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Nach dem Tod des PapstesKein Anruf mehr aus Rom

Franziskus hat sich fast jeden Abend bei den Christen in Gaza gemeldet. Das habe den Menschen im Kriegsgebiet Mut gemacht, sagt ein örtlicher Pfarrer.

Christliche Palästinenser trauern um den verstorbenen Papst Franziskus in Kirche der Heiligen Familie in Gaza-Stadt, am 21.4.2025 Foto: Jehad Alshrafi/ap/dpa

Kairo taz | Er hat sich fast jeden Abend bei ihnen gemeldet. Papst Franziskus habe der kleinen christlichen Gemeinschaft im Gazastreifen seit dem Beginn des Krieges sehr nahe gestanden, betont Pater Gabriel Romanelli. Trotz seines schlechten Gesundheitszustands habe er bis zuletzt regelmäßig aus Rom angerufen, um sich zu erkundigen, wie es allen in der Gemeinde gehe, berichtet der Pfarrer.

Der 55-Jährige steht der Gemeinde der „Heiligen Familie“ in Gaza-Stadt vor und ist Argentinier, wie der verstorbene Papst. Der Papst sei durch seine beinahe allabendlichen Anrufe einer von ihnen geworden – ein Mitglied der Gemeinde in Gaza, sagte Romanelli der taz noch vor ein paar Tagen per Whatsapp.

Auch öffentlich hatte sich der Papst für die Menschen im bombardierten Gazastreifen eingesetzt. Nur einen Tag bevor er starb, sprach er sich einmal mehr für einen Waffenstillstand im Gazastreifen aus.

Am Ostersonntag, als sich Franziskus ein letztes Mal vor Zehntausenden auf dem Petersplatz zeigte, bekundete er in seiner Predigt „den leidenden Christen in Palästina und Israel“ sowie „dem gesamten israelischen und palästinensischen Volk“ sein Mitgefühl. Seine Gedanken seien „insbesondere bei der christlichen Gemeinde im Gazastreifen“, wo der Krieg weiterhin Tod und Zerstörung bringe „und eine dramatische und unwürdige humanitäre Situation verursacht“, fügte er hinzu.

Schwierigste Bedingungen

Rund eintausend Christen leben derzeit unter schwierigsten Bedingungen im Gazastreifen, vor allem in Gaza-Stadt. Die katholische Pfarrei der „Heiligen Familie“ dient dort seit Beginn des Krieges im Oktober 2023 über 500 Menschen als Zufluchtsort – neben Katholiken auch orthodoxen und muslimischen Familien.

Wie alle Menschen im Gazastreifen leiden auch sie nicht nur unter dem Krieg, sondern seit sieben Wochen zudem unter der Totalblockade des Gazastreifens, die Israel Anfang April verhängt hat, seit es die Waffenruhe mit der Hamas beendet hat. „Unter solchen Umständen ist es sehr schwer, überhaupt etwas zu sagen“, sagt Romanelli. „Das ist kaum auszuhalten, wenn man bedenkt, dass in diesem seit anderthalb Jahren dauernden Krieg mehr als 17.000 Kinder ermordet wurden. Kein weiterer Tag Krieg, keine weitere Stunde löst die Situation, sondern verschlimmert sie nur noch.“

Eine große Osterfeier gab es in seiner Kirche in diesem Jahr nicht. „Wir sind Kinder der Auferstehung“ – und deshalb – „egal wie groß die Kreuze sind, die wir schleppen müssen, das Licht des auferstandenen Christus ist stärker“, macht er sich und seiner Gemeinde trotzdem Mut.

Auf die Frage, wie es den Christen als kleiner religiöser Minderheit im Gazastreifen geht, antwortet er nur kurz: „Die christliche Präsenz in Gaza ist sehr klein. Aber durch Gottes Gnade wurde sie immer sehr geachtet und hat Glauben, Hoffnung und Liebe ausgestrahlt, für alle“, sagt der Priester und fügt hinzu: „Ganz besonders in diesen schwierigen Zeiten“.

Pfarrer nennt die Lage „absolut kritisch“

Mithilfe von Freiwilligen versucht er, die Menschen in Gaza mit Nahrung, Wasser und Medizin zu versorgen. Doch das werde aufgrund der seit über sieben Wochen andauernden israelischen Totalblockade des Gazastreifens immer schwerer, beklagt der Pfarrer. „Nach so langer Zeit, in der die Grenzen geschlossen sind und keinerlei humanitäre Hilfe hereingelassen wird, ist die Lage in vielen Gegenden absolut kritisch“, berichtet Romanelli.

„Die Menschen verbrauchen, was sie haben, und rationieren es“, schildert er. In seinem Teil des Viertels ist es gelungen, Tausende von Familien mit Hilfe zu versorgen. Doch mit der Zeit werde es immer weniger. „Deshalb ist es jetzt dringend notwendig, dass endlich wieder ohne Unterbrechung humanitäre Hilfe zugelassen wird. Das heißt: nicht nur Lebensmittel, nicht nur sauberes Wasser, sondern auch Medikamente.“

Was die zwei Millionen Menschen im Gazastreifen außerdem brauchen, sagt Romanelli, „ist Hoffnung“. Seiner Gemeinde hätten die regelmäßigen Anrufe des Papstes aus Rom etwas Hoffnung gegeben, sagt er. Doch nun bleibt die Leitung vorerst wohl stumm.

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3 Kommentare

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  • Wer soll die Folgen der Kriegsverbrechen beider Seiten jemals bewältigen können?



    Wer soll die Folgen des Unterlassens, wirksam dagegen einzugreifen, jemals bewältigen können?



    Bewältigen und überwinden, nicht rechtfertigen.

  • Mir scheint es so als wolle man genau das zerstören: Hoffnung. Das ist dann wohl dass "freiwillig" in der "freiwilligen Umsiedlung" oder in meinen Worten ethnischen Säuberung. Wenn Menschen keine Hoffnung haben, dass es irgendwann besser wird, dass sie sich wieder ein Leben aufbauen können in ihrer Heimat, sind sie eher bereit ihr Land zu verlassen.



    Das gerade auch die christliche Gemeinde in Israel seit Jahren zunehmende Gewalt von israelischen Extremisten erfährt, wird sowieso so gut wie nie thematisiert und bis auf einige wenige, wie der Papst, herrscht auch ganz schön viel Schweigen in der christlichen Welt darüber. Und die Zunahme der Gewalt, die man ja teilweise auch wieder zu Ostern in Jerusalem gesehen hat, führen die Christen vor Ort auch darauf zurück, dass sich die Extremisten von der Regierung beschützt fühlen und "that the cultural and political atmosphere now can justify, or tolerate, actions against Christians". (Pier Battista Pizzaballa Kardinal von Jerusalem) www.oikos-institut...Report-Digital.pdf

    • @Momo Bar:

      Verschwiegen wird das nicht. U.a. der Abt der Jerusalemer Benediktinerabtei Dormitio, Hr. Nikodemus Schnabel, hat drüber öfters berichtet. Nur eskalieren die Christen die Situation nicht so. Hr. Schnabel meint zu den Angriffen: "Eine Messe für diejenigen, die uns hassen: das ist die Antwort nach der Lehre Jesu, der einzige Weg zur Versöhnung."



      www.vaticannews.va...christen-gaza.html



      Und wenn Sie schon jemanden zitieren, dann bitte mit korrektem Namen und Funktion: Pierbattista Kardinal Pizzaballa, Lateinischer Patriarch von Jerusalem



      Niemand ist ein "Kardinal von... (xy)"...