piwik no script img

Nachruf für Roger CormanDer Ermöglicher von New Hollywood

Er entdeckte das B-Movie als ästhetischen Freiraum: Roger Corman. Bei vielen Hollywood-Größen hatte er seine Finger im Spiel. Er wurde 98 Jahre alt.

Roger Corman 2019 in Los Angeles Foto: Richard Shotwell/Invision/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Der erste Credit, den der große Francis Ford Coppola im Filmbusiness hatte, ist ein mehr als obskures Machwerk: ein billiger Science-­Fiction-Film aus dem Jahr 1960 mit dem englischen Titel „Battle Beyond the Sun“. Er figuriert dabei als „Associate Producer“ und unter dem Pseudonym Thomas Colchart als Regisseur, in Wahrheit hatte er aber nur ein paar neue Szenen für die umgeschnittene Fassung eines billigen Sowjetfilms namens „Nebo ­Zovyot“ gedreht. Den hatte der findige Produzent Roger Corman für seinen Verleih Filmgroup günstig erworben und dem damals noch unerfahrenen Coppola für seine erste Fingerübung übergeben.

In dieser Anekdote steckt die Essenz Roger Cormans, der nun in Santa Monica gestorben ist, im stolzen Alter von 98 Jahren, dabei als lebende Legende wach und aktiv bis zuletzt. Corman war in seinem Leben vieles, wenn auch nur vier Tage lang das, was er studiert hatte, nämlich Ingenieur („ein schrecklicher Fehler“). In Wahrheit wollte er dahin, wo sein Bruder Gene schon als Agent tätig war: nach Hollywood. Da kam er, nach einem kurzen Ausflug nach Oxford und Paris, 1950 auch hin.

Die Anfänge waren bescheiden, in der Postabteilung von 20th Century Fox (Post wie Briefe, nicht wie Postproduktion). Er erwies sich als brauchbar, vom Postraum ging es nach oben, wenn auch zunächst nur in den Untergeschossen der Kultur- und Filmindustrie.

Billige Genreware, schnell gemacht

Er drehte oder produzierte schnell runtergekurbelte billige Genreware wie „Teenage Doll“ oder „The Saga of the Viking Women and Their ­Voyage to the Waters of the Great Sea ­Derpent“ oder „The Cry Baby Killer“.

In Letzterem spielte 1958 ein völlig unbekannter Darsteller seine erste Rolle: Jack ­Nicholson. Der hat dann, von Corman produziert, selber erste Filme gedreht und wurde im New Hollywood der siebziger Jahre zum riesigen Star – in einem Video, das man auf Youtube sehen kann, bricht er in Tränen aus, als er erklärt, wie viel er Corman verdankt.

Zur Legende machte Corman, dass Coppola und Nicholson nicht die Einzigen waren. Die ersten Filme von Jonathan Demme, von Peter Bogdanovich, von Monte Hellman, von James Cameron, von Martin Scorsese: Bei allen hatte Corman als Ermöglicher, Mentor, Förderer, Produzent seine Finger im Spiel. Sie alle sind bei ihm in die Schule gegangen und haben sein Ethos zu ihrem gemacht. (Alles Männer, ja – aber Corman hat auch die tolle, feministische Stephanie Rothman gefördert, der dann keine solche Karriere gelang.)

New Hollywood ohne Corman: kaum vorstellbar. Nicht primär wegen seiner eigenen Filme, von denen vor allem die wunderbar atmosphärischen Poe-Verfilmungen wie „House of Usher“ (1960) sehenswert sind. Sondern, weil er B-Movies als ästhetischen Freiraum begriff. Wo nicht viel Geld im Spiel ist, ist mancherlei möglich. Die Prämisse war trotz Nudity, Gewalt und schneller Kicks gerade das Gegenteil der Verachtung von Kunst: Noch und gerade im Billigen, Schnellen, Schmutzigen kann man eigensinnigen Leuten Freiheiten lassen und falsche Rücksichten auf den guten Geschmack hinter sich. Und das lässt sich bei Corman lernen, bis heute.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!