Nach der Wahl in Argentinien: Proteste gegen Macri
Eine Woche nach dem Amtsantritt erlebt der konservative Präsident Mauricio Macri erste Proteste. Gründe dafür gibt es mehrere.
Anlass der Kundgebung vor dem Kongress war eigentlich die Verteidigung des unter der Kirchner-Regierung erlassenen fortschrittlichen Mediengesetzes. Macri hatte die staatlichen Fernseh- und Rundfunkkanäle sowie die Nachrichtenagentur Télam dem neu geschaffenen Ministerium für öffentliche Medien unterstellt und ankündigen lassen, dass das Mediengesetz nicht weiter umgesetzt werde. Aber da sie schon einmal auf der Straße waren, richteten sich die Demonstranten auch gegen die anderen bislang verkündeten Maßnahmen der neuen Regierung.
Macri hatte in seiner ersten Woche mächtig Tempo vorgelegt und einige seiner Wahlversprechen eingelöst: Abschaffung der Exportsteuer auf Getreide, Senkung derselben auf Soja, Streichung der Subventionen von Gas und Strom ab Januar, Beschaffung von Dollars über eine geplante Neuverschuldung von 15 Milliarden Dollar, Aufhebung der Devisenbeschränkungen und die Abwertung des Peso um 40 Prozent.
Für heftigen Wirbel sorgte die Ernennung zweier Richter für den Obersten Gerichtshof per Dekret. Dabei werden weniger die neuen Richter, sondern das Verfahren ihrer Ernennung scharf kritisiert. Oberste Richter werden auf Vorschlag des Präsidenten von der Senatskammer per Mehrheitsentscheid bestimmt. Bisher hatten sich daran alle Amtsinhaber seit dem Ende der Diktatur 1983 gehalten.
Außerhalb der Sitzungswochen kann der Präsident jedoch per Dekret freie Posten vorläufig besetzen. Und anstatt eine außerordentliche Sitzung einzuberufen und sich im Senat mit der Mehrheit der Kirchner-Fraktion zu streiten, nutzte Macri die sitzungsfreie Sommerpause. Das brachte ihm nicht nur die wütende Kritik der Senatoren und Abgeordneten im Kongress ein. Auch in den eigenen Reihen gab es Ärger. Schließlich musste der Präsident zurückrudern – und verschob die Ernennung.
Befürchteter Inflationsschub
Die Kundgebung vor dem Kongress, wenngleich vor allem Kirchner-Anhänger auf der Straße waren, war auch Teil der Neuordnung der Kräfte innerhalb des bei den Wahlen unterlegenen Peronismus. Hauptredner Martín Sabbatella, Vorsitzender der Bundesbehörde für audiovisuelle Mediendienste (Afsca), kritisierte eine tiefgreifende Ressourcenumverteilung von unten nach oben. Befürchtet wird zudem ein enormer Inflationsschub und damit ein herber Kaufkraftverlust gerade der unteren Bevölkerungsschichten.
Einen Ausblick auf den im März 2016 anstehenden 40. Jahrestag des Militärputsches bot die Vorsitzende der Madres de Plaza de Mayo. Hebe de Bonafini griff den Präsidenten scharf an: „Zum ersten Mal zieht ein Diktator durch Wahlen in das Regierungshaus ein.“ In Richtung Casa Rosada, des Amtssitzes des Präsidenten, sagt sie: „Dort haben wir einen Feind. Wir müssen uns auf Tausenden Plätzen aufstellen, damit dieser Hurensohn weiß, wer wir sind.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Pressefreiheit unter Netanjahu
Israels Regierung boykottiert Zeitung „Haaretz“
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid
Twitter-Ersatz Bluesky
Toxic Positivity