Nachrichten zur Coronakrise: Sozialrichter gegen Söder
Laut Präsident des Bundessozialgerichts wäre es unzulässig, würde Markus Söder die Pflege-Impfpflicht wirklich auszusetzen. Auch Karl Lauterbach kritisiert Söder.
Bundessozialgericht: Pflege-Impfpflicht gilt
Der Präsident des Bundessozialgerichts (BSG), Rainer Schlegel, hält die vom bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) angekündigte Aussetzung der Impfpflicht für Beschäftigte im Gesundheitswesen für unzulässig. Wenn ein Gesetz im Bundesgesetzblatt verkündet worden sei, „kann man nicht einfach sagen, ich setze das aus“, betonte Schlegel am Dienstag auf der Jahres-Pressekonferenz des obersten Sozialgerichts in Kassel. Für eventuelle Korrekturen könne der Gesetzgeber nur ein neues Gesetz beschließen oder zumindest mit einer eigenen Regelung erst einmal das Inkrafttreten terminlich hinauszögern.
Für den Juristen ist das Infektionsschutzgesetz eindeutig. Der Beschäftigte müsse dem Arbeitgeber den entsprechenden Impf- oder Genesenennachweis vorlegen. Es gehe hier um den „Schutz der Pflegebedürftigen in Kliniken oder Pflegeheimen“. Ob mit der Impfpflicht ein Personalengpass entstehe, spiele nach der gesetzlichen Regelung keine Rolle.
Dass die Diskussion um die Impfpflicht für medizinisches Personal ab Mitte März nun verstärkt einsetzt, liegt nach Auffassung des BSG-Präsidenten wohl an einer „Angst vor einem Wust an Folgefragen“, etwa inwieweit nicht geimpftes Personal gekündigt werden dürfe oder ob dann eine Sperrzeit auf das Arbeitslosengeld I verhängt werden könnte. Letztlich müssten über die Impfpflicht aber die Verwaltungsgerichte entscheiden (epd)
Bremen hebt 2G-Regel für Einzelhandel auf
Das Einkaufen wird auch im Bundesland Bremen wieder unkomplizierter: Der Senat beschloss am Dienstag, die im Einzelhandel geltende 2G-Regelung aufzuheben. Damit müssen Kunden künftig keine Nachweise mehr über ihren Impf- oder Genesenenstatus vorzeigen. Die Pflicht zum Tragen einer FFP2-Maske zum Schutz vor Corona-Infektionen bleibt aber bestehen, wie die Gesundheitsbehörden mitteilten.
Der Senat beschloss zudem, die Kontakterfassung beispielsweise in der Gastronomie oder bei Veranstaltungen abzuschaffen. Am Mittwoch befasst sich der zuständige Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschuss der Bremischen Bürgerschaft mit dem Beschluss. Stimmt das Gremium zu, kann die Änderung in Kraft treten. (dpa)
Behindertenbeauftragter: Corona verschärft Probleme bei Arbeitssuche
Die Corona-Pandemie hat die meist ohnehin schwere Suche nach einem Arbeitsplatz für Menschen mit Behinderung weiter erschwert. Im vergangenen Jahr seien fast 172.500 Menschen mit Behinderung arbeitslos gewesen, sagte der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Jürgen Dusel, am Dienstag in Berlin. Das waren nach seinen Worten 11,5 Prozent mehr als 2019, vor dem Beginn der Pandemie.
Auch die Langzeitarbeitslosenquote sei unter Behinderten höher. Dusel drang auf eine schnelle Einführung einer neuen Stufe der Ausgleichsabgabe für Unternehmen, die gar keine Menschen mit Behinderung beschäftigen. Dies ist im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP vereinbart.
Unternehmen mit mehr als 20 Beschäftigten sind verpflichtet, fünf Prozent der Stellen mit Schwerbehinderten zu besetzen. Tun sie das nicht, müssen sie eine Ausgleichsabgabe in Höhe von 125 bis 320 Euro pro unbesetztem Arbeitsplatz zahlen, je nachdem, wie weit sie unter der Vorgabe bleiben. Dusel stört sich vor allem daran, dass ein Viertel der betroffenen Unternehmen in Deutschland gar keinen Menschen mit Behinderung beschäftigt. Damit müsse Schluss gemacht werden, sagte er. Er forderte für diese Unternehmen eine neue Stufe der Abgabe, die mindestens doppelt so hoch liegen solle wie die bisherige Höchststufe.
Auch der VdK drang am Dienstag auf die neue Abgabe. Präsidentin Verena Bentele, Dusels Amtsvorgängerin, forderte eine Abgabe in Höhe von 750 Euro. Die neue Bundesregierung müsse ihr Versprechen in dem Punkt zügig umsetzen, sagte sie. (epd)
Hamburg kippt 2G-Regel für Einzelhandel
Hamburg lockert die Corona-Regeln im Einzelhandel. „Ab Samstag wird die 2G-Regelung im Einzelhandel durch eine FFP2-Maskenpflicht ersetzt“, sagte Senatssprecher Marcel Schweitzer am Dienstag. Alle anderen Regelungen bleiben zunächst bestehen. (dpa)
Lauterbach: „Herr Wieler hat mein volles Vertrauen“
Empfohlener externer Inhalt
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach stellt sich klar hinter den Präsidenten des Robert Koch-Instituts, der zuletzt wegen kurzfristiger Änderungen beim Genesenenstatus in der Kritik stand. „Herr Wieler hat mein volles Vertrauen“, sagt SPD-Politiker Lauterbach in Berlin.
„Tatsächlich stehen wir vor einem Wendepunkt“, sagt der Chef des Robert Koch-Instituts, Lothar Wieler. Die Omikron-Welle könne bald überstanden sein. Schwere Verläufe seien aber vor allem bei Ungeimpften weiterhin möglich. Zu viele Ältere seien noch immer ungeimpft. Die Krankenhäuser seien derzeit stark belastet, aber zum Glück nicht völlig überlastet. (rtr)
Bayerns Impf-Vorstoß „sehr problematisch“
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach kritisiert Ministerpräsident Markus Söder (CSU), der in Bayern die Impfpflicht in Alten- und Pflegeheimen nicht umsetzen will. „Das halte ich für sehr problematisch“, sagt SPD-Politiker Lauterbach in Berlin. Es gehe nicht darum, das Personal zu schikanieren, sondern die Insassen zu schützen. Es sende das völlig falsche Signal.
Er erwartet den Höhepunkt der Omikron-Welle weiterhin Mitte Februar, „eventuell etwas später“. Die Lage sei noch nicht wirklich unter Kontrolle, sagt der SPD-Politiker in Berlin. Lockerungen der Corona-Einschränkungen würden die Welle nur verlängern. Es könne zwar deutlich vor Ostern Öffnungen geben, aber noch seien sie verfrüht. (rtr)
Lauterbach spricht schon wieder von „Super-Sommer“
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat Hoffnung auf eine spürbare Entspannung der Pandemielage in den kommenden Monaten gemacht. „Wir werden einen Super-Sommer haben, wie im letzten Jahr auch“, sagte Lauterbach dem Magazin Stern laut einer Vorabmeldung vom Dienstag. Endgültig gebannt sei die Gefahr durch das Coronavirus aber noch lange nicht, warnte er – im Gegenteil: Wegen der momentan hohen Infektionszahlen habe das Virus gute Möglichkeiten, sich weiterzuentwickeln, neue Mutationen auszubilden und erneut viele Menschen anzustecken.
„Dass bei diesen hohen Infektionszahlen keine Mutationen entstehen, ist epidemiologisch undenkbar“, sagte Lauterbach. Deswegen gehe er auch nicht von einem nahen Ende der Pandemie aus. „Dass die Pandemie mit Omikron vorbei ist, halte ich für ausgeschlossen“, sagte er. „Wir können nur hoffen, dass die neuen (Mutationen) harmloser sind. Bislang war das leider nicht der Fall“, sagte Lauterbach. (afp)
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Union will Pflege-Impfpflicht aussetzen
Nach der Ankündigung des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU), die einrichtungsbezogene Impfpflicht vorerst auszusetzen, dringt die Union auf einen bundesweiten Stopp.
„Die Bundesregierung muss einsehen, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht im Moment kaum umsetzbar ist. Um weiteren Schaden abzuwenden, sollte sie sich mit den Ländern über eine vorläufige Aussetzung verständigen. Die Aussetzung sollte bundesweit einheitlich gelten, bis zentrale rechtliche und praktische Fragen beantwortet sind“, sagt der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Tino Sorge, der Zeitung Bild.
Die Regierung müsse unter anderem die Frage klären, wie mit Personal umzugehen sei, das von Einrichtungen als unverzichtbar angesehen wird. Die Vorsitzende der Unions-Mittelstandsvereinigung (MIT), Gitta Connemann, spricht sich laut Bild ebenfalls für den Stopp der Impfpflicht für medizinisches und Pflegepersonal aus. „Sie ist aktuell nicht umsetzbar. Und sie verursacht mehr Schaden als Nutzen.“
Auch der Bonner Virologe Hendrik Streeck begrüßt die Ankündigung Söders. „Die einrichtungsbezogene Impfpflicht würde die personelle Lage in den Kliniken weiter verschärfen und somit das Gesundheitswesen weiter belasten. Es ist gut, wenn die Politik aus dieser Erkenntnis Schlüsse zieht.“ (rtr)
Habeck will Corona-Hilfen verlängern
Die Wirtschaftsminister:innen von Bund und Ländern beraten an diesem Dienstag (10.00 Uhr) in einer digitalen Schalte über die wirtschaftliche Lage und Hilfe für von der Coronakrise Betroffene. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hält eine Verlängerung der Hilfen für sinnvoll, zum Beispiel analog zum Kurzarbeitergeld bis Ende Juni, wie es am Dienstagmorgen aus dem Ministerium gegenüber der Deutschen Presse-Agentur hieß.
Sollte die Konjunktur schneller wieder anziehen, dann würden dennoch nur jene Unternehmen Hilfen bekommen, die noch unter den Einschränkungen litten, hieß es aus dem Ministerium. Die Hilfen seien entsprechend angelegt, denn Unternehmen müssten mindestens 30 Prozent Umsatzverlust nachweisen, um die Unterstützung zu bekommen.
Anträge auf Überbrückungshilfe IV sind seit dem 7. Januar möglich. Abschläge, also erste Teilauszahlungen vom Bund, würden seit dem 18. Januar ausgezahlt, hieß es. Für die vollständige Auszahlung sind die Länder zuständig. Die reguläre Bearbeitung durch die Bewilligungsstellen sei seit dem 4. Februar möglich. Unter anderem Solo-Selbständige können demnach seit dem 14. Januar Anträge für die Neustarthilfe 2022 stellen, Auszahlungen werden seit dem 24. Januar vorgenommen. (dpa)
Erneut Demos gegen Coronamaßnahmen
In zahlreichen deutschen Städten sind am Montagabend erneut zehntausende Menschen auf die Straßen gegangen, um gegen die Coronamaßnahmen zu protestieren. Allein in Thüringen gingen insgesamt knapp 23.000 Teilnehmer:innen bei 93 überwiegend nicht angemeldeten Versammlungen auf die Straße. In den Landkreisen Görlitz und Bautzen waren es knapp 14.000 Demonstrant:innen. Den Mitteilungen der Polizei zufolge verliefen die oft als „Spaziergänge“ deklarierten Proteste in den meisten Fällen friedlich.
Vereinzelt schritt die Polizei ein, um Zusammenstöße mit Gegendemonstrant:innen zu unterbinden. In Jena versuchten Gegendemonstrant:innen beispielsweise, einen Aufzug der Kritiker der Coronamaßnahmen zu blockieren. Die Beamt:innen setzten daraufhin „einfache körperliche Gewalt“ und Pfefferspray ein, um die Blockade aufzulösen.
In Magdeburg lösten die Sicherheitsbehörden erneut einen nicht zulässigen Aufzug von 850 Maßnahmenkritikern auf. Dabei versuchten Demonstrant:innen offenbar, Polizeisperren zu durchbrechen, woraufhin die Beamt:innen ebenfalls mit „einfacher körperlicher Gewalt“ reagierten.
Vielerorts stellte die Polizei erneut Verstöße gegen Versammlungsauflagen und Coronaschutzmaßnahmen fest. Die Behörden erstellten deshalb Hunderte Anzeigen wegen Ordnungswidrigkeiten sowie Strafanzeigen wegen Beleidigungen, Widerstand gegen die Polizei und des Mitführens verbotener Gegenstände. (afp)
Fast 170.000 Neuinfektionen in Deutschland
Das Robert Koch-Institut (RKI) meldet 169.571 Positivtests binnen 24 Stunden. Das sind 6.958 Fälle mehr als am Dienstag vor einer Woche, als 162.613 Neuinfektionen gemeldet wurden. Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz steigt auf einen neuen Höchstwert von 1441,0 von 1426,0 am Vortag.
177 Menschen starben im Zusammenhang mit dem Virus. Damit erhöht sich die Zahl der gemeldeten Todesfälle auf 118.943. Insgesamt fielen in Deutschland bislang mehr als 11,28 Millionen Coronatests positiv aus. (rtr)
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