Nachfolge von Volker Bouffier in Hessen: Fünf Männer und eine Frau

Volker Bouffier will das Amt des Ministerpräsidenten zusammen mit der Führung der Hessen-CDU abgeben. Wer rückt nach?

Portrait von ines Claus

Eine mögliche Kandidatin für die Nachfolge von Volker Bouffier als MP in Hessen: Ines Claus Foto: Arne Dedert/picture alliance

FRANKFURT AM MAIN taz | Der CDU-Senior Volker Bouffier gehört seit 1999 ununterbrochen der hessischen Landesregierung an, seit 12 Jahren als ihr Chef. Für die nächste Woche plant der 70-Jährige seinen letzten Coup. Ohne offenen Streit möchte der dienstälteste Ministerpräsident der Republik seinen Rückzug und die Nachfolge an der Spitze von Landesregierung und -partei regeln.

Als abschreckendes Beispiel gilt der Hessen-CDU der verpatzte Personalwechsel in der Bundespartei. Ein schmerzhafter Machtverlust wie zuletzt bei der Bundestagswahl soll sich im Herbst 2023 nicht wiederholen. Dann wird in Hessen ein neuer Landtag gewählt.

Für kommenden Freitag hat Bouffier alle wichtigen Funktionsträger der Landes-CDU nach Fulda zu einer Klausur geladen: Vorstand, Landtagsfraktion, CDU-Landräte und Regierungsmitglieder sowie die hessischen CDU-Abgeordneten in Bundestag und im Europaparlament. Erwartet werden mehr als 100 Personen, in der Mehrheit Männer.

Aus Parteikreisen verlautet, Bouffier bemühe sich bis dahin‚ in verschiedenen Gesprächsformaten, um eine einvernehmliche Lösung. Bislang ist das Feld der KandidatInnen indes unübersichtlich. Ein Wechsel an der Regierungsspitze mitten in der Legislaturperiode birgt Risiken. CDU und Grüne regieren im Wiesbadener Landtag mit einer Mehrheit von nur einer Stimme.

Die Grünen sind genervt

Routinier Bouffier verbreitet dabei Zuversicht. Schon am Freitagnachmittag soll in der Bischofsstadt weißer Rauch aufsteigen. Für 16.30 Uhr ist die Pressekonferenz angekündigt, bei der wohl der oder die NachfolgerIn und der Zeitplan für den Amtswechsel im Land und in der Partei präsentiert werden soll.

Auch der Grüne Koalitionspartner hofft auf ein klares Signal. Die seit Wochen in der CDU schwelende Personaldebatte habe „etwas Respektloses gegenüber dem Amt, aber auch der Person des Ministerpräsidenten“, monierte zuletzt Grünen-Landtagsfraktionschef Mathias Wagner.

Bis zu seinem Suizid 2020 galt der frühere Landesfinanzminister Thomas Schäfer als wahrscheinlichster Kandidat. Inzwischen werden sechs Namen als mögliche NachfolgerInnen genannt.

Als erster und bislang einziger hat sich der hessische Kultusminister Alexander Lorz, 56, aus der Deckung gewagt. Über die FAZ meldete der promovierte Jurist und ehemalige Hochschullehrer seine Kandidatur an, sollte der Ministerpräsident tatsächlich aufhören wollen.

Helge Braun gilt als chancenlos

Lorz war in der Pandemie als oberster Dienstherr von 60.000 LehrerInnen in Hessen gefordert. Er hat die Krise einigermaßen unbeschadet überstanden und sich dabei seine fröhliche und freundliche Art bewahren können, keine schlechte Eigenschaft für einen künftigen Landesvater. Doch in der Partei gilt Lorz als wenig vernetzt. Ganz anders als Landesinnenminister Peter Beuth, 54, der vor seinem Regierungsamt Generalsekretär der Landes-CDU war.

Beuth, wie Lorz Jurist, gilt indes als schwer vermittelbar. In der Krise der hessischen Polizei, mit rechten Chatgruppen und Datenabfragen von Polizeicomputern für NSU 2.0-Drohschreiben, operierte er nicht überzeugend. Er böte die beste Angriffsfläche für die Oppositionsparteien SPD und Linke, im Wahlkampf wohl auch für die Grünen.

Finanzminister Michael Boddenberg, 62, soll abgewunken haben. Und der ehemalige Kanzleramtschef Helge Braun, 50, gilt nach seinem kläglichen Scheitern im Wettstreit um den Bundesvorsitz der CDU als eher chancenlos.

Dem amtierenden Landtagspräsidenten Boris Rhein, 50, hängt wiederum seine Wahlniederlage als Frankfurter OB-Kandidat 2012 nach. Als Parlamentspräsident hat er sich allerdings inzwischen neuen Respekt verschafft. In schwierigen Situationen, nach den rassistisch und rechtsextremistisch motivierten Morden an neun Menschen in Hanau und an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, suchte er das Gespräch mit den Betroffenen und fand die richtigen Worte. Er gehört dem konservativen Flügel seiner Partei an, wäre also ein Angebot an verlorene CDU-Stammwähler. Gleichzeitig kann er auch gut mit Grünen und SPD.

Der scheidende Ministerpräsident setzt aber wohl eher auf Ines Claus, 44, ebenfalls Juristin, Mutter von drei Kindern und bekennende Katholikin. Vor zwei Jahren drückte Bouffier die Parlamentsnovizin überraschend als seine Kandidatin für den Landtagsfraktionsvorsitz durch. Im Januar rückte sie, wieder auf Vorschlag ihres Chefs, in der Bundespartei als Vizevorsitzende und Präsidiumsmitglied auf.

Claus löste zuletzt Irritationen aus, als sie öffentlich die acht Mitglieder der neuen Bundesregierung anging, die ihren Amtseid ohne Gottesbezug abgelegt hatten. Dabei war ihr wohl entfallen, dass in Hessen auch die vier LandesministerInnen des Grünen Koalitionspartners bei ihrem Amtseid auf die Floskel „so wahr mir Gott helfe“ verzichtet hatten.

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