Nach der Übernahme durch Bayer: Monsanto versaut Ökobilanz
Durch den Kauf von Monsanto belastet Bayer die Umwelt stärker als vorher. Aktivisten beantragen deshalb, den Konzernvorstand nicht zu entlasten.
„Dadurch erhöhen sich fast alle Umweltkennzahlen im Vergleich zum Vorjahr deutlich.“ Die Aktionärin Christiane Schnura, Mitglied der Initiative „Coordination gegen Bayer-Gefahren“, hat deshalb beantragt, den Vorstand bei der Hauptversammlung am 26. April in Bonn nicht zu entlasten.
Allein der Ausstoß von Treibhausgasen ist laut dem Bericht 2018 im Vergleich zum Vorjahr um 50 Prozent auf 5,45 Millionen Tonnen gestiegen. Dabei beinhaltet die aktuelle Bilanz nur den Teil der Monsanto-Emissionen, der seit dem 7. Juni anfiel, denn erst an dem Tag schloss Bayer den Kauf der Firma offiziell ab. Über ein ganzes Jahr gerechnet wäre die Klimabilanz also noch schlechter.
Der Grund für die gestiegenen Emissionen hängt laut Konzern vor allem damit zusammen, dass Bayer nun Produktionsstätten für Saatgut und Pestizide von Monsanto gehören. Diese würden viel Energie verbrauchen, erklärte das Unternehmen. Die schlechtere Umweltbilanz könnte dazu beitragen, dass das Image von Bayer nach dem Kauf von Monsanto weiter beschädigt wird.
Schlechtere Reputationswerte
Die Reputationswerte sind laut Konzernangaben vor allem in Deutschland und Frankreich zurückgegangen, nachdem Monsanto in den USA bereits in zwei Fällen zu millionenschwerem Schadenersatz wegen Krebserkrankungen durch das Pestizid Glyphosat verurteilt worden ist.
Vor der Übernahme sah sich Bayer klimapolitisch gesehen auf einem guten Weg: Zwischen 1990 und 2015 hatte der Konzern seine absoluten Treibhausgas-Emissionen nach eigenen Angaben reduziert – obwohl er gleichzeitig mehr produziert hat. Weil Bayer das energieintensive Kunststoffgeschäft schrittweise verkauft, sei der Ausstoß klimaschädlicher Gase zwischen 2015 und 2018 nochmals um 26,8 Prozent gesunken. Das war noch ohne Monsanto.
Auch die Energieeffizenz hat sich wegen der Übernahme der US-Firma verschlechtert. „Während Bayer in den letzten Jahren den Energie-Einsatz pro Außenumsatz-Einheit zu reduzieren vermochte, kehrt sich die Entwicklung jetzt um“, schreibt Aktivistin Schnura in ihrem Antrag.
Außenumsatz sind die Einnahmen, die ein Unternehmen mit Kunden, nicht mit Tochterfirmen erzielt. Verbrauchte Bayer 2017 noch 204,93 Kilowattstunden pro 1.000 Euro Umsatz, waren es im vergangenen Jahr bereits 278. Das Unternehmen hat also wegen Monsanto mehr Energie verbraucht, um 1 Euro einzunehmen.
Zudem erzeuge Bayer immer mehr Energie mit klimaschädlichen Flüssigbrennstoffen wie Heizöl oder Diesel, monierte Schnura. Der Verbrauch erhöhte sich laut Unternehmen um den Faktor 15 auf 3.491 Terajoule an. Auch gesundheitsschädlichen Feinstaub stößt der Konzern jetzt in noch größeren Mengen aus.
Wegen der Monsanto-Standorte seien die „Staubemissionen deutlich von 60 Tonnen auf 2.370 Tonnen“ gestiegen, heißt es im Geschäftsbericht. Das liege zum einen an der „Förderung und Aufbereitung von Rohstoffen für Pflanzenschutzmittelvorprodukte, zum anderen fallen bei der Saatgutproduktion (Mais und Soja) größere Mengen Staub an.“
Die gesundheitsschädlichen Stickoxid-Emissionen verdoppelten sich demnach beinahe auf 4.360 Tonnen. Bayer stieß dem Bericht zufolge auch siebenmal mehr giftiges Kohlenstoffmonoxid aus als im Vorjahr. Das „ist im Wesentlichen“ auf die Fahrzeugflotte von Monsanto zurückzuführen, so das Unternehmen.
Mehr Schadstoffe in Gewässern
Die neue US-Tochter war laut Konzern auch maßgeblich dafür verantwortlich, dass Bayer mehr Schadstoffe in die Gewässer leitete als 2017. Die Phosphor-Menge verfünffachte sich fast auf 180 Tonnen. Stickstoff legte um 13 Prozent auf 450 Tonnen zu. Sind zu viele dieser Nährstoffe in Gewässern, sterben Pflanzen- und Tierarten dort aus.
„Das alles interessierte das Management allerdings nicht, als es den Erwerb von Monsanto erwog“, schreibt Schnura in ihrem Antrag weiter. „Die verheerenden Auswirkungen des Deals auf die Umweltbilanz des Unternehmens hat der Vorstand bewusst in Kauf genommen. Deshalb ist ihm die Entlastung zu verweigern.“ Ein Bayer-Sprecher wollte sich auf taz-Anfrage nicht dazu äußern.
Laut Aktiengesetz bedeutet die Entlastung, dass die Aktionäre das Verhalten des Vorstands billigen. Eine Nichtentlastung hat keine rechtlichen Folgen, gilt aber als symbolischer Misstrauensbeweis. Er würde den Druck auf den Vorstand erhöhen, der wegen Glyphosat-Prozesse sowieso schon unter Beschuss steht.
Auch der Verein der Coordination sowie zwei weitere Aktionäre haben bereits beantragt, das Führungsgremium nicht zu entlasten. Die beiden großen angelsächsischen Stimmrechtsberater ISS und Glass Lewis empfehlen den Aktionären, solchen Gegenanträgen zuzustimmen.
Die 63 Milliarden Dollar schwere Übernahme von Monsanto im vergangenen Sommer hat Bayer gut 37 Milliarden Euro an Börsenwert gekostet. Aktuell ist der Konzern noch knapp 57 Milliarden Euro wert – und damit umgerechnet etwa so viel, wie er für Monsanto gezahlt hat. Zwischenzeitlich war Bayer sogar billiger.
In den USA sieht sich der Konzern mit mehr als 11.200 Klagen wegen Krebserkrankungen durch das glyphosathaltige Unkrautvernichtungsmittel Roundup konfrontiert. Bayer hat zwar Berufung gegen die beiden Verurteilungen zu Schadenersatz eingelegt, viele Expertinnen und Experten gehen aber bereits von einem teuren Vergleich aus. (mit rtr)
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