Nachhaltige Landwirtschaft: Saftige Versprechen
Über das Internet Obst und Gemüse direkt vom Feld bis an die Haustür bestellen – das soll besonders nachhaltig und fair sein. Stimmt das? Ein Ortsbesuch in Spanien und Griechenland.
W enn man auf der griechischen Halbinsel Peloponnes in die Region Argolida fährt, wird man von unzähligen Orangenbäumen begrüßt: Angelegt in Monokulturen bilden sie einen Teppich aus saftigem Grün, der sich über die hügelige Landschaft nahe der Küste am Mittelmeer zieht. In den 1950ern war hier alles voll mit Tomaten, dann brachte ein Priester Orangen mit und versprach, dass sie den Bauern mehr Erträge bringen würden, so wird es in der Gegend erzählt. Die Bauern wechselten zu der süßen Zitrusfrucht, die noch immer die Landwirtschaft dominiert.
Haben die Orangen die Bauern reich gemacht? Landwirt und Unternehmer Giorgos Stergiou lacht. „Der Beruf des Bauern ist sehr hart“, sagt er. Es ist seine Lebensaufgabe, die Landwirtschaft in der Gegend zu transformieren, nachhaltiger zu gestalten und die Erträge zu verbessern. Auch Stergious Eltern bauen Orangen an, seit den 90ern sogar in Bioqualität. Dennoch konnten sie diese nur als konventionelle Orangen zu niedrigen Preisen veräußern. „Es gab keinen Markt, oder wir wussten nichts davon“, sagt Stergious.
Nach dem Studium suchten er und seine Schwester nach Exportpartnern – und stießen auf das Schweizer Unternehmen gebana. Das Konzept: Bio, fairer Handel und Direktvermarktung vom Feld bis auf den Teller. In den Jahren 2012 und 2013 verkauften die Geschwister 50 Tonnen Orangen an das Unternehmen und gründeten kurz darauf die Firma Anyfion, die seit 2020 zu 20 Prozent gebana gehört.
Heute verkaufen 93 Bauernfamilien in Argolida ihre Zitrusfrüchte, Trauben, Melonen, Kiwis und Oliven über den Onlineshop des Schweizer Unternehmens. Anyfion hält den Kontakt, stellt Geräte, hilft bei der Umstellung auf Bio und verkauft auch Biodünger an die Bauernfamilien. „Das Interesse ist groß“, sagt Stergiou, „immer mehr wollen bei uns mitmachen und die Mitglieder wollen, dass wir mehr von ihrer Ernte kaufen.“ Anyfion setzt darauf, möglichst alle Interessenten aufzunehmen, dafür aber nicht die ganze Ernte abzunehmen. So können dennoch mehr Bauernfamilien insgesamt profitieren. „Mein Ziel ist es, den Bioanbau in der Region auszuweiten“, sagt Stergiou.
Nach dem Modell erhalten sie mehr als andere Erzeuger*innen. Zum einen durch die Umstellung auf Bio. Während für konventionelle Orangen im Durchschnitt 20 Cent pro Kilo von den Abnehmern gezahlt wird, sind es 36 Cent für ein Kilo Bioorangen – von anderen Abnehmern. Zusätzlich zahlt gebana eine Prämie von 10 Prozent des Umsatzes aus dem Onlineshop zurück an die Bauern. Insgesamt wurden 2022 etwa eine halbe Million Euro an die Bauernfamilien in Griechenland zurückgezahlt, im Durchschnitt 5.800 Euro pro Betrieb.
Ebenfalls zwischen Orangenhainen, aber diesmal nahe Valencia in Spanien, entwickelte ein weiteres Geschwisterpaar die Idee zu der größten Plattform für die Direktvermarktung von Ökofrüchten-, gemüse und -fertigprodukten in Europa, genannt CrowdFarming. Das Start-up ist nach nur sechs Jahren zu einem Betrieb mit rund 200 Mitarbeitern gewachsen, die meisten davon sind im Hauptsitz in Madrid täig. „250 Landwirte mit 400 Projekten gehören der Plattform an“, erklärt Gabriel Urculo, der zusammen mit seinem Bruder Gonzalo auf die Idee zu CrowdFarming kam. Der Direktversand bietet neue Absatzmärkte. „85 Prozent der Mitglieder bei CrowdFarming haben bei einer Umfrage angegeben, dass sie mehr umsetzten als zuvor“, weiß Urculo.
Die Brüder haben selbst einen landwirtschaftlichen Betrieb: Naranjas del Carmen. Ursprünglich kultivierten sie nur Orangen, die im Winter geerntet werden; mittlerweile produzieren sie auch Olivenöl, Mandeln, Granatäpfel, Kakis und im Sommer sogar Tomaten. Sie haben sich breiter aufgestellt, damit sie das ganze Jahr über Produkte anbieten können. „Tomaten sind vielleicht nicht das Naheliegendste für den Fernverkauf und auch nicht allzu rentabel, aber dadurch ernten wir auch im Sommer und können unsere Belegschaft das ganze Jahr über beschäftigen“, sagt Urculo. 68 Mitarbeiter zählt Naranjas del Carmen. Sie bestellen über 400 Hektar Land.
Naranjas del Carmen liegt in Ostspanien, keine 30 Autominuten von Valencia entfernt in der Ebene zwischen Mittelmeer und Küstengebirge. Die Gebrüder Urculo haben den alten Familiensitz – eine Masía, wie hier die typischen Landhäuser heißen – wieder hergerichtet. Neben Raum zum Wohnen bietet das Gebäude Platz für weiträumige Büros. In einem kleinen Wirtschaftsgebäude stehen Bänder, an denen Orangen und andere Früchte verpackt werden. „Von hier geht es dann im großen Trailer zum Logistikzentrum von CrowdFarming in Valencia und von dort in den internationalen Versand“, sagt Urculo. Der größte Absatzmarkt ist Deutschland.
Das Besondere an CrowdFarming ist schon im Namen enthalten: „Der Konsument kann Farmer werden“, sagt Urculo. Wie? Die Bauern der Plattform bieten die Möglichkeit, Bäume zu adoptieren, egal welcher Art. Im Orangenhain hängen überall Namensschildchen aus Metall an den Bäumen. 80 Euro kostet ein Baum pro Jahr, als Gegenleistung gibt es die Ernte, die bei rund 80 Kilogramm Orangen liegt. Ein Olivenbaum kostet 65 Euro im Jahr und produziert 5 Liter Bioöl. „Immer wieder kommen Kunden, die adoptiert haben, vorbei, um ihren Baum zu besuchen“, sagt Urculo. 23.000 seiner Orangenbäume und 16.000 seiner Olivenbäume wurden bisher adoptiert.
Zurück in Griechenland: Sofia Serafim und Kostas Nikolau besitzen etwas mehr als eineinhalb Hektar Clementinenbäume in Argolida. Er ist Feuerwehrmann, sie leitet die Kantine der örtlichen Schule. Den Familienbetrieb wollen sie erhalten. Vor vier Jahren haben sie mit Unterstützung von Anyfion auf Bioanbau umgestellt. „Ich wollte mit der Chemie aufhören“, sagt Nikolau. Anfangs war er unsicher, ob die Umstellung gelinge würde, ob es Verluste gäbe. „Immer noch wissen viele Bauern nicht, dass die Chemie schädlich ist“, so Nikolau.
Seine Nachbarn und Freunde konnte er aber überzeugen. „Sie sahen, dass ich sogar bessere Erträge als sie hatte nach der Umstellung.“ Aber es ist nicht leicht, der Bioanbau erfordert mehr manuelle Arbeit, mehr Pflege. „Man kann nicht einfach über alle Bäume Pestizide spritzen, und gut ist“, sagt er.
Ein Beispiel in diesem Herbst: Zwischen Nikolau und Serafim hopsen Grashüpfer herum. Nikolau zeigt auf den Schaden, den die kleinen Tiere anrichten: angefressene, verkrümmte Blätter. Der Baum braucht mehr Energie für neue Blätter, und die Früchte werden kleiner. Die beiden Landwirte suchen alles nach Eiern ab, um sie einzeln zu zerstören. „Aber die Bäume haben auch weniger Krankheiten, seit wir umgestellt haben“, sagt Nikolau.
Und dann gibt es Probleme, die alle Erzeuger*innen haben, die zunehmenden Dürren im Sommer, angetrieben durch den Klimawandel, der Frost im Winter. Die Kund*innen tragen das alles mit: kleine oder hässliche Clementinen, sie werden informiert über Ernteausfälle durch Frost oder über gestiegene Transportkosten. Die acht Mitarbeiter*innen von Anyfion sind in ständigem Kontakt mit den Bauern und ansprechbar bei Problemen. Auch CrowdFarming arbeitet nach diesem Prinzip.
Pascual Cabedo baut 30 Kilometer westlich von Naranjas del Carmen in Spanien auf 50 Hektar Avocados an, die auf der Plattform verkauft werden. Er hat Besuch von Carolina Vázquez, der Betreuerin von CrowdFarming. „Wir halten den Kontakt mit den Kunden, verschicken Mails, damit der Endverbraucher immer über ‚seinen Bauern‘ auf dem Laufenden ist, egal ob gute Nachrichten oder schlechte Nachrichten“, sagt die junge Frau. „Wir bieten dem Bauern so die Möglichkeit, seine eigene Marke zu schaffen. Bindungen mit dem Kunden aufzubauen“, sagt Vázquez.
60 Informatiker*innen hat CrowdFarming, um die Plattform so persönlich wie möglich zu gestalten. Auch Cabedo hat immer wieder Besuch von denen, die Bäume adoptiert haben. CrowdFarming nimmt 16 Prozent Kommission und die Kosten für die Logistik. Der Rest des Verkaufspreises geht direkt an ihn.
Cabedo stieg kurz vor der Covid-Pandemie bei der Plattform CrowdFarming ein. „Ich verkaufe nicht die gesamte Produktion darüber, aber immer mehr“, sagt der 52-Jährige, der die Ländereien, die einst seinem Großvater gehörten, nach und nach per Kauf erweiterte. La Salada heißt seine Finca bei CrowdFarming. 4.000 seiner Bäume sind adoptiert worden. Aber die Kunden können auch direkt bestellen, solange er Früchte hat. „Was per CrowdFarming ins Ausland verschickt wird, kommt dort so unschlagbar frisch an. Da kann keine Supermarkt-Avocado mithalten“, ist er sich sicher. „Montags am Baum, freitags schon in Deutschland in der Salatschüssel“, fügt Cabedo hinzu.Er setzt auf modernste Bewässerungstechnik. Seine neueste Errungenschaft: ein System aus Sensoren, die den Wasserbedarf direkt am Stamm des Baumes messen und so die Bewässerung steuern.
Was er nicht über CrowdFarming loswird, verkauft er unter seiner eigenen Marke Cabesan an Geschäfte in der Region. Da er nie über Zwischenhändler geht, verdient Cabedo an seinen Avocados damit über die Plattform CrowdFarming. „Wer an Großhändler verkauft, bekommt rund 30 Prozent weniger und hat so gut wie keine Abnahmegarantie“, sagt der Bauer. Pro Kilo ist das ein Unterschied von etwa einem Euro: Vom Großhandel bekomme er pro Kilo rund 2,50 Euro; wenn er direkt vermarkte, verdiene er 3,50 Euro.
CrowdFarming hat für Cabedo zwei deutliche Vorteile. „Adoptierte Bäume bedeuten eine sichere Abnahme der Früchte, und ich verkaufe Kisten mit Avocados in allen Größen, so wie sie am Baum wachsen“, sagt er.
Was an Geschäfte geht, muss hingegen ein EU-weit festgelegtes Standardmaß haben. Avocados, die das nicht erfüllen, sind auf diesem Weg unverkäuflich. Wenn dennoch etwa Avocados übrig sind, weil sie Dellen haben oder schlecht geformt sind, dann produziert Cabedo damit Creme oder Guacamole. „Weggeworfen wird so gut wie nicht“, sagt er. 100.000 Kilogramm produziert er im Jahr. 60 Prozent davon gehen mittlerweile über CrowdFarming zum Endverbraucher vor allem in Deutschland, Österreich und Frankreich. Die Nachfrage steigt.
Auch Anyfion-Chef Giorgos Stergiou in Griechenland hat es geschafft, mehr von seiner Ernte an die Kundinnen zu bringen. Während die bekannten EU-Gurkennormen abgeschafft wurden, gibt es noch Standards für den Export von Zitrusfrüchten: die EU-Regulierung 543/2011.
Danach müssen die Früchte eine Mindestgröße und eine schöne Oberfläche ohne Kratzer haben. Im März 2020 wandte sich Stergiou deswegen an das Landwirtschaftsministerium in Griechenland und bat um eine Ausnahmeregelung. Das Ministerium schrieb der EU-Kommission. Drei Monate später kam die Antwort: Eine Ausnahmeregelung sei möglich, wenn auf der Verpackung der Produkte „zur Verarbeitung bestimmtes Produkt“ geschrieben stünde.
Mit einem solchen Aufkleber werden die Kisten aus Argolida seither verschickt inklusive kleiner und weniger schöner Zitrusfrüchte. Auch dadurch haben die Anyfion-Bäuer*innen noch einmal die Erträge erhöhen können, sie mussten weniger Orangen an die Saftindustrie verkaufen, die deutlich schlechter zahlt.
Für die Ernte beschäftigt Pascual Cabedo Frauen aus dem Dorf, sie bekommen den Mindestlohn. Ein kritischer Punkt bei gebana sind die Landarbeiter, denn zu ihnen dringt noch wenig von den besseren Erträgen der Landwirte durch, sie sind nicht Teil der Beziehung zwischen Kunden und Erzeuger*innen. Zum einen ist ihre Situation volatil, sie bleiben oft nur für eine Saison und ziehen dann weiter. Zum anderen sind die Probleme komplex, sie hängen an der Migrationspolitik. Ein bisschen mehr verdienen sie bei Anyfion schon, für ein Kilogramm Clementinen bekommen sie in der Regel 8 Cent, Anyfion- Landwirte zahlen 9 Cent.
Ein guter Pflücker verdient so etwa 40 Euro am Tag, dazu Essen und Unterkunft. „Mehr geht nicht“, sagt Bauer Nikolau. Und Anyfion-Geschäftsführer Stergiou fügt hinzu: „Selbst bei 1 Cent mehr haben sich die umliegenden Landwirte beschwert, dass wir die Preise hochtreiben.“
Ein Problem sei auch, dass es zu wenige Landarbeiter gebe. Anyfion setzt sich mit dem Problem auseinander, das Unternehmen hat eine Stelle eingerichtet, die sich mit Fragen der sozialen Gerechtigkeit für Landarbeiter*innen und Nachhaltigkeit auseinandersetzt. Ähnlich wie Naranjas del Carmen es bereits macht, wollen sie Wege finden, wie Landarbeiter*innen ganzjährig beschäftigt werden können, sodass ihre Erträge steigen und sie mehr Sicherheit haben.
Ein Vorteil gegenüber den großen Farmen, die Discounter beliefern: gebana setzt auf kleine Betriebe, ihr Bezug zu den Landarbeitern ist dadurch direkter. Im Durchschnitt bestellt eine Erzeugerin in sämtlichen Lieferländern etwa 5,5 Hektar Land. Außer aus Griechenland bezieht das Schweizer Unternehmen Lebensmittel auch von Tochterfirmen in Togo, Burkina Faso und Brasilien.
Auch ein weiteres Projekt könnte helfen: Stergiou möchte mehr Biodiversität beim Anbau und nicht mehr die traditionellen Monokulturen. Auf einem Testfeld probiert Anyfion nach syntropischen Prinzipen, welche Pflanzen gut zusammen wachsen. Dabei wird genau beobachtet, wie eine Art entsprechend ihres biologischen Zyklus und ihrer Physiologie zur Verbesserung der Bodenqualität, des Mikroklimas und zur Erhaltung der Bodenfeuchtigkeit beiträgt – auch im Zusammenspiel mit anderen Arten.
Stergiou hofft, damit langfristig die Wassernutzung zu reduzieren, Zitrusschädlinge und -krankheiten zu minimieren und den Einsatz von Düngemitteln und Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren. Damit könnten die Erträge erhöht werden. Eine Diversifizierung des Anbaus könnte zudem eine Möglichkeit sein, Beschäftigung das ganze Jahr über anzubieten.
Bleibt noch das Thema Ökobilanz: Ein Viertel des weltweiten CO2-Ausstoßes kommt aus der Landwirtschaft. Der CO2-Fußabdruck ist deshalb für CrowdFarming ein wichtiges Thema. „Wir haben 2022 eine Studie in Auftrag gegeben, die genau untersucht, wie groß die CO2-Belastung durch unsere Art der Direktvermarktung im Vergleich zum herkömmlichen Verkauf über Supermärkte ist“, sagt Gabriel Urculo, Mitgründer der Plattform CrowdFarming und Naranjas del Carmen.
Die spanische Beraterfirma Hands On Impact, die unter anderem mit der Universität in Salamanca zusammenarbeitet, hat den Weg von einem Kilogramm Bioorangen, angebaut in Valencia, bis zum Endkunden in Berlin untersucht. Einmal landet das Obst im Supermarkt und einmal per Direktvertrieb vor der Haustür. In beiden Fällen stammen die Orangen von einem Standard-Biobauernhof. In beiden Fällen ist der Transport für mehr als die Hälfte der Gesamtemissionen verantwortlich, gefolgt vom Anbau als solchem und von der Verpackung.
Nach der Anbauphase auf dem Feld erfolgt die Auftragsvorbereitung im Logistikzentrum von CrowdFarming in Valencia. Der Transport besteht aus der Übergabe der Orangen von der Farm an das Logistikzentrum in Valencia, dem Export nach Deutschland bis zum Hub eines der großen deutschen Versandunternehmen in Speyer, von wo aus die Produkte an den endgültigen Bestimmungsort geliefert werden.
CrowdFarming ist bei jedem einzelnen Schritt darauf bedacht, dass die Lieferwägen und Lkws optimal ausgenutzt werden. „Im Jahr 2022 waren die Lkws im Durchschnitt zu 93 Prozent ausgelastet“, heißt es in der Zusammenfassung der Studie.
Der Hauptunterschied liegt im Ablauf der Vermarktung. Im Fall von CrowdFarming beginnen der Ernteprozess und die Reise des Produkts zum Verbraucher erst dann, wenn eine Bestellung eingegangen ist. Der Landwirt erntet nach Bedarf, das heißt, die Orangen warten am Baum – und nicht wie bei der herkömmlichen Lieferkette in einem Kühlraum. Das spart Strom und reduziert somit den CO2-Ausstoß erheblich. Die Orange oder auch andere Früchte und Gemüse brauchen von der Ernte bis zum Verbraucher fünf bis sechs Tage.
Bei einem Umschlag über die Supermärkte liegen Orangen insgesamt bis zu zwei Monate in Kühlkammern nach der Ernte – und später dann im Regal. Im Supermarkt kauft sie der Endverbraucher und nutzt dazu meist seinen Pkw, um ins Einkaufszentrum zu gelangen – während das Kilo CrowdFarming-Orangen die „letzte Meile“ in einem Lieferwagen zurücklegt, der im gleichen Wohngebiet weitere Produkte ausliefert.
„Wir können sehen, dass die CO2-Emissionen in der gesamten Lieferkette im Fall von CrowdFarming bei 0,74 Kilogramm CO2 liegen; 22 Prozent weniger als die 0,95 Kilogramm CO2, die in der Supermarkt-Lieferkette ausgestoßen werden“, lautet das Ergebnis der Untersuchung.
Zu ähnlichen Ergebnissen kommen auch andere Studien, etwa vom Ökoinstitut. Onlinehandel kann durchaus nachhaltiger und emissionsärmer sein, es hängt aber von vielen Faktoren ab. Was bei der Bilanz der Supermärkte negativ ins Kontor schlägt, ist die Lagerung der Produkte und der Stromverbrauch in den Läden, die Verpackung und das Wegwerfen von Produkten. Bei den Onlineshops kommt es besonders auf „die Logistik, das Produktangebot – konkret, inwiefern Produkte aus ökologischer Landwirtschaft angeboten werden – und die Versand- bzw. Auslieferungsverpackungen“ an.
Nach den Kriterien dürften etwa die 40 Kilogramm Bioorangen-Kisten, die für Naranja del Carmen und gebana zur Reifezeit auf Vorbestellung gepflückt und in Transporter geladen werden, deutlich besser abschneiden als viele Supermarkt-Orangen. Bei den 2,5 Kilogramm Tomaten von Naranja del Carmen könnte es schon wieder anders aussehen, da Tomaten vielerorts in Deutschland auch regional erhältlich sind. Da für die letzte Meile Postunternehmen verwendet werden, dürfte aber auch bei geringen Mengen die Transporterauslastung hoch sein.
Und was muss der Verbraucher bezahlen können für die korrekt angebauten Früchte? Ein Kilogramm Biotomaten von Naranja del Carmen kosten 6,74 Euro, 1 Kilo Avocados von La Salada sind für 10,30 Euro zu haben und 1 Kilo Sommerorangen aus Nafplio für 3,38 Euro. Da die Preise von frischem Gemüse und Obst im Supermarkt stark schwanken, ist ein Vergleichswert gar nicht so leicht zu ermitteln.
Auf Straßenmärkten können die Preise wiederum vor Marktschluss noch einmal stark fallen. Ein Vergleich an einem Wochenende mit Bioprodukten auf dem Markt und im Supermarkt zeigt aber, dass die Preise der Onlineplattformen mithalten können. Klar, die Preise für konventionelle Produkte sind manchmal um die Hälfte günstiger. Bioanbau fördern, direkte faire Beziehungen zu Landwirten halten, Investitionen in nachhaltige und soziale Lösungen, kleine Höfe und Bauernfamilien fördern – das alles kostet auch. Die gesellschaftlichen Kosten von konventionellem Anbau dürften jedoch höher sein.
Transparenzhinweis: Die Reise nach Nafplio im Oktober 2022 fand im Rahmen einer Pressereise der Firma gebana statt. Die Reise wurde finanziert und geplant von gebana. Die Recherche in Spanien wurde von der taz finanziert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken