Nach der Wahl in Sachsen-Anhalt: Erleichterung ist fehl am Platz
Die CDU hat in Sachsen-Anhalt gewonnen. Doch wahr ist auch: Fast jede:r Fünfte hat die AfD gewählt. Nicht nur das sollte Anlass zur Sorge sein.
Chapeau! Reiner Haseloff hat in Sachsen-Anhalt einen grandiosen Erfolg eingefahren, das kann man nicht anders sagen. Der CDU-Ministerpräsident hat zweierlei geschafft: Er hat das Ergebnis seiner Partei im Vergleich zur Landtagswahl 2016 um gut 7 Prozentpunkte verbessert. Und das in einer Zeit, in der die CDU allerorten im Umfragetief steckt – auch dank Korruptionsaffären und einer mitunter miserablen Coronapolitik.
Haseloff hat die CDU klar als stärkste Kraft in Sachsen-Anhalt behauptet, weit vor der AfD. Und damit eben auch verhindert, dass die radikal rechte Partei erstmals bundesweit bei einer Wahl stärkste Kraft wird, was deren eigentliches Wahlziel war. Das hat dazu geführt, dass sich auch Menschen, die nicht unbedingt Fans von CDU-Politik sind, über Haseloffs klaren Sieg gefreut haben – und erleichtert waren. Das ist nachvollziehbar. Auf den zweiten Blick aber tun sich hier zahlreiche Probleme auf.
Zum einen ist die AfD in Sachsen-Anhalt, wie in anderen Ostbundesländern auch, zweitstärkste Kraft. Laut amtlichem Endergebnis hat sie 20,8 Prozent geholt. Das sind zwar 3,5 Prozentpunkte weniger als bei der letzten Landtagswahl, wie man erfreut betonen kann. Möglicherweise ist die AfD hier sogar „ausmobilisiert“. Es heißt aber auch: Fast jede und jeder fünfte in Sachsen-Anhalt, der an der Wahl teilgenommen hat, hat für die AfD gestimmt.
David Begrich vom Verein Miteinander in Magdeburg fragte am Sonntagabend auf Twitter: „What is wrong?“, und schrieb dazu: „1998 DVU 12,8 Prozent: Entsetzen. 2021 AfD 22 Prozent: Erleichterung.“ Erwischt, könnte man sagen. Denn in dem Gefühl der Erleichterung steckt natürlich auch: An den großen Erfolg von Rechtsextremen im Osten der Republik haben wir uns längst gewöhnt.
Erwischt!
94 Prozent der AfD-Wähler:innen wollen, so zeigt eine ARD-Umfrage, dass die AfD an der Regierung beteiligt wird. Das heißt: Sie wollen, dass die Politik der AfD auch umgesetzt wird. Es sind also keine Protestwähler:innen, auch wenn sich diese Vorstellung beharrlich hält. Die AfD hat inzwischen eine Stammwählerschaft an sich gebunden.
Ein Teil davon sind überzeugte Rechtsextremisten, die für die Demokratie verloren sind, wie der Ostbeauftragte und CDU-Mann Marco Wanderwitz kurz vor der Wahl richtig angemerkt hat – und dafür viel Dresche bezog. Dass der Sockel der Wählerschaft, auf den die AfD im Osten sich stützen kann, aber deutlich darüber hinausgeht, hat viel mit der Politik der CDU in den vergangenen 30 Jahren zu tun.
Denn vor der Wahl auszuschließen, dass man mit der AfD gemeinsame Sache machen werde, wie es Haseloff gerade und auch der sächsische CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer vor der dortigen Landtagswahl getan hat, ist das Eine. Im Zweikampf mit der AfD die Bevölkerung darauf einzuschwören, dass nur eine Stimme für die CDU die radikal Rechten als stärkste Kraft verhindern könne, das Zweite. Das dürfte der CDU in beiden Ländern Stimmen von Wähler:innen eingebracht haben, die sonst vielleicht SPD, Grüne oder Linke gewählt hätten. Was im Übrigen die Parteien sind, die im Alltag vor allem die Arbeit gegen Rechtsextremismus unterstützen, manche von ihren Politiker:innen sind bei jeder Demo dabei.
Gleichzeitig, und das sollte die Erleichterung relativieren, fehlt bei der CDU die inhaltliche Auseinandersetzung mit der AfD. Auch scheut sich die CDU immer wieder, Rechtsextremismus klar zu benennen und redet ihn lieber klein.
Differenzierung notwendig
Dass der ehemalige sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf vor vielen Jahren erklärte, die Sachsen seien immun gegen Rechtsextremismus, macht das besonders deutlich. Öffnungsdebatten hin zur AfD flammen in der Ost-CDU immer wieder auf. Und die Christdemokraten stecken im Dilemma: Denn es gibt eben die inhaltlichen Schnittmengen mit der AfD, wie zum Beispiel beim Streit in Sachsen-Anhalt über die Erhöhung des Rundfunkbeitrags.
Hinzu kommen Personalien wie Hans-Georg Maaßen, Ex-Verfassungsschutzpräsident, der für die CDU für den Bundestag kandidiert und neurechte Parolen verbreitet. Dass man dies einfach so geschehen lässt, legitimiert die Erzählungen der radikal Rechten und stärkt die AfD.
Dazu gehört auch das Gerede von der AfD als eigentlich konservativer Partei, oder „Fleisch vom Fleische der CDU“, was auch immer wieder zu hören ist. Es ist ein Narrativ, das die AfD gern selbst bedient, weil es so schön selbstverharmlosend ist. Dass dies einem ZDF-Reporter zur besten Sendezeit passiert, ist ein schwerer Fehler. Dass die neue Chefin der Linkspartei dieselbe Erzählung bedient, indem sie auf Twitter schreibt, die „rechten Parteien“ hätten in Sachsen-Anhalt über 60 Prozent geholt, auch einer.
Klargestellt werden sollte, dass die AfD – allgemein und besonders in Sachsen-Anhalt, wo sie vom Verfassungsschutz beobachtet wird – alles andere als konservativ ist. Viel geholfen wäre aber auch, wenn über die AfD hinaus klarer differenziert würde: zwischen demokratischen Konservativen und antidemokratischen Rechten sowie ihren Narrativen.
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