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+++Nachrichten im Nahost-Krieg+++Hochexplosive Lage

Nach der Tötung Nasrallahs spricht Netanjahu von historischem Wendepunkt. Libanon und Iran rufen Staatstrauer aus. Li­ba­ne­s:innen fliehen nach Syrien.

Li­ba­ne­s*in­nen neben dem Krater in Beirut, in dem Milizenführer Hassan Nasrallah getötet wurde Foto: Hassan Ammar/ap

Tel Aviv/Beirut/Teheran Die Situation im Nahen Osten ist nach der Tötung von Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah durch Israels Armee hochexplosiv. Der Iran forderte den UN-Sicherheitsrat in einem der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Brief zu einer Dringlichkeitssitzung auf. Wann es zu so einem Treffen kommen könnte, ist ungewiss. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu warnte den Iran vor einem Angriff auf sein Land. „Und an das Regime der Ajatollahs sage ich: Wer uns angreift, den greifen wir an“, sagte Netanjahu vor Medienvertretern in Tel Aviv. „Es gibt keinen Ort im Iran oder im Nahen Osten, den Israels langer Arm nicht erreichen kann“, drohte Netanjahu. (dpa)

Netanjahu spricht von historischem Wendepunkt

„Dies sind bedeutsame Tage. Wir stehen an einem historischen Wendepunkt“, sagte Israels Regierungschef. Die US-Regierung ordnete die Ausreise von Angehörigen ihrer Diplomaten im Libanon an. Grund sei die unsichere und unvorhersehbare Lage in Beirut, hieß es. Israel habe einen „eklatanten Akt terroristischer Aggression gegen Wohngebiete in Beirut verübt, indem es von den USA gelieferte tausend Pfund schwere Bunkerbrecher einsetzte“, heißt es in dem Brief von Irans UN-Botschafter Amir Saeid Iravani an das mächtigste UN-Gremium.

Netanjahu bezeichnete die gezielte Tötung von Nasrallah bei einem israelischen Luftangriff auf einen Vorort der libanesischen Hauptstadt als die „Abrechnung mit einem Massenmörder“. Nasrallah sei eine Art Turbo der vom Iran geschaffenen „Achse des Bösen“ gewesen. „Er war nicht nur irgendein Terrorist, sondern der Terrorist schlechthin“, sagte Netanjahu. Der Hisbollah-Chef habe sich der Ermordung zahlloser Israelis, hunderter Amerikaner und dutzender Franzosen schuldig gemacht, sagte Israels Ministerpräsident. (dpa)

Biden zur Tötung Nasrallahs: „Maßnahme der Gerechtigkeit“

US-Präsident Joe Biden bezeichnete Israels Tötung von Nasrallah als „Maßnahme der Gerechtigkeit“ für die Opfer seiner vier Jahrzehnte währenden Terrorherrschaft. Die USA unterstützten weiterhin Israels Recht auf Selbstverteidigung gegen die Hisbollah und andere vom Iran unterstützte Terrorgruppen, sagte Biden in einer Stellungnahme. Ziel der USA bleibe die Deeskalation der Konflikte im Gazastreifen und im Libanon auf diplomatischem Wege.

„Solange Nasrallah am Leben gewesen wäre, hätte er die (militärischen) Fähigkeiten, die wir der Hisbollah genommen haben, schnell wiederhergestellt“, fuhr Netanjahu fort. „Seine Beseitigung beschleunigt die Rückkehr unserer Bewohner in ihre Häuser im Norden.“ Seit Beginn des Gaza-Kriegs vor fast einem Jahr beschießt die Hisbollah fast täglich den Norden Israels. Deswegen mussten rund 60.000 Bewohner grenznaher Orte in andere Teilen Israels fliehen. Die Hisbollah handelt aus Solidarität mit der islamistischen Hamas in Gaza und hatte vor Nasrallahs Tod erklärt, die Angriffe erst bei einer dortigen Waffenruhe einzustellen.

Netanjahu argumentierte nun, dass die Hamas nach der Tötung des Hisbollah-Generalsekretärs eher bereit wäre, die beim Terrorüberfall der Hamas und anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober 2023 aus Israel entführten Geiseln freizulassen. „Je mehr (Hamas-Anführer Jihia al-) Sinwar sieht, dass Nasrallah ihm nicht zu Hilfe kommen wird, desto größer sind die Chancen für eine Rückgabe unserer Geiseln“, meinte Netanjahu. (dpa)

Staatstrauer im Libanon und Iran

Libanons Regierung ordnete nach Nasrallahs Tod Staatstrauer von Montag bis Mittwoch an. Ohne Chef und nach Tötung fast der gesamten oberen Führungsebene ist unklar, wer in der Hisbollah nun die Kommandos geben könnte, auch bei weiteren Angriffen auf Israel. Vermutlich wird die Hisbollah Anweisungen des Irans abwarten. Der ist unter Religionsführer Ajatollah Ali Chamenei die eigentliche Schutzmacht und wichtigster Unterstützer der Miliz.

Chamenei ordnete nach Nasrallahs Tod Staatstrauer an. Unter den Opfern des Luftschlags vom Freitag war auch der iranische Brigadegeneral Abbas Nilforuschan, der stellvertretende Kommandeur für Operationen der Revolutionsgarde. Es ist unklar, ob der Iran der Hisbollah jetzt zu Hilfe eilen wird. Die neue iranische Regierung unter Präsident Massud Peseschkian kämpft mit einer schweren Wirtschaftskrise und strebt eine Wiederannäherung an den Westen an. Obwohl Irans militärische Führung nach der Tötung des Hamas-Auslandschefs Ismail Hanija in Teheran Ende Juli Vergeltung angekündigt hatte, blieb diese bis heute aus. (dpa)

Proteste im Irak nahe US-Botschaft

Im Irak forderten Hunderte Anhänger schiitischer Parteien Vergeltung gegen Israel für die Tötung Nasrallahs. Sie versammelten sich in Bagdad am Eingangsbereich zur sogenannten Grünen Zone, in der die US-Botschaft und Regierungsgebäude liegen, wie Augenzeugen berichteten. Sicherheitskräfte riegelten die Gegend ab, um eine Erstürmung der Grünen Zone zu verhindern. Vom Iran unterstützte schiitische Parteien und Milizen haben im Irak großen Einfluss. Die Hisbollah half ihnen ab den 2000er Jahren mit Ausbildung von Kämpfern, um deren Angriffe auf US-Ziele zu verstärken und den Einfluss des Irans im Land auszubauen.

Deutschland, die USA und viele andere westliche Staaten fordern ihre Staatsbürger dringend dazu auf, den Libanon zu verlassen. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock bezeichnete die Lage im Nahen Osten nach dem Tod Nasrallahs als „brandgefährlich“. In der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“ sagte die Grünen-Politikerin: „Es droht die Destabilisierung des ganzen Libanons. Und das ist in keinster Weise im Interesse der Sicherheit Israels“. (dpa)

UN: Zehntausende nach Syrien geflohen

Seit Ausbruch der Kämpfe zwischen der Hisbollah und dem israelischen Militär vor fast einem Jahr wurden den Behörden zufolge mehr als 1.600 Menschen im Libanon getötet, darunter rund 300 Frauen und Kinder. Ein Großteil starb bei israelischen Angriffen in den vergangenen zehn Tagen. Nach UN-Angaben flohen bisher mehr als 50.000 Menschen ins Bürgerkriegsland Syrien. In Abstimmung mit beiden Regierungen seien Hilfsaktionen im Gange, um allen Bedürftigen zu helfen, teilte der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Filippo Grandi, auf X mit. Zudem seien mehr als 200.000 Menschen im Libanon Binnenflüchtlinge.

Das israelische Militär hat die Menschen in Teilen des Libanons aufgefordert, sich von Hisbollah-Einrichtungen fernzuhalten und sich in Sicherheit zu bringen. Die Warnung gilt für die Bewohner der Bekaa-Ebene im Osten des Landes, für die südlichen Vororte Beiruts und für den Südlibanon. Viele Menschen in den von der Hisbollah kontrollierten Gebieten wissen aber oft nicht, welche Gebäude von der Miliz genutzt werden.

In der Nacht heulten im Norden Israels unterdessen wieder die Warnsirenen. Auch im Zentrum des Landes war zuvor erneut Raketenalarm ausgelöst worden. In Tel Aviv ertönten die Warnsirenen als Reaktion auf ein Geschoss aus dem Jemen, wie die Armee mitteilte. Es wurde demnach noch vor dem Erreichen des israelischen Hoheitsgebiets abgefangen. (dpa)

Soforthilfeaktionen im Libanon

Das UN-Welternährungsprogramm (WFP) hat infolge der Eskalation des Konflikts zwischen Israel und der schiitischen Hisbollah-Miliz eine Soforthilfeaktion zur Versorgung von bis zu einer Million Menschen mit Nahrungsmitteln im Libanon gestartet. WFP-Teams vor Ort verteilten warme Mahlzeiten, Lebensmittelrationen und -pakete sowie Brot an Menschen in Notunterkünften, hieß es in einer Mitteilung der Organisation.

Bisher habe man 66.000 Menschen mit der Hilfe erreichen können. Das WFP bereite sich nun darauf vor, bis zu einer Million Menschen mit Nahrungsmitteln zu unterstützen. Dafür seien auch Küchen im Norden und Zentrum des Libanons eingerichtet worden, um dort leichte Mahlzeiten zuzubereiten, die an die Bevölkerung in Notunterkünften geliefert werden sollen.

„Der Libanon ist an einem Wendepunkt angelangt und kann keinen weiteren Krieg mehr ertragen“, sagte Corinne Fleischer, WFP-Regionaldirektorin für den Nahen Osten. Um die Maßnahmen im Libanon fortsetzen zu können, benötige das WFP bis Ende des Jahres 105 Millionen US-Dollar. „Das WFP ist vor Ort, aber wir brauchen dringend Mittel“, so Fleischer. (dpa)

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3 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Der Logik der Außenministerin folgend, hat die Anwesenheit von Herrn Nasrallah dann vorher zur "Stabilisierung der Lage" beigetragen. Wenn man die erfolgreiche Etablierung einer iranischen Besatzungsmacht im Libanon als Stabilisierungsfaktor sieht, kann man das natürlich so einschätzen. Täglicher Raketenbeschuss ist ja dort unten irgendwie auch normal. Ich spekuliere mal, dass die die Libanesen das vermutlich anders sehen - von den Israelis rede ich erst gar nicht.

  • Michaela Dudley , Autorin , Journalistin/Kabarettistin

    Hamas, Hisbollah, Huthi & Co. haben keinen Platz auf der Weltkarte des 21. Jahrhunderts. Es ist wirklich schade, dass viele erklärt Progressive jene Terrororganisation nicht als existenzielle Bedrohung für die westliche Demokratie und für liberale Werte betrachten. Wer genau hinschaut, müsste wahrnehmen können, dass die obigen Vereine den rechtsextremen, patriarchalischen Fundamentalismus schlechthin verkörpern.

    Wenn man bei dieser Voreingenommenheit auch noch dazu voller Entsetzen vor der „Destabilisierung“ warnt, nur deshalb, weil Israel robust zurückschlägt, fällt eine Sache insbesondere auf. Am 7. Oktober 2023 gab es in denselben Kreisen irgendwie keine Kassandrarufe. Wer hat es damals geschafft, die Zähne auseinander zu kriegen? Wer hat begriffen, dass der Terrorangriff der Hamas auf Israel, der den tödlichsten Massenmordanschlag auf das Judentum seit dem Holocaust beinhaltet, den jüdischen Staat massiv destabilisieren könnte?

    Israel wartet nicht auf das „grüne“ Licht der Bedenkenträger:innen, sondern schafft Tatsachen mit menschenmöglicher Präzision. Das ist auch gut so, Denn jer jüdische Staat muss niemandem Rechenschaft ablegen, um sein eigenes Volk zu schützen.