Nachruf auf Zsa Zsa Gabor: Zur Not mit Ohrfeige
Sie wurde noch im habsburgischen Ungarn geboren – und ließ sich nie die Butter vom Brot nehmen. Nun ist die Schauspielerin mit 99 Jahren gestorben.
Sie hat, soweit die Archive dies belegen, niemals über die Möglichkeit gesprochen, dass sie eine Überlebende ist. Als Kind jüdischer Eltern entkamen sie und die meisten ihrer Familie nur knapp dem Holocaust. Sie lebte ja damals (auch noch) in Ungarn, die 1917 in Budapest zur Welt kommende zweite Tochter eines habsburgischen Offiziers und einer Schauspielerin.
Zsuzsanna Sári Gábor hat sich selbst früh dem, wie man sagen könnte, Darstellungsfach verschrieben. An Zsa Zsa Gabors Werk und Leben hatte freilich die elaborierte, die bildungsbürgerliche Welt kaum Anteil. Las man von ihr, war dies eher in den Illustrierten, die vornehmlich in Friseursalons und in Wartezimmern herumlagen. Aber genau diese Medien, Lehr- und Lernmaterial über andere Lebensmöglichkeiten, haben ja die Masse im Blick, nicht den guten Geschmack: Gabor, die einen Stern auf dem Walk of Fame in Hollywood hat, wurde, kein Wunder, in die Hall of Fame der B-Movies gewählt.
Sie war eine Frau, die den Ruf geradezu genoss, als Kurtisane selbst das historische Vorbild der Marie Pompadour in den Schatten zu stellen, eine Günstlingsfrau, ein Wesen von fast grotesker Schönheit und verblüffendem Selbststilisierungsvermögen.
Sie sagte einmal, sie sei oft verheiratet gewesen, aber nicht die Männer hätten sie ausgesucht, vielmehr habe sie sich ihre Gegenüber ausgewählt. In der Tat hat sie keinen einzigen ihrer acht, neun oder zehn Männer je ausgesucht, ohne auf seine Mitgift zu achten: Der Hilton-Erbe oder der Hollywood-Mogul, zwischendurch sogenannte Playboys, Sean Connery oder Frank Sinatra. Falls sie sich zierte, den Avancen dieser Männer zu erliegen, dann gewiss auf allerhöchstem Niveau.
Frauen auf den klassischen Erwerbsmärkten, das war ja meist beschwerlicher zu schaffen als ein Spaziergang auf der Via dolorosa. Nein, die Gabor wollte nicht die Mühen der Ebene gehen: Sie verstand sich selbst, von fehlendem Selbstbewusstsein eher unangekränkelt, als Luxusgeschöpf, das sich Männer erst verdienen müssen.
Die Legende – ob sie wahrhaftig ist, spielt ja gar keine Rolle – sagt, dass sie als sehr junge Frau, gerade vor den Traualtar geschritten mit dem Pressechef des türkischen Außenministeriums (die Türkei schützte Juden vor dem Nationalsozialismus), mit dem türkischen Nationalheiligen, dem damaligen Präsidenten Mustafa Kemal Atatürk ein Verhältnis gehabt habe. Alle weiteren Männer, sagte sie einmal, seien nur Versuche in den Fußstapfen dieses Gottes gewesen.
Mit Fantasien handeln
Ein gutes Jahr war sie auch mit einem Mann verheiratet, der einst die Barbie-Puppe erfand: Er wird in ihr das gesehen haben, was er wollte. Und sie ihm zu geben bereit war: eine Fantasie, und zwar auch zu ihren Gunsten. Sie habe ihre Rechnungen immer allein gezahlt, teilte sie einmal mit, Taschengeldhaushälterei, wie die Frauen des österreichischen Protzmillionärs Lugner, war mit ihr nicht zu haben. Vielleicht ist Zsa Zsa Gabor am ehesten als Frau mit stärkstem Lebenswillen vorzustellen, als eine Tochter aus besserem, künstlerischem Haus, die sich als Untertänige nicht vorstellen wollte. Ein nur hauchendes Aschenputtel, das Wesen der Erlösung in Dankbarkeit, das war sie nicht.
Sie wusste sich durchzusetzen, offen, wortwitzig, sich nie die Butter vom Brot nehmen lassend: Nötigenfalls verpasste sie einem Cop auch mal eine Ohrfeige, weil der doch tatsächlich glaubte, sie im Auto an der Weiterfahrt hindern zu dürfen, weil sie keinen Führerschein hatte. Dafür kam sie kurze Zeit ins Gefängnis – was sie wiederum für Celebrity-Storys in eigener Sache zu nutzen wusste: kluge Frau in ihrem Fach.
Diese Amerikanerin soll zwar in den letzten Jahren finanziell etwas klamm gewesen sein, es hieß, sie habe auch unter der Finanzkrise am Ende der nuller Jahre gelitten. Gelebt hat sie aber stets im zweitschönsten Viertel von Los Angeles, in Beverly Hills. Die Ironie ihrer Lebensgeschichte ist, dass ihre längste Ehe mit einem Mann währte, der sie nun auch, eigenem Bekunden zufolge, am Sterbebett in den Tod verabschiedete: Frédéric Prinz von Anhalt.
Ein Mann, der einem verarmten Spross aus dem in Deutschland ansässigen Adelsgeschlecht den Unterhalt spendierte und dafür den monarchisch anmutenden Titel auf dem Standesamt erhielt. Ein Mann, der sein Geld im Dienstleistungsgewerbe machte (Saunaanlagen) – und Mitte der achtziger Jahre eben Zsa Zsa Gabor kennenlernte: ein (womöglich liebevolles) Geschäft auf Gegenseitigkeit. Er kam ins Glamourbusiness, sie war nun irgendwie auch Teil blauen Blutes. Der Barbie-Traum war, ließe sich sagen, in Erfüllung gegangen.
Am Sonntag ist sie, im Alter von 99 Jahren und seit Langem bettlägerig, an den Folgen eines Herzinfarktes in Los Angeles gestorben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen