Nach dem Militärputsch in Niger: Appell des gestürzten Präsidenten
Nigers entmachteter Präsident Bazoum ruft die Weltgemeinschaft auf, den Putsch nicht zu akzeptieren. Ecowas ringt vergeblich um eine diplomatische Lösung.
Der demokratisch gewählte Bazoum war vergangene Woche in Niger von Offizieren der Präsidialgarde festgesetzt und für entmachtet erklärt worden. Der Kommandeur der Eliteeinheit, General Abdourahamane Tchiani, ernannte sich im Anschluss zum neuen Machthaber. Kurz darauf setzten die Putschisten die Verfassung außer Kraft und lösten alle verfassungsmäßigen Institutionen auf. Nach Militärputschen in Mali und Burkina Faso seit 2020 war Niger das letzte der drei Nachbarländer in der Sahelzone, das von einer demokratisch gewählten Regierung geführt wurde.
Er schreibe als Geisel, so Bazoum in der Washington Post. „Niger wird von einer Militärjunta angegriffen, die versucht, unsere Demokratie umzustürzen, und ich bin nur einer von Hunderten Bürgern, die willkürlich und illegal eingesperrt worden sind“, schrieb der Präsident. Der Staatsstreich gegen seine Regierung habe keinerlei Rechtfertigung. Sollte er gelingen, werde er Folgen für die gesamte Welt haben.
Seine Regierung sei 2021 in demokratischen Wahlen an die Macht gekommen, schrieb Bazoum. Jeder Versuch, eine rechtmäßige Regierung zu stürzen, müsse gestoppt werden. Er schätze die klare Verurteilung „dieses zynischen Versuchs, den bemerkenswerten Fortschritt zu untergraben, den Niger als Demokratie gemacht habe.“ Die Vereinigten Staaten, die Afrikanische und die Europäische Union sowie die westafrikanische Staatengemeinschaft Ecowas hätten sich alle laut und deutlich dazu geäußert.
In dieser Notlage rufe er nun die US-Regierung und die gesamte Weltgemeinschaft dazu auf, seinem Land bei der Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung zu helfen, schrieb Bazoum weiter. Nur durch die Verteidigung gemeinsamer Werte wie Demokratie und Respekt für die Rechtsstaatlichkeit könne es Fortschritte im Kampf gegen Armut und Terror geben. Sein Land befinde sich an einem Wendepunkt seiner Geschichte.
Ecowas-Delegation nach Niger gereist
Der Konflikt in Niger könnte weiter eskalieren. Die Ecowas hatte den Putschisten ein Ultimatum gestellt. Sollte Präsident Bazoum nicht bis Sonntag wieder eingesetzt werden, werde Ecowas Maßnahmen ergreifen, die Sanktionen und auch Gewalt umfassen könnten, hieß es.
Um kurz vor Ablauf des Ultimatums am Sonntag noch eine einvernehmliche Lösung zu suchen, war am Donnerstag abend eine Ecowas-Delegation nach Niger gereist. Nigerias Staatschef Bola Tinubu rief zuvor dem Präsidialamt zufolge dazu auf, „alles Nötige zu tun, um eine endgültige und einvernehmliche Lösung der Situation in Niger zu gewährleisten“. Geleitet wurde die Delegation vom früheren nigerianischen Staatschef Abdulsalami Abubakar.
Allerdings befand sie sich schon wenige Stunden später unverrichteter Dinge wieder auf dem Rückweg, wie der französischsprachige Dienst der Nachrichtenagentur afp am Freitagmorgen meldete. Sie sei von keinem Mitglied der Militärjunta empfangen worden und unverrichteter Dinge wieder abgereist.
Die Ecowas-Staaten waren angesichts der Situation im Niger zuvor zu einem Treffen in der nigerianischen Hauptstadt Abuja zusammengekommen, das bis Freitag dauern sollte. Dabei sprachen die Militärchefs über die Möglichkeit einer militärischen Intervention, sollten diplomatische Verhandlungen scheitern. Sie betonten, ein militärisches Eingreifen werde weiter als „letzte Option“ in Betracht gezogen.
Nigers Militärjunta verkündete unterdessen die Beendigung der Mandate nigrischer Botschafter in vier Ländern. „Die Funktionen der außerordentlichen und bevollmächtigten Botschafter der Republik Niger“ in Frankreich, Nigeria, Togo und den USA „sind beendet“, sagte einer der Putschisten am Donnerstag in einer Fernsehansprache. Die Junta erklärte zudem, sofort auf jede „Aggression“ durch westafrikanische Länder zu reagieren.
„Jede Aggression oder versuchte Aggression gegen den Staat Niger wird eine sofortige und unangekündigte Antwort der nigrischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte auf eines der Mitglieder (…) nach sich ziehen“, hieß es. Davon ausgenommen seien „befreundete Länder“, betonte der Putschist mit Blick auf die Nachbarländer Burkina Faso und Mali.
Bundeswehr fliegt 30 Personen aus
Im niedersächsischen Wunstorf landete unterdessen in der Nacht zum Freitag eine Bundeswehrmaschine mit rund 30 aus Niger ausgereisten Personen an Bord – ein Großteil davon wohl Bundeswehrsoldaten.
Das Transportflugzeug vom Typ A400M habe sich bereits vor dem Militärputsch in dem westafrikanischen Land am Flughafen der Hauptstadt Niamey befunden, teilte ein Sprecher des Einsatzführungskommandos am Donnerstagabend mit. Der Flieger sei mit einer Genehmigung der nigrischen Behörden gestartet.
Die Bundeswehr betreibt einen Lufttransportstützpunkt in Niamey, der das zentrale Drehkreuz für die Bundeswehr in Westafrika und wichtig für den laufenden Abzug aus dem benachbarten Mali ist. Dort waren zuletzt mehr als 100 deutsche Soldaten stationiert.
Die Bundesregierung hatte nach dem Staatsstreich vergangene Woche auf eigene Evakuierungsflüge verzichtet. Rund 60 deutsche Staatsangehörige wurden mit französischen Maschinen außer Landes gebracht.
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