Nach tödlichem Anschlag in Ägypten: Muslimbrüder sind jetzt „Terroristen“

Nach dem Anschlag hat die ägyptische Regierung die Muslimbruderschaft zur Terrororganisation erklärt. Dabei hat sich eine ganz andere Gruppe zu dem Angriff bekannt.

Feuerwehrleute übergeben die Leiche eines Anschlagsopfers an eine Menschenmenge. Bild: ap

KAIRO afp | Einen Tag nach dem blutigen Autobombenanschlag auf eine Polizeizentrale im Norden Ägyptens hat die Regierung in Kairo ihr Vorgehen gegen die islamistische Muslimbruderschaft verschärft. Die vom Militär eingesetzte Übergangsregierung machte die Muslimbruderschaft am Mittwoch für den Anschlag mit 15 Toten verantwortlich und stufte sie in einer Erklärung offiziell als „Terrororganisation“ ein. Künftig seien „alle Aktivitäten“ der Muslimbrüder verboten, auch Demonstrationen.

Ganz Ägypten sei „entsetzt“ über das „hässliche Verbrechen“, dass die Muslimbrüder am Dienstagmorgen im Norden des Landes verübt hätten, hieß es in der Erklärung. Vize-Ministerpräsident Hossam Eissa teilte nach einer Kabinettssitzung mit, dass die Muslimbruderschaft offiziell als „Terrororganisation“ eingestuft worden sei. Alle Mitglieder sollten künftig „bestraft“ werden. Der Minister für soziale Solidarität, Ahmed al-Borei,fügte hinzu, dass künftig „alle Aktivitäten“ der Muslimbrüder verboten seien, vor allem „Demonstrationen“.

Die Muslimbrüder hatten Ende 2011 die Parlamentswahlen gewonnen. Der aus ihren Reihen stammende Präsident Mohammed Mursi wurde im Juli nach nur einem Jahr im Amt vom Militär gestürzt. Seine Anhänger demonstrieren seitdem fast täglich und verlangen Mursis Wiedereinsetzung.

Am frühen Dienstagmorgen hatte ein Attentäter einen mit Sprengstoff präparierten Wagen in die Absperrung vor der Polizeizentrale der Stadt Mansura im Nil-Delta gerammt. 14 Polizisten und ein Passant starben, mehr als hundert Menschen wurden verletzt. Zu dem Anschlag bekannte sich am Mittwoch die islamistische Gruppe Beit Ansar al-Makdess. Die Gruppe, die von der Sinai-Halbinsel stammt und der Terrororganisation Al-Kaida nahesteht, erklärte in einem dschihadistischen Internetforum, ein Selbstmordattentäter habe das Attentat auf die Polizeizentrale verübt.

Bereits de facto Verboten

Regierungschef Hasem Beblawi hatte bereits kurz nach dem Anschlag indirekt die Muslimbrüder verantwortlich gemacht, obwohl diese den Anschlag „auf das Schärfste“ verurteilten, und von einer „Terrororganisation“ gesprochen. Beobachter werteten dies als Hinweis darauf, dass die Behörden vor dem anstehenden Verfassungsreferendum noch härter gegen die Organisation vorgehen könnten. Das Verfassungsreferendum ist nach derzeitigem Stand für den 14. und 15. Januar geplant. Wird die Verfassung vom Volk angenommen, sollen bis Jahresmitte Parlaments- und Präsidentschaftswahlen folgen.

Der Muslimbruderschaft ist per Gericht de facto bereits verboten. Die Behörden werfen der islamistischen Bewegung auch vor, bewaffnete radikalislamische Aufständische auf der von andauernden Unruhen erschütterten Sinai-Halbinsel zu finanzieren und auszubilden. Nahezu die vollständige Führungsriege der Muslimbrüder und tausende andere Islamisten wurden nach Mursis Sturz verhaftet. Bei der Niederschlagung der Proteste gegen Mursis Entmachtung wurden landesweit mehrere hundert seiner Anhänger getötet.

Am Dienstag hatte die Polizei zudem Mursis Regierungschef Haschim Kandil festgenommen. Kandil war noch zu Amtszeiten im April zu einem Jahr Gefängnis verurteilt worden, weil er ein Gerichtsurteil gegen die Privatisierung eines Staatsunternehmens nicht umgesetzt hatte. Im September, zwei Monate nach Mursis Sturz durch die Armee, bestätigte ein Berufungsgericht das Urteil. Im Gegensatz zu Mursi und fast der gesamten Führung der Muslimbrüder blieb Kandil aber zunächst auf freiem Fuß.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.