Nachhaltiger Fischkonsum: Im Dschungel der Ratgeber

Welchen Fisch kann man kaufen? Orientierung geben verschiedene Ratgeber und Zertifikate, die sich teilweise widersprechen.

Frischer Hering und Scholle liegen in den Plastikkisten eines Großhändlers im Fischmarkt Hamburg Altona.

Nachhaltig gefangen oder nicht? Man sieht's den Fischen nicht von außen an Foto: dpa

HAMBURG taz | Beim Fischkauf sind viele ratlos. Was die einzelnen Siegel bedeuten und für was sie stehen, ist ihnen unklar. Auch über die Herkunft machen sich die wenigsten Gedanken. Orientierung im Supermarkt versprechen Fischratgeber wie der vom WWF (World Wide Fund for Nature) und von Greenpeace. Auch Nachhaltigkeitssiegel des Marine Stewardship Councils (MSC) und des Aquaculture Stewardship Councils (ASC) wollen bei der Kaufentscheidung helfen.

Den aktuellsten Fischratgeber, nämlich von 2019/20, hat momentan der WWF. Durch eine Ampelschaltung – Rot, Gelb und Grün – will er zeigen, unter welchen Umständen welcher Fisch unbeherzt konsumiert werden darf und von welchem man lieber die Finger lässt.

Dabei bekommt etwa der Kabeljau Farben von Grün bis Rot angezeigt. Nicht besonders aufschlussreich. „In der Tat muss sich der Verbraucher etwas reinfuchsen in die Materie Fisch, um eine gute Entscheidung beim Einkauf zu treffen“, sagt der Meeresbiologe Philipp Kanstinger vom WWF. Bei den unterschiedlichen Fangmethoden in den unterschiedlichen Fangzonen sei der Käufer im Supermarkt schnell überfordert. Zudem stünden nicht alle Informationen immer auf der Verpackung. „Siegel bieten da schnelle Orientierung an“, sagt Kanstinger.

Beim Kabeljau bedeutet das laut WWF-Fischratgeber: Lieber nicht zu dem vielfältig verbreiteten Dorsch greifen, wie der Kabeljau als Jungfisch bezeichnet wird und der aus der Ostsee, dem Nordwest- oder Nordost-Atlantik gefischt wird. Eine gute Wahl hingegen stellt laut WWF die Fischerei in der Nordwest-Arktis dar. Dort wird der von der International Union for Conservation of NatureFisch (IUCN) als „gefährdet“ eingestufte Kabeljau nachhaltig gefischt, mit Kiemennetzen und Langleinen. Kiemennetze, zu denen Stellnetze gehören, sind selektivere Fangmethoden. Sie haben dadurch wenig Beifang. Zweite Wahl ist der Nordsee-Kabeljau, der auch mit Kiemennetzen gefangen wird.

Bei Greenpeace nur noch Rot

Blickt man allerdings auf die Fisch-Einkaufshilfe von Greenpeace, die auf dem Stand von 2016 ist, wird Kabeljau generell als rot eingestuft. Ausnahmen beinhalten die von Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen benannte Fangzone 27, den Nordost-Atlantik. Genau dieses Gebiet ist wiederum beim WWF-Ratgeber rot markiert.

Noch deutlicher wird das Orientierungsproblem beim Alaska-Seelachs. Der „kleine Bruder“ des Kabeljaus hat mit den Lachsfischen gar nichts zu tun. Er gehört zur Dorschfamilie, ist somit dem Kabeljau nahe. Während er im WWF-Handbuch die Farbe Gelb trägt und aus dem Nordwest-Pazifik die zweite Wahl darstellt, findet man ihn im Greenpeace-Ratgeber unter der Farbe Rot – ohne Ausnahmen. Dasselbe gilt bei WWF und Greenpeace für Dornhai und Aal.

Als unbedenklich gilt dagegen beiden Organisationen der heimische Karpfen – ausnahmslos. Für den WWF gilt zudem der Wels und die Auster, am besten zertifiziert, als nachhaltiger Kauf.

Das Nachhaltigkeits-Siegel MSC wurde 1997 von Unilever, einem der weltweit größten Verarbeiter von Fisch, und dem WWF gegründet. Mittlerweile agiert die internationale Non-Profit-Organisation mit Sitz in Berlin unabhängig. Die drei größten Ziele des MSC sind der Erhalt von Fischbeständen und gesunden Meeren, Sicherung von Fisch als Nahrungsquelle sowie Quelle des Lebensunterhalts der in der Fischerei Beschäftigten. Als drittes Ziel will der MSC die globale Fischerei nachhaltig machen.

Das Siegel bezieht sich allerdings nur auf wildlebende Meerestiere. Deshalb werden Fische aus Aquakulturen sowie Süßwasserfische wie Lachs, Karpfen, Forelle und Aal nicht vom MSC-Siegel erfasst. Damit ist auch die Zertifizierung ausgeschlossen.

Nachhaltigkeits-Siegel in der Kritik

Hier kommt das ASC-Siegel ins Spiel: Um für Fische aus Aquakulturen ein vergleichbares Logo zu gewährleisten, wurde es 2010 ebenfalls vom WWF eingeführt, zusammen mit „The Sustai­nable Trade Initiative“ aus den Niederlanden. Sie verfolgen damit das Ziel, für verantwortungsbewusste Fischzucht und Fischfarmen einen globalen Standard zu setzen.

Sowohl das MSC- als auch das ASC-Siegel sind von mehreren Seiten wie zum Beispiel dem Nabu als nicht weitreichend genug kritisiert worden. Für Philipp Kanstinger vom WWF sind Zertifizierungen von MSC oder ASC jedoch immer noch besser als keine Zertifikate. Denn die 90 Prozent nicht zertifizierten Fischereien seien es, „die den größten Raubbau an unseren Meeren zu verantworten haben“, sagt er. MSC- und ASC-Siegel sollten daher konventionellen Produkten vorgezogen werden.

„Bei einem MSC-Siegel kann der Verbraucher sicher sein, dass nicht illegal gefischt wurde“, sagt Kanstinger. Dennoch sei nicht jede zertifizierte Fischerei nachhaltig. „Die Fischereien bekommen bereits bei Erreichung der Minimalanforderungen die Zertifizierung“, erklärt Kernstinger. Das genüge nicht.

Zertifikat trotz Grundschleppnetzen

Als Beispiel nennt er den Granatbarsch: Mit Grundschleppnetzen werden sie an unterseeischen Bänken und Seebergen gefangen. Grundschleppnetze werden über den Meeresboden gezogen und scheuchen dabei auf dem Grund lebende Fische auf, die dann als Beifang im Netz landen. Bei dieser Fangmethode wird auch der Meeresboden durchwühlt. Trotzdem kann die Delikatesse Granatbarsch MSC-zertifiziert sein.

Wer nachhaltig Fisch genießen möchte, wählt also am besten den zertifizierten. Bei nicht zertifiziertem lohnt ein Blick in die Fischratgeber. Wer wirklich sicher gehen will, muss sich selbst informieren.

Im Übrigen steht hinter der Nachhaltigkeit von Fischprodukten der Wunsch, auch in Zukunft noch Fisch essen zu können. Wie aber wäre es, den Fisch nicht für den Menschen, sondern für den Fisch selbst zu erhalten? Auf die Idee kommen bisher nur wenige.

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