Nachgefragt: Wie Griechenland?
■ Bremens geplante Neuverschuldung verstößt gegen den EU-Vertrag
Finanzsenator Hartmut Perschau (CDU) hat vor einer Woche öffentlich auf die taz-Nachfrage, ob die in der mittelfristigen Finanzplanung für die Jahre nach 2005 eingeplante jährliche Neuverschuldung nicht gegen Artikel 104 des EG-Vertrages verstoße, mit dem Hinweis auf die Landeshaushaltsordnung geantwortet. Danach gibt es für eine Neuverschuldung keine Grenze, solange sie die Investitionssumme nicht überschreitet. Wir fragten dazu den Rechtswissenschaftler und früheren CDU-Geschäftsführer Erich Röper.
taz: Im Interesse der Stabilität des Euro setzt die Währungsunion der Verschuldung ihrer Mitgliedsstaaten Grenzen. Was bedeutet das für Bremen?
Röper: Schon 1992 ist zum Maastricht-Vertrag ein Protokoll über das Verfahren beim übermäßigen Defizit verabschiedet worden. Diese Protokolle sind rechtlich Teil des Vertrages. Unter Bezug auf Artikel 104 des EG-Vertrages legt dieses Protokoll fest, dass die öffentliche Neuverschuldung nicht höher sein darf als drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Das betrifft den Zentralstaat, die regionalen und lokalen Gebietskörperschaften und die Sozialversicherungsträger, also Renten, Pflegeversicherung. Der deutsche Finanzminister Theo Waigel stand damals an der Spitze derer, die das durchgesetzt haben.
CDU-Finanzsenator Perschau hat auf die Frage, ob die eine Milliarde Mark geplanter Neuverschuldung in Einklang zu bringen sei mit dieser Regelung des EG-Vertrages, mit dem Hinweis auf die Landeshaushaltsordnung geantwortet.
Das ist das innerstaatliche Recht. Daneben gibt es das Gemeinschaftsrecht.
Bezieht sich die EU-Grenze von drei Prozent wie die Landeshaushaltsordnung nur auf die Neuverschuldung für konsumtive Ausgaben?
Nein. Die EU-Regelung macht keinen Unterschied zwischen konsumtiv und investiv.
Was bedeutet es, wenn Bremen ab 2005 jetzt schon eine Milliarde Mark Neuverschuldung pro Jahr einplant?
Es gibt noch kein Bundesgesetz, das den Anteil der Gebietskörper und der Sozialversicherungsträger an den Schulden verteilt. Der bremische Anteil am Bruttoinlandsprodukt liegt derzeit bei 42 Milliarden Mark, drei Prozent davon wären 1,26 Milliarden Mark. Wenn das Land Bremen davon eine Milliarde verbraucht, dann dürften die anderen sich den Rest teilen. Das verbietet der kooperative Föderalismus. Wenn zwischen Bund und Land verteilt würde wie die Einkommensteuer mit Abschlägen für die Sozialversicherungsträger, dann läge die Grenze für Bremen bei etwa der Hälfte dieser Milliarde.
Das Verschuldungsproblem wird gerade auch für Griechenland diskutiert.
Natürlich, für jedes neue EU-Mitglied gelten diese Grenzen der Verschuldung. Nach dem Artikel 104 gibt es ein kompliziertes System, das letztlich mit Zwangsgeldern droht. Die müss-te der Bund zahlen. Der Bund muss sich daher gegen eine zu hohe Neuverschuldung Bremens wehren.
Ist dem Bremer Finanzsenator dieses Problem nicht bewusst?
Das kann ich nicht beurteilen.
Fragen: K.W.
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