Nachruf auf George Romero: Welkes Fleisch vergeht nicht
Mit ihm wurden die Zombies pop- und diskurstauglich: Der US-amerikanische Regisseur, Schöpfer von „Night of the Living Dead“, ist tot.
Am Anfang war ein knorriger, klappriger alter Mann. Eher verwirrt als bösartig. Doch wer seinen Weg kreuzte – auf dem Friedhof, wohlgemerkt –, musste rasch merken, dass mit dem Herrn nicht zu spaßen ist.
Im Jahr 1968 begann mit dieser nostalgisch in Schwarz-Weiß gehaltenen Szene die große Kinokarriere der Zombies. Nicht dass die Untoten nicht schon vorher über die Leinwände gewankt oder vielmehr einigermaßen zivilisiert geschritten wären. Doch in „Night of the Living Dead“, dem Spielfilmdebüt des 1940 in New York geborenen Regisseurs George A. Romero, bekamen sie ihre handelsüblichen Attribute, die seither zum Inventar der allgemeinen Bilderwelt gehören: fahle, schrundige bis wundfaule Haut, schlurfender Gang und eine bissbereite Haltung ihren (früheren?) Artgenossen, den lebenden Menschen gegenüber.
Dank der allgemeinen Verbreitung des Kostümfests Halloween oder des Erfolgs von TV-Serien wie „The Walking Dead“ ist der Anblick von Zombies heute so vertraut wie der von Graf Dracula oder Frankensteins Monster. Genau genommen sind die Untoten sogar noch populärer als ihre Schauervorläufer, von denen sich Romero seinerzeit inspirieren ließ. Wenn sich seine Lebensleistung auf diesen einen Beitrag zur Gruselikonografie beschränken würde, wäre allein das schon eine ganze Menge.
Der an der Carnegie Mellon University in Pittsburgh ausgebildete Romero, der nach dem Studium zunächst sein Geld mit Kurzfilmen und Werbespots verdiente, produzierte seinen ersten Spielfilm unabhängig mit winzigem Budget. Wie er später in Interviews sagte, waren es insbesondere die Tanz- und Märchenfilme „The Red Shoes“ (1948) oder „Tales of Hoffmann“ (1953) des britischen Filmemacherduos Powell & Pressburger, die ihn dazu gebracht hatten, selbst Regisseur werden zu wollen.
Kommentare zu gesellschaftlichen Fragen
In Sachen Drastik sollte Romero allerdings zu einer ganz eigenen Form von Unmittelbarkeit finden. Schon in „Night of the Living Dead“ wird hemmungslos in Menschenfleisch gebissen, eigentlich roh, aber wenn, wie in einer haarsträubend-unvergesslichen Szene des Films, etwa Autofahrer in ihrem brennenden Wagen zu Tode kommen, verschmähen die kannibalischen Untoten auch deren gegrillte Überreste nicht.
Romero gab dabei von Anfang an zu verstehen, dass es ihm trotz aller Blutrünstigkeit und der detailverliebten Darstellung der mehr oder minder fachgerechten Zerlegung von Körpern nicht bloß um billige, möglichst effektive Schockwerte ging. Seine Filme lieferten zugleich stets Kommentare zu gesellschaftlichen Fragen, ohne zwangsläufig direkt auf die aktuelle Realität zu verweisen.
In „Dawn of the Dead“ (1978), der in Deutschland unter dem einprägsamen Titel „Zombie“ in die Kinos kam, spielt der Großteil der Handlung in einer Shoppingmall, in dem ein paar der nichtinfizierten und damit nichtzombiefizierten Menschen Zuflucht vor ihren Verfolgern nehmen. Hier ist der konsumkritische Ansatz nicht zu übersehen, sei es, wenn die Lebenden sich mit dem unnütz gewordenen Warensortiment vergnügen oder wenn sie angesichts der zum Einkaufszentrum strömenden Zombies mutmaßen, dass diese dorthin zurückkehren, weil es ein Ort ist, an den sie sich „erinnern“.
Warum fressen Zombies seit Romero eigentlich Menschen? Zuvor taten sie es ja schließlich noch nicht. Bei Romero schossen da womöglich mehrere Dinge zusammen. Für den Autor Georg Seeßlen („George A. Romero und seine Filme“, 2010) war sowohl die damals in der US-amerikanischen Gesellschaft verbreitete Angst vor vergifteter Nahrung im Spiel als auch der Kurzschluss von Sexualität und Essen. Überhaupt kennen die Triebe nur wenige Grenzen in Fragen der Aneignung, ganz gleich ob kulturell oder anderswie. Was verschlungen werden kann, wird im Zweifel verschlungen. Eine Metapher, die in allerlei Richtungen anschlussfähig ist, bis hin zum Kino, das sich an sich selbst gütlich tut.
Untote im Wahlkampf
Was auch für die Inflation an Zombiefilmen gilt, die das Genre inzwischen heimgesucht hat. Neben Splatterkomödien wie Peter Jacksons „Braindead“ (1992) oder Zack Snyders 2004er Remake von Romeros „Dawn of the Dead“, in dem die Zombies mit höchst aggressiven, im Unterschied zum Original wieselflinken Bewegungen auf ihre Beute losgehen. In Romeros „Land of the Dead“ (2005) hingegen konnte man sich bei den durch Wasser von den Lebenden getrennten, prominent afroamerikanischen Zombies an das im selben Jahr vom Hurrikan „Katrina“ überschwemmte New Orleans erinnert fühlen, ein Zufall, als Bild jedoch umso wirkmächtiger.
Romero drehte übrigens nicht nur Zombiefilme, „Martin“ (1977) zum Beispiel war ein moderner Vampirfilm. Im Jahr 2009 stellte er bei den Filmfestspielen von Venedig dann seine letzte Regiarbeit „Survival of the Dead“ vor. Am Sonntag ist George A. Romero im Alter von 77 Jahren gestorben.
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