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Nachhaltigkeit von Open-Air-FestivalsVolle Möhre wild und öko

Sommer ist Festivalzeit. Immer mehr Veranstaltungen setzen auf Komposttoiletten, vegetarische Kost und umweltfreundliche Konzepte.

Festival-TeilnehmerInnen beim SonneMondSterne-Festival Foto: dpa

Berlin taz | Zigarettenstummel, Kronkorken, Plastikteller und -gabeln: Wenn Zehntausende Musikbegeisterte im Sommer tagelang im Freien feiern, entsteht gut mal so viel Abfall wie in einer Kleinstadt mit gleicher Einwohnerzahl im ganzen Jahr. Und weil die besten Festivals oft in abgelegenen Ortschaften wie Lärz oder Schönwalde veranstaltet werden, reisen die Feierlustigen am liebsten mit dem Auto an und produzieren so fröhlich Stickoxide, Kohlendioxid und andere Emissionen.

Beim Elektromusikfestival „Wilde Möhre“ in der Nähe von Cottbus an diesem Wochenende war das anders. Die rund 6.000 BesucherInnen ließen sich mit Bus und Bahn auf das Gelände fahren, und zwischen den Bühnen türmten sich auch keine Abfallberge. Stattdessen standen Plastik-, Reste- und Glas­eimer für die pflichtbewusste Mülltrennung nicht nur bereit – sie wurden größtenteils auch genutzt.

Bratwurst- und Boulettenstände suchte man vergebens, angeboten wurde nur Vegetarisches. Selbst auf das Konfetti mussten die Feiernden der Natur zuliebe verzichten. „Wir sind ein umweltfreundliches Festival“, sagt Veranstalter Ludwig Nikolaus. Und die „Wilde Möhre“ ist damit nicht allein.

Immer mehr VeranstalterInnen versuchen, die Natur zu schonen, wenn sie schon Open Airs veranstalten. Heute tanzt man neben selbst gepflanzten Gemüsebeeten, Musik wummert aus ökostrombetriebenen Verstärkern, Bier kommt aus Recyclingbechern und gepullert wird auf Komposttoiletten.

Open-Airs als Experimentierfelder

Die Nachhaltigkeit von Festivals sei in den vergangenen Jahren signifikant gestiegen, sagt Claire O’Neill, Mitbegründerin der Initiative „A Greener Festival“, die sich international für die Förderung umweltschonender Musik- und Kunstfestivals einsetzt. Dafür sei nicht nur das verstärkte Bewusstsein vieler FestivalteilnehmerInnen verantwortlich. Auch neue Technologie erleichterten es, ökologische Standards umzusetzen.

Zwar sind es in erster Linie kleine und nichtkommerzielle Festivals, bei denen Müllpfand und vegetarische Kost zum Standard geworden sind. Schließlich würde es so gar nicht zum alternativen, utopischen Flair solcher Veranstaltungen passen, wenn als Nebeneffekt Mutter Erde leidet. Aber auch die Bilanz einiger großer Festivals wird immer besser.

Auf der größten europäischen Trancemusik-Veranstaltung, der „Boom“ in Portugal mit etwa 33.000 BesucherInnen, fließt das Wasser durch biologische Filter, Strom kommt zum Teil aus Solaranlagen und zwischen den Bühnen sprießen Permakulturgärten. Aufs Gelände des „North Side“ im dänischen Aarhus kommt man seit Jahren vor allem zu Fuß oder mit dem Fahrrad, einen Autoparkplatz gibt es nicht, dafür auf dem Radweg bereits die ersten Insekten-Snacks. Gegrillt wird zwar nicht vegetarisch, aber bio. Der Müll wird händisch noch einmal nachgetrennt.

Jakob Bilabel von der Green Music Initiative, die sich in Deutschland für eine klimaverträgliche Musik- und Entertainmentbranche einsetzt, hält Festivals grundsätzlich nicht für besonders umweltfeindlich: „Festivals sind keine Klimakiller“, sagt er. Man sehe nur deutlicher, wie viel Umweltschäden eigentlich produziert werden. Vor allem aber nutzten viele Veranstalter – und manchmal auch Sponsoren – die Open-Air-Veranstaltungen als Experimentierfelder, um innovative Umweltkonzepte auszutesten.

Mehr Nachfrage als Angebot

Auf dem „Hurricane“ in Scheeßel, das fast 80.000 TeilnehmerInnen anzieht, gibt es Food-Sharing-Stationen und Komposttoiletten. Die Öko-Klos kommen vom Unternehmen Goldeimer, das jährlich 20 Festivals beliefert – die meisten davon Veranstaltungen in einer ähnlichen Größenordnung. „Wenn es nach der Nachfrage ging, könnten wir 50 Events ausstatten“, sagt Malte Schremmer, Mitgründer von Goldeimer. Trotzdem stehe die Branche bei Nachhaltigkeit noch immer am Anfang und unternehme „erste, wichtige Gehversuche“.

Dass solche Versuche auch mal schiefgehen können, zeigt die Zwangsauflösung des „Utopival“-Festivals in Siehdichum bei Frankfurt (Oder) vor knapp zwei Wochen. Dort waren die ambitionierten Öko-Standards der BetreiberInnen mit staatlichen Gesundheitsauflagen nicht vereinbar: Es gab keine Kühlschränke und keine Abfallentsorgung, weil man gar kein Müll produziert wollte.

Zu viel des Guten für das Ordnungsamt, „nicht genehmigungsfähig“, hieß es. Immerhin ließ Amtsdirektor Matthias Vogel Sympathie für das Anliegen durchblicken und bot an, im kommenden Jahr gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Für dieses Mal musste das ­Festival vorzeitig beendet werden.

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14 Kommentare

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  • Ein Festival ist doch ein guter Spiegel bzw. ein gutes Abbild der Gesellschaft, nur ohne Wände und Gardinen, hinter denen man sich versteckt.

    Bei jeder Gartenparty im kleinen Kreis entsteht sicher im Verhältnis der gleiche Müll, man sieht ihn nur nicht.

    • @Wuff:

      Es ist aber ein Unterschied ob 5 Gäste auf einer Gartenparty Kaka im Garten machen oder 5000 ;-)

  • Das Problem bei der Ganzen Sache ist die Entsorgung des Mülls und der Fäkalien. Natürlich sind die Fäkalien von 80.000 Festivalteilnehmern öko. Aber das ist die Gülle von 80.000 Schweinen auch. Was dabei auch gleich ist; Die Nitratverschmutzung des Grundwassers, die Verschmelzung der Oberflächegewässer, die Anreicherung von Nährstoffen in Biotopen.

  • verstehe nicht ganz warum so ein wert auf vegetarisch gelegt wird, hat für mich nicht viel mit ökologisch zu tun ob nun wurst oder tofu aufn grill landet. wichtiger ist doch wie es hergestellt wurde und was damit gemacht wird.

    die gaststätte neben der wilden möhre hat zu der zeit einen guten absatz an schnitzel übrigens^^

     

    was anders was nen negativen beigeschmack hat sind die preise. 100 euro für 2,5 tage sind happig und erwecken den eindruck des typisch eliten grünen. mit genügend geld kann man moralisch besser sein. als anwohner hat es ein beigeschmack von das da nur das wohlhabende zu uns kommen im abgesperrten bereich sich feiern und wieder abhauen. vorbildfunktion bleibt da nicht so viel was anstecken könnte. eher dieses öko ja aber sozial ne.

    • 8G
      85198 (Profil gelöscht)
      @JFSebastian:

      Zusätzlich zu Atalayas Argument:

      Bei Festivals sieht die Ernährung auch mal leicht so aus, dass sie fast nur aus Bratwurst und Steak mit Brötchen besteht, 3 Tage lang schon zum Frühstück.

      Zum Preis: kommt auf das Festival an. DIY-Festivals kosten viel weniger als kommerzielle und wer gar kein Geld hat, kann oft (wie bei der Fusion) seine Arbeitskraft gegen den Eintritt und freie Kost tauschen. Vorausgesetzt, man kümmert sich rechtzeitig drum.

    • 8G
      849 (Profil gelöscht)
      @JFSebastian:

      Für Tierwurst verbraucht man mehr viel mehr Ressourcen als für Tofuwurst.

      • @849 (Profil gelöscht):

        Und wo kommt das Sojazeug für deine Tofuwurst her??

        Ich stimme JFSEBASTIAN schon zu... Und vegetarische Kost als Standard einführen zu wollen halteich immer noch für grenzwertig... Hat so'n elitären Beigeschmack...

         

        Zum Kommentar: Müllpfand ist nichts Neues, ich kenne das seit meinen ersten Festivals 2004, und seinerzeit noch auf Riesenveranstaltungen wie dem Wacken, wo damals schon 50-60tausend Leute waren...

        • 8G
          85198 (Profil gelöscht)
          @Ano Nym:

          Das Sojazeug für mein Sojazeug kommt aus Deutschland oder Österreich.

          Das kann man an ein Schwein verfüttern - oder aber auch selber essen. Auch dann,wenn man nicht komplett auf Fleisch verzichten will.

  • Steile These gleich zu Beginn. Der durchschnittliche Deutsche produziert 212 kg Verpackungsmüll im Jahr. Das soll ein Festivalbesucher an einem Wochenende zusammen bekommen?

  • 8G
    80576 (Profil gelöscht)

    Warum beschleicht mich bei so tadellosem Verhalten ein Gefühl des kalten Grauens?

    • @80576 (Profil gelöscht):

      @Leser77

      Ja echt gruselig was sich manche Leute da so ausdenken. Wahrscheinlich machst du dir beim Anblick einer wiederverwendbaren Baumwolltragetasche auch gleich in die Hose...

  • Nachdenkfrage: Wenn 80.000 Festivalteilnehmer auf einen Haufen kacken und pissen, ist dort nach einer Woche schon ein Erdhaufen? ;-)

    • 6G
      61321 (Profil gelöscht)
      @Rudolf Fissner:

      Rudolf, noch nie was von EM gehört?

      Damit hat mir schon mal jemand zu Demozwecken mein geschätztes Opinel binnen Stunden zersetzt ;)

      I was not amused.

      • @61321 (Profil gelöscht):

        Wolf, schon mal was von Zauberei gehört?

         

        Es gibt keine coolen Houdini Mikroorganismen, die keine Abbauprodukte hinterlassen. Die Agrarindustrie wäre so was von Happy wenn sie so einfach - wie Du dein Opinnel - ihre vollgepissten Kack-Problem loswerden könnte.