Nachruf auf Cantautore Franco Battiato: Progressives in den Charts
Der italienische Komponist Franco Battiato ist tot. In seiner Heimat ist er eine Popikone. Trotz großer Erfolge blieb er am Experiment interesssiert.
Auf der italienischen Wikipedia-Seite ist der Eintrag über ihn etwa so lang wie der über die Beatles und länger als der über Aristoteles. Franco Battiato ist in Italien ein Kulturdenkmal, ein Pop-Philosoph, der Geist und Dance-Tauglichkeit miteinander verband – wenn er wollte. Über Jahrzehnte war er präsent in Charts und Feuilleton zugleich.
Geboren 1945 auf Sizilien, ging er mit 19 nach Mailand, tauchte in die Musikszene ein, sang Protestsongs und Liebeslieder. Er lernte bei Karlheinz Stockhausen, veröffentlichte Alben mit Progrocktüfteleien und atmosphärischen Klangmeditationen. In einem 15-minütigen Song kehrt ein kurzer Klavierakkord wieder und wieder, in unterschiedlichen Abständen, nur mit angedeuteter Geräuschkulisse.
Anfang der 1980er Jahre entwickelte Battiato sein eigenes Hitparadenexperiment: eingängige Melodien, mitreißende Rhythmen, Chöre, Synthesizer, Geigen, E-Gitarren. Seine Musik ist ein einzigartiger Klangreigen, der genüsslich ins Ohr wirbelte. Dazu dichtete er verrätselte Texte voller Zitate und Anspielungen. „La voce del padrone“ war 1982 monatelang das meistverkaufte Album – fast jedes Lied daraus ist ins kollektive Gedächtnis Italiens geflossen. „Cuccurucucu“ wurde zum Tanzklassiker. In „Centro di gravità permanente“ sucht er nach einem unerschütterlichen Kern des Daseins – eine philosophische Reflexion, bei der er beiläufig erwähnt, dass ihn Punk und New Wave nerven.
Die Weiße Fahne
Genauso ikonisch geworden ist die düstere Ballade über die weiße Fahne, die er hisst: In „Bandiera bianca“ zeigt er sich angeekelt von aberwitzigen Wahlveranstaltungen und all den eitlen Gestalten im Land. Diese resignative Elegie gipfelt in einer Reminiszenz an The Doors, vorgetragen in repetitiver Melancholie: „The end, my only friend, this is the end“.
Der Song wurde ein großer Erfolg, was Battiato nicht vom Experimentieren abhielt, er komponierte Opern, verwebte orientalische Mystik in seine Musik, malte, drehte Filme – und blieb populär, auch als Gegenbild zu polternden Figuren wie dem Ur-Trump Silvio Berlusconi. Er liebte Zurückgezogenheit und sang gegen banalen Oberflächlichkeitskult an – vielleicht sein Grundwiderspruch, stand er doch dadurch selbst oft im Rampenlicht.
So zog er in ein sizilianisches Dorf am Ätna, nahe seinem Geburtsort, meditierte und las. Am Dienstag hisste er endgültig die weiße Fahne, nach langer Krankheit starb er im Alter von 76 Jahren.
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