Nach rassistischen Krawallen: Wie Rechte nach England blicken
In Hannover schüren rechte Gruppen im Fahrwasser der rassistischen Gewaltwelle Stimmung gegen Migrant*innen.
R echte Gruppen in Hannover versuchen die rechtsextreme Gewaltwelle in Großbritannien für eigene Zwecke zu instrumentalisieren. Am vergangenen Sonntag verteilte die Gruppe „Sturmfest Niedersachsen“ vor dem Hauptbahnhof Flyer mit Botschaften wie „European Lives Matters“. Sie warnten davor, dass „Southport überall“ sei und forderten „Remigration“, denn die rette Leben.
„Wir befürchten, dass die rassistischen Pogrome in vielen Städten in Großbritannien eine Signalwirkung für rechtsextreme Gruppe in Deutschland haben könnten“, sagt Pascal Weber von „Auf die Plätze“, einem Bündnis gegen rechte Hetze und Verschwörungsideologien aus Hannover, der taz.
Tagelang hatte in mehreren Städten in Großbritannien ein Mob marodiert, Moscheen und Geflüchtetenunterkünfte angegriffen. Als Legitimation wurde der Mord an drei Mädchen im Alter von sechs, sieben und neun Jahren bei einer Messerattacke auf einem Ferienworkshop in der Küstenstadt Southport im Nordwesten Englands herangezogen.
Schnell kursierten Falschbehauptungen über den Täter in den sozialen Medien, die den Protest befeuerten. Ein Bürger*innenkriegsszenario zwischen der weißen autochthonen Bevölkerung und der migrantischen Bevölkerung wurde geschürt. Ein Brandherd, den auch in Deutschland verschiedenste Rechtsextreme befeuern.
Falschmeldungen, die eine ganze Gruppe beschuldigen
Die Strategie der Rassist*innen sei immer die gleiche, auch international, sagt Pascal Weber. „Wenn bei einer Gewalttat die Namen der Täter*innen auch nur den Anschein eines irgendwie ‚Ausländischseins‘ zeigen, werden Falschmeldungen produziert, die gleich eine ganze Menschengruppe beschuldigen.“ Im aktuellen Mordfall hieß es sofort, dass „der Täter ein muslimischer Einwanderer“ sei, „dabei ist er in England geboren und Christ“, so Weber.
Der von der Gruppierung in Hannover verwendete Slogan „European Lives Matter“ ist eine Anlehnung an die von der Identitären Bewegung (IB) postulierte Parole „White Lives Matter“. Wiederum eine Anspielung auf die antirassistische Kampagne „Black Lives Matter“ aus den USA. In diesem Spektrum des Rechtsextremismus gehört die Aneignung und Umdeutung von Codes und Symbolen zur dominierenden Strategie. Sie wollen so bestehende Einordnungen delegitimieren oder neue Bewertungen etablieren.
Mit der Verteilaktion hoffen die Rechtsextremen die Stimmung gegen Migrant*innen gezielter anzuheitzen.
Bei einer passenden Gelegenheit, so schätzt Pascal Weber es ein, könnte der Funke zünden. Wie etwa bei dem Attentäter von Halle, der 2019 zwei Menschen ermordete und einen Massenmord an jüdischen Menschen in einer Synagoge geplant hatte. Er war bei seiner Anschlagsplanung, inklusive des Livestreams der Tat, inspiriert von dem Attentäter, der im selben Jahr bei einen Anschlag auf zwei Moscheen im neuseeländischen Christchurch 51 Menschen ermordet hatte.
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