Nachruf auf Michael Spreng: Der Bescheidwisser
Der Journalist und Politikberater Michael Spreng ist tot. Er war ein messerscharfer Analytiker der Politik und ihres Personals.
![Portrait von Michael Spreng Portrait von Michael Spreng](https://taz.de/picture/4294979/14/25630721-1.jpeg)
Michael Spreng war ein Bescheidwisser. Ein Journalist, Politikberater und -beobachter, dessen Wort hohes Gewicht hatte – auch für jene, die sich seiner Kritik ausgesetzt sahen. Gerade für jene. Denn es macht einen Unterschied, wer das Wort nimmt. Wenn Spreng es nahm, war klar: Hier spricht und schreibt einer, der nicht wie manch anderer nur meint, Bescheid zu wissen. Nein, Spreng war immer bestens informiert. Nun ist er am 28. Juli im Alter von 72 Jahren verstorben.
Spreng wurde 1948 in Darmstadt geboren, seinen dröhnendes hessisches Idiom hörte man deutlich in all den Talkshows heraus, in denen er bis zuletzt zu Gast war. Er war ein Mann der alten Bundesrepublik, der es – auch dank seiner Affinität zu den neuen Medien – wunderbar geschafft hat, im politischen Raum im Gespräch zu bleiben. In seinem Blog Sprengsatz las er anderen gern die Leviten. Auch wenn man selbst gänzlich anderer Meinung war, tat man gut daran, diesem gut vernetzten Strippenzieher aufmerksam zuzuhören.
Spreng war in den Sechzigerjahren mit einem Volontariat bei der Frankfurter Neuen Presse Journalist geworden. In den Siebzigern wechselte er zum Springer-Verlag, wo er für Welt, Bild und Bild am Sonntag arbeitete. 1983, nach sechs Jahren Chefredaktion beim Kölner Express, übernahm er bis zum Jahr 2000 die Chefredaktion der Bild am Sonntag. Es war das Jahrzehnt der Wiedervereinigung, des Endes der Bonner Republik und des Beginns des rot-grünen Regierungsprojekts.
Nach seinem Ausscheiden aus dem Journalismus arbeitete Michael Spreng freiberuflich als Politikberater. Unvergessen sein Einsatz für Edmund Stoiber, dem er 2002 als erstem CSU-Politiker ins Kanzleramt helfen wollte. Bekanntlich wurde daraus nichts; drei Jahre später wurde Angela Merkel Kanzlerin der Union.
Ein durchaus amüsantes Wesen
Ab 2009 dann begann Spreng seinen Blog zu bespielen. Blättert man nun, nachdem er nach langer Krankheit verstorben ist, durch seine hunderten Beiträge, spürt man noch sein Wesen: laut und selbstbewusst, bestens informiert und durchaus amüsant. Ein Journalist, der ein erfülltes Leben geführt zu haben scheint.
Sein letzter Blog-Eintrag datiert vom 25. Februar. An diesem Tag erklärten sowohl Friedrich Merz als auch Armin Laschet mit Jens Spahn ihre Kandidatur für den CDU-Vorsitz. Sprengs Analyse endet hellsichtig mit exakt jener Frage, die wenig später zentral werden sollte: „Und wie positionieren sich die CSU und Markus Söder? Das Rennen ist völlig offen.“ Schade, dass Michael Spreng den Ausgang dieses Rennens nicht mehr erleben darf.
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