Nachhaltiges Reisen: Mein Weg entsteht beim Gehen
Wer Flugscham ernst nimmt, muss mit Konsequenzen rechnen. Das erfährt derzeit der Forscher Gianluca Grimalda, der deswegen seinen Job verloren hat.
D er Wissenschaftler Gianluca Grimalda, 51, will nicht mehr fliegen – fürs Klima. Weil er deshalb nicht rechtzeitig von einer Forschungsreise in Papua-Neuguinea zurückkam, feuerte ihn das Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW). Die taz begleitet ihn auf seiner Reise per Schiff, Bus und Bahn zurück.
Seit zehn Tagen stecke ich nun in dem kleinen Hafen von Rabaul auf Ost-Neubritannien in Papua-Neuguinea fest. Zehn Tage ohne Bewegung, zehn Tage, in denen ich den Hafen nur gelegentlich und immer nur mit Begleitschutz verlassen konnte. An Land bekämpfen sich zwei rivalisierende Clans, ich könnte als Geisel enden. Es fühlt sich klaustrophobisch an.
In meiner Kabine auf dem Transportschiff, das mich hierhergebracht hat, habe ich mir einen kleinen Arbeitsplatz eingerichtet. Hier arbeite ich tagsüber an meinem Laptop, organisiere die Daten aus meiner Feldforschung und überarbeite bereits geschriebene Studien. Die Arbeit gibt mir Halt.
In den nächsten Wochen will ich mit der Fähre und auf dem Landweg durch Papua-Neuguinea und Indonesien bis nach Singapur reisen. Wie viele Tage ich dafür brauche, weiß ich noch nicht.
„Ich bleibe optimistisch“
Als Slow-Travel-Veteran bleibe ich vorerst optimistisch. Bereits 2016 bin ich von Hongkong über Land nach Italien gereist. Damals hatte ich einen detaillierten Reiseplan, weil ich für mein Visum für Tadschikistan genau Ein- und Ausreisedaten angeben musste. Ohne Verspätungen habe ich es bis nach Bari im Süden Italiens geschafft. Erst ein Schneechaos, das dort alle Züge zum Stillstand brachte, durchkreuzte am Ende meinen Plan.
Welche Fähren, Busse und Züge mich nach Singapur bringen werden, weiß ich noch nicht. Immer wieder bekomme ich von den Menschen vor Ort unterschiedliche Informationen. In einer Weltregion zu reisen, in der es keine Onlinebuchungssysteme und nur gelegentlich feste Fahrpläne gibt, in der ohnehin viele Menschen erst selten ihr eigenes Dorf verlassen haben, ist herausfordernd. Aber wenn mich die Ungewissheit überkommt, dann erinnere ich mich an diese Zeilen aus einem Gedicht von Antonio Machado: Caminante, no hay camino, se hace camino al andar. Wanderer, es gibt keinen Weg. Der Weg entsteht beim Gehen.
Die Passagierfähre zu meinem nächsten Zwischenstopp, Lae, soll bald ablegen. Weihnachten will ich bei meinem Vater in Mailand sein. Ich weiß, wie sehr er sich darüber freuen würde. Noch gibt es den Weg zu ihm nicht. Aber ich will ihn schaffen, indem ich ihn gehe.
Protokoll: Mitsuo Iwamoto
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter