sich durch dessen geographische Lage Flugzeiten nach Osteuropa respektive in den asiatischen Raum um rund eine Stunde verkürzen lassen.

     

    Zieht man zu einer Bewertung dieses Vorteils die Zeitverschiebung heran - mithin die Ankunfts- und Anflugzeiten - hätte selbstverständlich das Nachtflugverbot auch eine Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit des zukünftigen Flughafens BER im Zusammenhang mit dessen Konkurrenten in Westeuropa!

     

     

    Ohne Frage hat natürlich das Flughafenumfeld einen Anspruch auf Nachtruhe!- Nur diesen Anspruch hätte man bereits in 1996 mit dem Konsensbeschluss seitens der Politik erkennen können; und erst recht bei der Entscheidung für den Ausbau Schönefeld (und gegen einen Ausbau des Standortes Sperenberg!)!

     

    Und zweifelsohne wäre auch im Planfeststellungsverfahren noch genügend Raum gewesen seitens der Politik das Thema „Ausbau Schönefeld“, vor dem Hintergrund der großen Betroffenheit im Umfeld des Standortes Schönefeld, nochmals auf „hold zu setzen“ und die Standortfrage grundsätzlich zu überdenken.

     

    Zumindest spätestens als klar war, wie die Abflugrouten aussehen werden!- Aber nein, man hat seitens der Politik einfach weitergemacht!

     

     

    Offensichtlich neigt die Politik dazu „Murks“ mit „Murks“ zu verdecken.- Zuerst erwirbt man für über 500 Millionen DM kreditfinanziert in 1991/92 das „Baufeld Ost“ um Schönefeld zu erweitern.- Dann stellt man fest, dass Schönefeld für einen ausgebauten Flughafen Standort eigentlich gar nicht in Frage kommt,- weil Sperenberg die besser Alternative wäre.

     

    Dann entscheidet man sich „politisch“ für die schlechtere Alternative,- den Ausbau Schönefeld (hatte vermutlich mit dem Erwerb des „Baufeldes Ost“ überhaupt nichts zu tun...). Und dann reiht sich politischer „Murks“ an „Murks“.

     

     

    Und mit Sicherheit wird diese Positionierung der brandenburgischen Landesregierung zum Nachtflugverbot nicht das letzte Kapitel sein, was zum Thema BER neu aufgeschlagen wird.- Wie sagte Platzeck „Menschen und Regierungen seien „immer auch lernende Systeme““.- Offensichtlich scheinen sich bei Politikern, im Zusammenhang mit dem Flughafen BER, relevante „Lernschwächen“ aufzuzeigen...

  • F
    Flugangst

    Mir scheint, als ob sich herr Platzek jetzt schon auf die Zeit nach BER vorbereitet. Ein bisschen Kritik üben und später kann er sagen:"Das war schon immer meine Meinung" oder "so war das nicht gewollt"! Leider ist er auch ein Beispiel dafür, dass man ohne Rückgrat länger im Apparat verbleiben kann und seine Pfründe sichert. Er ist ja auch nicht mehr der Jüngste.

  • M
    menschenfreund

    Es will mir scheinen, daß Politiker/innen, so sie denn "erfolgreich" sein wollen, teflonbeschichtet mit Wirbelsäule, nicht jedoch mit Rückgrat ausgezeichnet sind. Da macht Herr Platzeck offensichtlich keine Ausnahme, ebenso wie der charmante, eloquente Herr Wowereit.

    Es wird ein Flughafen gebaut. Eigens dafür, daß dort Flugzeuge starten und Landen- und auch geparkt/gewartet werden können. Sie sollen dort beladen werden und sogar Passagiere sollen dort ein- und aussteigen. Ach Gottchen, wer hätte das gedacht!

    Hätte man das vorher gewußt, wäre das Vorhaben sicherlich erst gar nicht zu Ende geplant worden.

    Nun hat man das Problem, daß ein 3/8-fertiger Flughafen da steht, der einen bunten Strauß voll baulicher und anderer Skandale und Skandälchen präsentiert.

    Daß besonders auch noch Anflug- und Abflugrouten notwendig sind, die ganz erheblich stören - so sie benutzt werden - ist pure Hinterlist der Planer.

    Für den vagen Fall, daß all diese Aufgaben wider Erwarten eines Tages noch ebenso geniale wie boswillige Vollstrecker gefunden werden sollten, muß man natürlich vorbauen. Denn es muß mit allen Mitteln verhindert werden, daß er aus Lärmschutz-, Naturschutz- und Kostengründen je in Betrieb genommen wird!

    Da kommt mir blitzartig eine großartige Idee: Vielleicht widmet man das Anwesen um, umd macht eine schöne grüne Wiese daraus. Achtung: Aber nicht zum Sonnen mißbrauchen, das gibt Hautkrebs.

    Ich hoffe sehr, daß ich somit alles verstanden habe. Wenn nicht, bitte ich um freundliche Unterstützung.

  • M
    Mike

    Jetzt dann 16 Stunden am Tag minütlich Lärm zu ertragen ist ja auch nicht wenig.

  • T
    tca

    Da kann Herr Platzeck als Aufsichtsratschef ja gleich mal ernst machen und sich zunächst mal darum kümmern, daß in Tegel das schon geltende Nachtflugverbot von 23-6 Uhr auch mal eingehalten wird.

    Das wär was konkretes.

    Anwohner in Brandenburg vor Lärm schützen zu wollen, der bis auf Weiteres noch nicht mal existiert, klingt doch eher nach Parteitaktik.