Nachruf auf Schauspiel-Legende: Liebling Krug
Manfred Krug war von der DDR geprägt, in der Bundesrepublik populär vor allem durch den „Tatort“. Jetzt ist er im Alter von 79 Jahren gestorben.
Sosehr es auch das Regime schmerzte, aber diesen Mann würde man ohnehin nicht halten können: Krug war als Schauspieler in seinem Land eine unumstrittene Figur, ein Idol, ein Verehrter, einer, mit dem man sich gut identifizieren konnte.
1937 in Duisburg geboren, mitten im Ruhrpott, der Vater Ingenieur in einem Stahlwerk, blieb er nach der Scheidung der Eltern kurz nach dem Krieg bei ihm – Mutter und Bruder Roger blieben in Westdeutschland – und lebte fortan in der DDR in Hennigsdorf bei Berlin.
Er lernte zunächst den Beruf des Stahlschmelzers, dann, nach dem Abitur auf einer Abendschule, durfte er endlich die Schauspielschule besuchen – Krugs Aufstieg zum Lieblingsmimen der DDR war möglich, weil dieser Mann stets eine gewisse Zartheit durchschimmern ließ, in allen Rollen, aber zugleich den Robusten, den Kämpfer, den niemals zu Duckmäuserei Aufgelegten gab. Seine Tonalität war die eines brummelig Gutmütigen, der aber körperlich keinen Zweifel daran ließ, dass man bei ihm nicht mit Hasenfüßigkeit rechnen sollte.
Berühmt wurde er durch eine Rolle, in der ihn bis zum Ruin der DDR 1989 nur wenige sahen: Frank Beyers „Spur der Steine“ war ein Film, in dem Krug den Arbeiter Hannes Balla gab. Die Geschichte war brisant, weil dieser Arbeiter sich mit seinen Kollegen über die ineffiziente Planwirtschaft der DDR beschwerte und in Sonderheit das Bonzensystem anprangerte.
Der entscheidende Punkt in dieser Produktion war aber, dass Krug auch körperlich, so oberhalb der Hose entblößt wie im US-Kino nur Burt Lancaster gefällig, zu sehen war: ein Mann wie ein Baum, ohne stählern oder wie die Wiederkehr eines Nazirecken zu wirken. Das war, nun ja, ein ausgesprochen appetitlicher Anblick. Fragt man Kolleginnen seiner Generation, wie sie ihn denn damals (oder später) fanden, erntet man, stets mit dem Hinweis, namentlich nicht genannt zu werden, leuchtende Augen: „Zum Anbeißen!“
Frauen fanden ihn hinreißend
Krug wusste mit seiner Prominenz prima umzugehen – und war Teil der DDR-Künstlerboheme auf das Einkömmlichste. Künstlerische Freiheiten gab es natürlich nur begrenzt, aber er verstand sich nie als Oppositioneller. Erst als Wolf Biermann nach seinem Köln-Konzert 1976 nicht mehr in sein Land zurückreisen durfte und neben vielen anderen auch Krug gegen diese Ausbürgerung protestierte, war es des Duldens zu viel – man hätte, ließ er sich später in der Bundesrepublik vernehmen, sonst an Selbsterstickung gelitten.
Ermöglichte Krug, wie es sein Bruder Roger einmal behauptete, sich die relativ glatte DDR-Ausreise, indem er mit der Stasi einen Deal einging? Der Künstler und seine Familie konnten ihren Staat verlassen, allerdings musste Krug sein Tagebuch mit für die Staatssicherheit verwertbarem Material über DDR-Kollegen hinterlassen. Manfred Krug klagte, weil er brisante Stellen in diesem Notizbuch geschwärzt habe – und verlor: Jüngst erst kassierte das Bundesverfassungsgericht ein Urteil des Berliner Kammergerichts, in dem die Zeitschrift Gong für die Behauptung des Bruders zu einer 20.000-Euro-Geldstrafe verurteilt worden war.
Krug machte in der Bundesrepublik faktisch dort weiter, wo er in der DDR aufgehört hatte. Allerdings musste er sich seinen Ruf als jovial gesinnter Volksschauspieler erst wieder erarbeiten.
Es folgten Rollen (als Trucker) in der Serie „Auf Achse“, in der „Sesamstraße“, dann der (Wieder-)Durchbruch als Anwalt fürs Alltägliche, als „Liebling Kreuzberg“, zu dem sein Freund, DDR-Schriftsteller Jurek Becker, die meisten Drehbücher verfasste hatte.
Schließlich, zwischen 1984 und 2001, war er, mit seinem Kompagnon Charles Brauer, im „Tatort“ des NDR als Kommissar Paul Stoever unterwegs – diese Rolle trug wesentlich dazu bei, dass die ARD-Reihe das kriminalistische Feld verließ und sich weniger auf ziselierte Drehbucharbeit und mehr auf die schiere Popularität seiner Hauptrollen verließ: Krug und Brauer hatten am Ende eines Falls immer ein Lied zu singen, gern im Jazz-Style.
Er machte Soul, der wie Jazz klingt
Die letzten Jahre lebte Krug von Werbeeinnahmen und kleineren Rollen – am liebsten aber von Auftritten als Sänger. Schon in der DDR war er ein famoser Sänger, etwa auch im Duett mit Etta Cameron, der dieses Genre vor der kunstreligiösen Erdrosselung bewahrte. Ein Krug, so lobten Kritiker, macht Soul, der wie Jazz klingt: rau, ohne an vokalem Feinsinn zu verlieren.
Im Übrigen ist Krug bei einer Publikumsbefragung vor einigen zum zweitbeliebtesten „Tatort“-Helden aller Zeiten gewählt worden – hinter Götz George. Anders als dieser war der im wahren Leben tatsächlich im Ruhrgebiet geborene Mann immer nah an proletarischer Geselligkeitslust, er liebte das Feiern und Trinken und Essen – von Kritik an Dekadenz hielt er gar nichts. Man habe ja nur ein Leben – und das möchte doch bitte ausgekostet werden.
Vorigen Freitag, am 21. Oktober, dies wurde erst jetzt bekannt, ist er nach vielen Krankheiten in Berlin gestorben. Er hinterlässt seine Frau Ottilie und vier Kinder.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste