Nach dem Tod des Papstes: Kein Anruf mehr aus Rom
Franziskus hat sich fast jeden Abend bei den Christen in Gaza gemeldet. Das habe den Menschen im Kriegsgebiet Mut gemacht, sagt ein örtlicher Pfarrer.

Der 55-Jährige steht der Gemeinde der „Heiligen Familie“ in Gaza-Stadt vor und ist Argentinier, wie der verstorbene Papst. Der Papst sei durch seine beinahe allabendlichen Anrufe einer von ihnen geworden – ein Mitglied der Gemeinde in Gaza, sagte Romanelli der taz noch vor ein paar Tagen per Whatsapp.
Auch öffentlich hatte sich der Papst für die Menschen im bombardierten Gazastreifen eingesetzt. Nur einen Tag bevor er starb, sprach er sich einmal mehr für einen Waffenstillstand im Gazastreifen aus.
Am Ostersonntag, als sich Franziskus ein letztes Mal vor Zehntausenden auf dem Petersplatz zeigte, bekundete er in seiner Predigt „den leidenden Christen in Palästina und Israel“ sowie „dem gesamten israelischen und palästinensischen Volk“ sein Mitgefühl. Seine Gedanken seien „insbesondere bei der christlichen Gemeinde im Gazastreifen“, wo der Krieg weiterhin Tod und Zerstörung bringe „und eine dramatische und unwürdige humanitäre Situation verursacht“, fügte er hinzu.
Schwierigste Bedingungen
Rund eintausend Christen leben derzeit unter schwierigsten Bedingungen im Gazastreifen, vor allem in Gaza-Stadt. Die katholische Pfarrei der „Heiligen Familie“ dient dort seit Beginn des Krieges im Oktober 2023 über 500 Menschen als Zufluchtsort – neben Katholiken auch orthodoxen und muslimischen Familien.
Wie alle Menschen im Gazastreifen leiden auch sie nicht nur unter dem Krieg, sondern seit sieben Wochen zudem unter der Totalblockade des Gazastreifens, die Israel Anfang April verhängt hat, seit es die Waffenruhe mit der Hamas beendet hat. „Unter solchen Umständen ist es sehr schwer, überhaupt etwas zu sagen“, sagt Romanelli. „Das ist kaum auszuhalten, wenn man bedenkt, dass in diesem seit anderthalb Jahren dauernden Krieg mehr als 17.000 Kinder ermordet wurden. Kein weiterer Tag Krieg, keine weitere Stunde löst die Situation, sondern verschlimmert sie nur noch.“
Eine große Osterfeier gab es in seiner Kirche in diesem Jahr nicht. „Wir sind Kinder der Auferstehung“ – und deshalb – „egal wie groß die Kreuze sind, die wir schleppen müssen, das Licht des auferstandenen Christus ist stärker“, macht er sich und seiner Gemeinde trotzdem Mut.
Auf die Frage, wie es den Christen als kleiner religiöser Minderheit im Gazastreifen geht, antwortet er nur kurz: „Die christliche Präsenz in Gaza ist sehr klein. Aber durch Gottes Gnade wurde sie immer sehr geachtet und hat Glauben, Hoffnung und Liebe ausgestrahlt, für alle“, sagt der Priester und fügt hinzu: „Ganz besonders in diesen schwierigen Zeiten“.
Pfarrer nennt die Lage „absolut kritisch“
Mithilfe von Freiwilligen versucht er, die Menschen in Gaza mit Nahrung, Wasser und Medizin zu versorgen. Doch das werde aufgrund der seit über sieben Wochen andauernden israelischen Totalblockade des Gazastreifens immer schwerer, beklagt der Pfarrer. „Nach so langer Zeit, in der die Grenzen geschlossen sind und keinerlei humanitäre Hilfe hereingelassen wird, ist die Lage in vielen Gegenden absolut kritisch“, berichtet Romanelli.
„Die Menschen verbrauchen, was sie haben, und rationieren es“, schildert er. In seinem Teil des Viertels ist es gelungen, Tausende von Familien mit Hilfe zu versorgen. Doch mit der Zeit werde es immer weniger. „Deshalb ist es jetzt dringend notwendig, dass endlich wieder ohne Unterbrechung humanitäre Hilfe zugelassen wird. Das heißt: nicht nur Lebensmittel, nicht nur sauberes Wasser, sondern auch Medikamente.“
Was die zwei Millionen Menschen im Gazastreifen außerdem brauchen, sagt Romanelli, „ist Hoffnung“. Seiner Gemeinde hätten die regelmäßigen Anrufe des Papstes aus Rom etwas Hoffnung gegeben, sagt er. Doch nun bleibt die Leitung vorerst wohl stumm.
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