Nach taz-Äußerungen von Phil Hogan: Buhrufe für EU-Agrarkommissar
Phil Hogan stößt mit seinen Äußerungen über die tödliche Ehec-Epidemie und Ökolebensmittel auf Kritik – in der Biobranche und der CSU.
Eigentlich ist Felix Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender des Bunds Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), bei seinen öffentlichen Auftritten stets ruhig und gelassen. Doch die Äußerungen des EU-Agrarkommissars Phil Hogan in der taz über den tödlichen Ausbruch der Ehec-Epidemie 2011 und die Biobranche haben den 62-Jährigen geradezu in Rage gebracht. Auf Ablehnung stieß Hogan auch bei CSU-Bundesminister Christian Schmidt und Martin Häusling, dem Vertreter des EU-Parlaments bei den Verhandlungen über die Reform der Regeln für Biolebensmittel.
Der Kommissar hatte in einem in Auszügen bereits am Freitag veröffentlichten Interview der taz.am wochenende gesagt: „Unser Entwurf der neuen Ökoverordnung reagiert auf Probleme der Branche: 2011 starben Menschen wegen Ehec-Keimen in Bioprodukten, die von außerhalb der EU zum Beispiel nach Deutschland importiert worden waren.“ Ökoimporte hätten auch Bulgarien und Italien Probleme gemacht. Deshalb plädierte Hogan für seinen seit Jahren im Rat der Mitgliedstaaten und Europäischen Parlament feststeckenden Vorschlag, dass die gleichen Ökolandbaustandards für Importe wie für EU-Waren gelten sollten. Zudem will er die Kontrollen und die Regeln für die Vollstreckung EU-weit vereinheitlichen. Hogan fordert auch, einen besonders niedrigen Pestizidgrenzwert extra für Bioware einzuführen.
Als der sichtlich wütende Löwenstein Hogans Ehec-Kommentar beim BÖLW-Empfang auf der Agrarmesse Grüne Woche am Freitagabend in Berlin zitierte, kamen Buhrufe und Pfiffe aus dem Publikum. Dann schimpfte der Bio-Prinz: „Wie kann jemand, der behauptet, gegen Verbrauchertäuschung anzukämpfen, so brutal Verbraucher in die Irre führen. Wie kann jemand, der glaubt, dass die Europäische Union für uns alle ein wichtiges, ein lebenswichtiges Modell ist, dieses Modell so beschädigen, indem er sich so benimmt.“
Denn für Löwenstein ist klar, dass der Ehec-Ausbruch nicht geschah, weil die verseuchten Sprossen seinerzeit in einem Biobetrieb produziert wurden. „Es handelte sich um ein hygienisches Problem bei der Erzeugung der Sprossensamen in Ägypten, wie es genauso in der konventionellen Branche hätte auftreten können“, sagte der Chef des Bio-Dachverbands der taz. Hygiene werde aber nicht in der Ökoverordnung geregelt, sondern in Vorschriften, die gleichermaßen für konventionelle Betriebe gelten. „Deswegen haben die Ehec-Toten nichts mit der jetzt diskutierten Ökoreform zu tun.“
„Irritiert“ von Hogans Äußerungen
Und deshalb kritisierte er Hogans These als „Ungeheuerlichkeit“. Löwenstein forderte, dass Hogans „untauglicher Versuch“ einer Reform abgebrochen wird. Statt weiter über den Kommissionsentwurf sollte über eine Weiterentwicklung des bestehenden Biorechts verhandelt werden. Bis zu dem Interview, so der Verbandsvorsitzende weiter, „haben wir wirklich versucht, in aller Dialogbereitschaft mit diesem Thema umzugehen“. Nun aber müsse klargemacht werden, „dass hier jemand aktiv ist, dem eigentlich nur an einem gelegen sein kann: den Ökolandbau, der auf der Erfolgs- und Überholspur ist, zurückzudrängen in die Nische“.
Bundesagrarminister Schmidt sagte auf der Veranstaltung: „Ich wäre nicht auf den Gedanken gekommen, das Thema Ehec in irgendeiner Weise mit der neuen Ökoverordnung in Verbindung zu bringen. Ich denke, das sind zwei Paar Stiefel.“ Der CSU-Politiker erklärte erneut, spezielle Pestizidgrenzwerte könnten den Ökolandbau gefährden. Schmidt vertritt Deutschland im EU-Agrarministerrat, ohne den der Entwurf der Kommission nicht angenommen werden kann.
Nötig ist auch das Parlament, dessen Verhandlungsführer sich „irritiert“ von Hogans Äußerungen zeigte. Der Kommissar benehme sich wie ein Elefant im Porzellanladen, sagte Häusling der taz. „Seine Aussagen zu Pestiziden und die Verbindung zu Ehec sind schlicht grober Unsinn. Es wird immer schwieriger nach den Attacken des Kommissars gegen die Biobauern, Kompromisse zu finden“, so der Abgeordnete der Grünen.
Niedersachsens Minister Christian Meyer warf Hogan einen „ideologischen Angriff“ vor. „Da stecken Kräfte dahinter, die Verunsicherung auslösen wollen mit neuen Normen, mit neuen Angriffen und sagen, die Kontrollsysteme funktionieren nicht et cetera“, so der Grüne. Natürlich gebe es Missstände, „aber es gibt keinen Bereich, der so stark kontrolliert wird wie der Ökolandbau“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen