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Nachdem tausende Schweine verbrannt sindProtest gegen „Megastall“

In einer Schweinezuchtanlage sind 55.000 Tiere verbrannt. So viel Vieh könne nicht gerettet werden, sagen Kritiker und lehnen einen Wiederaufbau ab.

Nach dem Großbrand in der Anlage Alt Tellin ist die Brandursache auch am 6. April weiter unklar Foto: Stefan Sauer/dpa

Berlin taz | Es müssen grässliche Szenen gewesen sein, die sich am 30. März im Dorf Alt Tellin in Mecklenburg-Vorpommern abgespielt haben: 55.000 Schweine verbrannten teils bei lebendigem Leib in einer der größten Schweinezuchtanlagen Europas, deren 18 Stallgebäude in Flammen aufgingen. Viele Sauen konnten dem Feuer nicht entkommen, weil sie in Käfigen („Kastenständen“) steckten, die kaum größer waren als sie selbst. Nur 1.300 Tiere wurden laut der Betreiberfirma LFD Holding gerettet.

Am Freitag forderte der Deutsche Tierschutzbund, einen Wiederaufbau dieser „Ferkelfabrik“ zu verhindern. Mecklenburg-Vorpommerns Agrar- und Umweltminister Till Backhaus schrieb der taz: „Auch ich persönlich würde einen Wiederaufbau nicht unterstützen.“ Das Landwirtschaftsministerium habe bisher keine Anlagen wie in Alt Tellin gefördert und das werde so bleiben, erklärte der SPD-Politiker. Die Grünen verlangten, Anlagen mit so vielen Tieren nicht mehr zu genehmigen.

„Eine Evakuierung in Notsituationen kann bei dieser Masse an Tieren nicht gewährleistet werden“, sagte Friedrich Ostendorff, agrarpolitischer Sprecher der Partei im Bundestag. Auch wegen solcher Vorwürfe klagt der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) seit 2012 vor Gericht gegen die 2010 erteilte Genehmigung der Anlage in Alt Tellin. Doch der Prozess vor dem Verwaltungsgericht ist bis heute nicht abgeschlossen.

Die Anlage wurde von dem holländischen Agrarindustriellen Adrianus Straathof gebaut. Ihm erteilten die Behörden 2014 ein Tierhaltungsverbot, weil Betriebe von Straathof mehrfach gegen den Tierschutz verstoßen hatten. Schließlich wurden seine deutschen Schweinebetriebe an die LFD verkauft.

Eigentümer aus der Schweiz

Will die LFD die Anlage wieder in Betrieb nehmen? „Wir stellen uns diese Frage überhaupt noch nicht“, antwortete ein Sprecher der LFD der taz. Man konzentriere sich erst einmal darauf, die Brandstelle „zu beräumen“. Zur Frage, ob der Brandschutz unzureichend war, teilte die Firma mit, dass die Anlage „stets unter Einhaltung der erteilten Betriebsgenehmigung sowie einer vorliegenden Brandschutzverordnung betrieben“ worden sei. Die LFD gehöre der Schweizer Terra Grundwerte AG, deren einziger Aktionär Thomas-Andreas Strehl sei. Er habe keine Verbindung zu Straathof.

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9 Kommentare

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  • So groß diese Katastrophe auch ist und ich persönlich diese Größenordnung von Ställen für völlig übertrieben halte ist der Stall genehmigt worden und somit auch rechtens. Das größere Problem ist doch das ein solcher Stall im internationalen Vergleich vor allem mit dem USA , Brasilien, Russland aber auch Spaniens ehr klein ist. Und wenn man einen Blick nach China wirft dann sprießen da ganze Schweinestall-Städte aus dem Boden mit Hochhäusern mit 13 Etagen und über 1000 Sauen pro Etage und davon mehrere nebeneinander.

    • @A.J.:

      1) Gesetze werden von Menschen verabschiedet und können folglich geändert werden. Hierbei muss geschaut werden, inwieweit Rahmenbedingungen (Kapitalismus, Speziesismus) das behindern bzw. verhindern.



      2) Dass es woanders noch schlimmer wäre, macht die üblen Zuständen hierzulande nicht besser. Zumal es hier um tierliche Individuen und deren Wohlbefinden und Leben geht. Ich würde meinen, jedes ausgebeutete Tier ist eines zuviel.

      • @Uranus:

        Zu 1 das ist absolut richtig Gesetzt werden von Menschen gemacht und können geändert werden. (Naturgesetze Mal ausgenommen) das bedeute aber auch das sich jeder und auch jedes Unternehmen innerhalb dieser aktuell geltenden Gesetze bewegen, Handeln und Wirtschaften darf. Das hat jeder zu akzeptieren solange er nicht die Mehrheiten hat diese Gesetze zu ändern. Und jeder der Gesetze ändert muss sich über die Konsequenzen bewusst sein. Z.b wanderte leider Produktion in Länder ab die sich einen Dreck um Umwelt und Tierschutz interessieren ab und die Produkte werden um die halbe Welt nach hier hin geflogen oder verschifft und unterlaufen unsere Gesetze.

        Zu 2. Sicherlich lässt sich in punkto Tierwohl hier noch einiges verbessern bisher gibt es leider viel Zuwenig Anreize für die Bauern in teure Ställe und Technik zu investieren und eine Genehmigung für solche Ställe zu bekommen ist auch eine Kunst für sich. Aber Fakt ist er Fleisch essen möchte und die Mehrheit der Bevölkerung tut es der muss damit leben dass dafür Tiere getötet werden und jeder Fleischesser bestimmt mit seiner Kaufentscheidung auch ein Stück weit mit unter welchen Bedingungen Tiere gehalten werden den am Ende wird das erzeugt was gekauft wird. Es steht natürlich jedem zu sich gegen die Nutzung von Tieren auszusprechen also vegan zu leben aber ein Veganer hat keinen Einfluss auf die Haltungsbedingungen von Tieren da der Tierhalter sich nun Mal in den Wünschen seiner Kunden orientiert und nicht an Wünschen von Gruppen die niemals seine Kunden werden. Veganer entscheiden nur über ja oder nein für sie, nicht über wie Tiere gehalten werden und der Großteil unserer Geiz ist geil Bevölkerung sagt klar ja zur Tierhaltung und leider auch ganz klar möglichst billig.

  • Das Ereignis ist eine Folge der aktuellen Tierproduktion. Es ist nur ein kleiner Ausschnitt aus dem leidvollen Leben der Tiere in Deutschland. Allein 763 Millionen Landtiere werden jedes Jahr in Deutschland getötet. Eine große Zahl an Meerestieren sind noch dazu zuzählen. Grausamkeit und Tierleid ist in Deutschland Normalität. Chancen für Veränderungen würden größer werden, wenn mehr Menschen realisieren würden, dass Tiere leidensfähige Individuen sind und keine Waren und maschinelle Erzeuger von Nahrung. Hierbei ginge es bspw. um die Ausweitung durchaus anerzogenen, vorhandenen Bewusstseins , dass mensch Tiere nicht quälen dürfe und das Aufbrechen der fatalen, widersprüchlichen Einordnung in Haustiere und Nutztiere - das Kaninchen zum Streicheln, Schmusen und Sorgen und der im Wesen gleiche Hase zum Essen, die eigne Katze und die für ihr Futter durch "Elektrobad" und Aufschlitzen getöteten Hühner ...

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Man müsste die Betreiber vor Gericht stellen und v.a. Berufsverbot erteilen.



    Ich wünsche mir sogar eine langjährige Haftstrafe.

    • @17900 (Profil gelöscht):

      Für was vor Gericht stellen ?? Haben Sie Beweise für Brandstiftung ??



      Man kann über die Größe dieser Betriebe sicherlich streiten, aber diese Betriebe sind Staatlich erlaubt. Und das es diese Größenordnungen gibt, ist das Erbe des Sozialistischen Landraubes der DDR.

      • @Günter Witte:

        Man muss sich mal die Größen zu Gemüte führen: die Produktionsgenossenschaften



        Volkseigene Güter hatten eine durchschnittlichen Betriebsgröße von 1.385 bzw. 960 Hektar und wurden nach der Wende in anderer Form weiter geführt. wirtschaftslexikon...enschaft-lpg-39073

        Megaindustrielle Landwirtschaft hat im Osten DEs ihre Wurzeln im Sozialismus.

  • Was für eine Katastrophe. Allerdings müssen es auch grässliche Szenen gewesen sein, die sich in der Schweinezuchtanlage am 29. März, am 28. März und an allen anderen Tagen davor abgespielt haben.

  • Warum braucht es erst solche schrecklichen Vorkommnisse, damit solche Verhältnisse (kurz) in Frage gestellt werden?



    Kein normal denkender Mensch versteht, dass es so etwas noch gibt.



    Ständig werden Zuckeranteile ect. in Nahrungsmitteln diskutiert, aber in Bezug auf Tiere und den Umgang mit ihnen existiert Wildwuchs in jederlei Hinsicht (Aufzucht, Transport, Schlachtbetriebe). Und nach jedem „Zwischenfall“ hängt man sich den „Wunderbeutel“ um.