Nachruf auf Dopingexperte Werner Franke: Professor und Aktivist

Der Biologe Werner Franke hat als leidenschaftlicher Aufklärer im Kampf gegen Doping vieles bewirkt. Nun ist er im Alter von 82 Jahren gestorben.

Portrait

Werner Franke, ehemaliger Biologe und Anti-Doping-Experte Foto: Christoph Soeder/dpa

Der weltweit renommierte Krebsforscher und Anti-Doping-Experte Werner Franke aus Heidelberg ist am 14. November im Alter von 82 Jahren verstorben. Bis zum Jahr 2021 war der Wissenschaftler noch oft im Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in seinem Labor anzutreffen. Mehr als fünf Jahrzehnte hatte sich der mit vielen Wissenschaftspreisen ausgezeichnete Professor für Zell- und Molekularbiologie mit seiner Frau, Brigitte Berendonk, der Doping-Aufklärung im Sport gewidmet.

Berendonk nahm als Diskuswerferin 1968 und 1972 für die Bundesrepublik an den Olympischen Spielen teil und sah, wie sich dort ihre Konkurrentinnen durch enormen Muskelzuwachs, verursacht durch Anabolika, verändert hatten. Seither warnten beide in der Öffentlichkeit vor der Doping-Seuche, doch die Funktionäre und Politiker ignorierten größtenteils die Mahnungen.

1991 veröffentlichten beide das Buch „Doping-Dokumente. Von der Forschung zum Betrug“, worin sie das systematische Doping in der DDR, aber auch im Westen aufdeckten. In der einstigen Militärmedizinischen Akademie der DDR in Bad Saarow gelang es dem Ehepaar nach dem Mauerfall, streng geheime Dopingakten vor der Vernichtung zu bewahren und öffentlich zu machen. Besonders die Vergabe von männlichen Sexualhormonen an Mädchen und junge Frauen kritisierte Franke „als menschenverachtend und schweres Verbrechen“.

Auch die Mitverantwortung des Anabolika-Herstellers „VEB Jenapharm“ in Jena sowie beteiligter Wissenschaftler am kriminellen DDR-Staatsdopingsystem hatte er offengelegt. 2004 wurden Franke und Berendonk mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Franke hatte wegen seiner Aufklärungsarbeit in den Reihen der Sportfunktionäre, Ärzte und Politiker viele Gegner, wurde oft verklagt, konnte jedoch die Verfahren meist gewinnen.

Strafanzeige gegen DDR-Sportfunktionäre

Franke war es auch, der bereits 1991 Strafanzeige gegen Verantwortliche des DDR-Staatsdopings stellte, woraufhin viele Täter bis hin zum langjährigen DDR-Sportchef Manfred Ewald und dem leitenden Mediziner Manfred Höppner verurteilt wurden. Aber er brachte auch mehrere West-Doper wie den einstigen Leichtathletik-Bundestrainer Heinz-Jochen Spilker vor Gericht. Franke war als ein Mann der klaren Worte bekannt: Das Ende 2015 in Kraft getretene Anti-Doping-Gesetz hielt er für „eine lügenhafte Verarschung des Volkes“. Er hatte lange zuvor darauf hingewiesen, dass in Deutschland die Schweigepflicht, auf die sich Doping-Ärzte gern beriefen, ein Unding sei. Selbst das für den Sport zuständige Bundesinnenministerium habe seit den siebziger Jahren Doping-Mediziner geschützt.

Werner Franke

„Als Wissenschaftler ist es meine Pflicht, auf Missstände hinzuweisen“

Insbesondere hatte Franke darauf aufmerksam gemacht, dass es schwere Erkrankungen und Todesfälle bei Sportlern geben muss, die genetisch veranlagt sind. Wobei der überwiegende Teil solcher Gene in Frankes Labor im DKFZ entdeckt und diagnostizierbar gemacht worden war. So hatte der frühere hochgedopte DDR-Kugelstoßer Gerd Jacobs aus Berlin eine Mutation, die bekannt dafür ist, dass sie zu Herzschäden führen kann. Was bei Jacobs zu einer Herztransplantation führte. Er verstarb aber doch 15 Jahre später, im Dezember 2015.

Franke beklagte den geringen Wissensstand der Sportärzte, auch von einstigen Doping-Professoren wie Armin Klümper und Joseph Keul der Uni Freiburg. Die Dopingvergehen beim deutschen Rad-Team Telekom von Jan Ullrich und Kollegen wies er vor Gericht nach.

Zu den mit Anabolika zustande gekommenen Leichtathletik-Rekorden von DDR-Stars wie Marlies Göhr, Marita Koch, Heike Drechsler, Ulf Timmermann und weiteren sagte Franke: „Das ist alles eine Farce und keine Orientierung für die heutige Sportjugend.“ Zudem kritisierte er den Doping-Opfer-Hilfe-Verein, den er einst mitbegründete. Dieser würde unwissenschaftlich arbeiten.

Die Nationale Anti-Doping-Agentur hielt Franke für einen „zahnlosen Tiger“, deren fachliche Kompetenz er in Frage stellte. Aber auch die Zunft der Sportjournalisten kritisierte er öfters heftig. Etliche von ihnen hätten durch übertriebene Jubel-Berichte und Wegschauen „Betrug am Volk“ begangen.

Sein jahrelanges Wirken bilanzierte er so: „Als Wissenschaftler ist es meine Pflicht, auf Missstände hinzuweisen.“ Zum Doping erklärte er im Jahr 2020: „Heute wird aufgrund der etwas verbesserten Kontrollen zwar weniger und teils versteckter gedopt. Aber das Betrugspotenzial ist immer noch gewaltig.“ Seine kritische Stimme wird nun fehlen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.