Nach der Wahl im Irak: Schiiten schließen ein Bündnis

Zwei Monate nach den Parlamentswahlen zeichnet sich eine Koalitionsregierung ab. Danach bleiben die Sunniten ausgeschlossen, und der Einfluss des Iran steigt weiter an.

Anhänger von Muqtada Sadr feiern den Wahlerfolg ihres Favoriten. Bild: ap

KAIRO taz | Eigentlich können sie sich nicht ausstehen, die beiden großen schiitischen Parteienblocks im Irak. Die Liste der Rechtsstaatlichkeit des bisherigen Ministerpräsidenten Nuri Al-Maliki und die Irakische Nationalallianz des Schiitenpredigers Muqtada Sadr wetteifern darum, wer die schiitische Bevölkerungsmehrheit anführt. Doch die Angst beider, bei der Bildung der neuen Regierung in Bagdad außen vor zu bleiben, war offensichtlich größer als ihre Rivalität.

Auf einer Pressekonferenz am Mittwoch verkündeten Vertreter beider Gruppierungen ihren Zusammenschluss zu einem Block. "Das wichtigste ist nun, so schnell wie möglich eine Regierung zu bilden, sich auf ein gemeinsames Programm zu einigen und einen Ministerpräsidenten zu nominieren", erklärten sie.

Formell steht dem nun kaum mehr etwas im Wege. Der neue Block bildet nun die mit Abstand größte Allianz im 325sitzigen Parlament und braucht nur noch vier weitere Parlamentsabgeordnete auf ihrer Seite, um die Mehrheit im Parlament und damit den Ministerpräsidenten zu stellen. Der wird aber wahrscheinlich nicht mehr Al-Maliki heißen. Der Rückzug des unter der Nationalallianz Sadrs verhassten bisherigen Ministerpräsidenten dürfte der Preis sein, den Malikis "Block der Rechtsstaatlichkeit" für das neue Schiitenbündnis zahlt.

Damit sind die Karten in der irakischen Politik neu gemischt. Nach dem Ergebnis der Wahlen vom 7. März hatte zunächst keine der politischen Gruppierungen die irakische Politik dominiert. Nun sind es die schiitischen Parteien mit ihren religiösen Untertönen, die wahrscheinlich den Irak regieren werden.

Der große Verlierer des neuen Bündnisses ist die Irakiya-Liste, angeführt von Ayad Alawi. Dieser hatte mit seinem nationalistischen, säkularen Programm jenseits der Konfessionsgrenzen die Wahlen nur sehr knapp gewonnen. Mit dem Zusammenschluss der beiden schiitischen Blöcke sind seine Irakiya-Liste und die viertgrößte Partei, die Kurden-Liste, aber nun hoffnungslos abgeschlagen. "Es ist ein schwerer Schlag gegen den Willen der Mehrheit der Iraker, die uns gewählt haben", lautete der erste Kommentar von Dhafir Al-Anis von der Irakiya-Liste.

Verlierer sind auch die Sunniten des Landes, die voraussichtlich aus einer schiitisch dominierten Regierung ausgeschlossen bleiben. Sie hatten sich zum großen Teil hinter die Irakiya-Liste gestellt. Ein Alptraum-Szenario für Washington, dass den Großteil seiner Truppen bis zum Herbst abziehen will. Die Amerikaner hatten gehofft, die Sunniten würden in der irakischen Regierung mit an Bord sein. Nachdem diese nach dem Sturz Saddam Husseins aus dem politischen System ausgeschlossen waren, hatten die Sunniten das Rückrat der Aufständischen gegen die US-Besatzung gebildet. Eine erneut enttäuschte sunnitische Minderheit im Irak könnte schnell wieder zu einem unberechenbaren Faktor werden.

Eine erste Warnung des prominenten sunnitischen Politikers Hamdi Al-Mutlaq gibt es bereits. Er hoffe, dass die neue schiitische Allianz "die Hand für andere ausstrecke", lautete seine erste Reaktion. "Ansonsten", so seine unverhüllte Drohung, "könnte der Konflikt zwischen den Religionsgruppen ganz schnell wieder aufflammen".

Auch nicht nach dem Geschmack Washingtons dürfte sein, dass in einem von einem Schiiten-Block geführten Irak der Einfluss des Iran noch wachsen dürfte. Beide der jetzt zusammengeschlossen Schiiten-Gruppierungen unterhalten gute Beziehungen zu Teheran.

Vieles wird jetzt davon abhängen, ob das neue Schiitenbündnis tatsächlich der Verlockung erliegt, den Irak im Alleingang zu steuern, oder ob es doch versuchen wird, eine breitere Regierung der nationalen Einheit zu bilden. Bei beiden Szenarien wird sowohl Teheran als auch Washington versuchen, ein gehöriges Wörtchen mitzureden.

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