Nach den Wahlen in Australien: Neustart in Canberra
Die Menschen in Australien haben die konservative Morrison-Regierung abgewählt – zu Recht. Die Wende birgt die Hoffnung auf eine neue Klimapolitik.
E ine Vendetta der Mehrzahl der in Australien dominanten Medien des Konzerns von Rupert Murdoch gegen Anthony Albanese – oftmals in Koordination mit der konservativen Regierung – hatte die Wahlchancen der Labor-Partei in den letzten Wochen zunehmend schwinden lassen. Ohne diese Manipulation des Wahlprozesses durch den greisen Medienzaren hätten die Sozialdemokraten wohl eigenständig eine Mehrheit im Parlament bilden können.
Stattdessen werden sie sich möglicherweise auf Unabhängige und Grüne verlassen müssen, um regieren zu können. Ein Vorgänger Albaneses hatte Murdoch einst als „Gefahr für die Demokratie“ bezeichnet. Doch der Wunsch des Volkes nach einem Richtungswechsel war stärker als der Klammergriff des Amerikaners an der öffentlichen Meinung. Denn die Signale, dass das Land unter den Konservativen in eine gefährliche Zukunft marschierte, waren immer offensichtlicher geworden.
Besonders beim Thema Klimaschutz. Trotz zerstörender Überflutungen, tödlicher Waldbrände und dem nun als praktisch sicher geltenden Sterben des Great Barrier Reef beharrte Noch-Premier Scott Morrison auf der Erweiterung der klimazerstörerischen, aber lukrativen Kohleindustrie. Einige Mitglieder der alten Regierung sind ihr in einer Weise verbunden, die in anderen Ländern wohl als korrupt bezeichnet würde.
Dass immer mehr Australierinnen und Australier anfingen, das von der Morrison-Regierung gesponnene Netz von Lügen und Halbwahrheiten zu hinterfragen – etwa, dass Kohle durch CO2-Absaugungstechnologie in großem Umfang „sauber“ gemacht und damit weiter exportiert werden könne –, trug maßgeblich zum Wahlausgang bei.
Selbst der konservativste Wähler hat ein offenes Ohr für – laut Morrison – „linke“ Wissenschaftler, wenn er einmal die Flammen eines herannahenden Buschfeuerinfernos mit dem Gartenschlauch bekämpfen musste. Experten warnen seit Jahren vor dem Zusammenhang zwischen immer häufigeren „Jahrhundertkatastrophen“ und globaler Erhitzung. Die Regierung dagegen verbot ihren Wissenschaftlern zeitweise sogar, das Wort Klimawandel auch nur zu erwähnen.
Das Wahlresultat bedeutet aber nicht, dass sich Australien begeistert Labor zuwandte. Im Gegenteil. Der Wahlanteil der Sozialdemokraten landesweit ist mäßig. Immer mehr Australierinnen und Australier können sich nicht mehr mit den Großparteien identifizieren. Vielmehr werden mehrere parteipolitisch unabhängige Frauen in Canberra einziehen.
Unterstützt von Tausenden Freiwilligen hatten sie sich Klimaschutz auf die Fahne geschrieben und so in mehreren bisher erzkonservativen Wahlkreisen Parlamentarier vom Sockel gestoßen. Bürgerpolitik statt Parteienideologie. Anthony Albanese sollte auf den Wunsch der Wählerinnen und Wähler reagieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers