Nach dem Machtwechsel in Afghanistan: Taliban stellen Regierungschef vor

Mullah Mohammed Hassan Achund wird an der Spitze der Talibanregierung stehen. In Kabul haben die Islamisten Proteste Hunderter Menschen aufgelöst.

Eine Gruppe von Frauen bei einer Demo in Kabul. Eine hält ein Plakat mit der Figur der Justitia

Frauen bei dem Anti-Pakistan-Protest in Kabul am Dienstag Foto: reuters

DUBAI/KABUL/GENF epd/afp | Die radikalislamischen Taliban haben drei Wochen nach ihrer Machtübernahme in Afghanistan erste Mitglieder ihrer Regierung vorgestellt. Mullah Mohammed Hassan Achund werde an der Spitze der neuen Regierung stehen, sagte Taliban-Sprecher Sabihullah Mudschahid am Dienstag in Kabul. Taliban-Mitbegründer Abdul Ghani Baradar werde sein Stellvertreter.

Die Islamisten hatten die Bekanntgabe einer neuen afghanischen Regierung zuvor mehrfach verschoben. In den vergangenen Tagen protestierten zahlreiche Frauen unter anderem in Kabul für eine Beteiligung an der Regierung. Hunderte haben am Dienstag in Kabul auch gegen den Einfluss Pakistans auf das Land demonstriert. Die Protestierenden, darunter viele Frauen, skandierten Rufe wie „Pakistan, verlasse Afghanistan“ und „Freiheit, Freiheit“, wie der afghanische TV-Sender Tolo News berichtete.

Taliban-Kämpfer hielten dem Sender zufolge Medienvertreter davon ab, die Proteste vor der pakistanischen Botschaft zu filmen. Ein Kameramann von Tolo News wurde demnach festgenommen und seine Kamera konfisziert. Die Menge zerstreute sich, nachdem die radikalislamischen Kämpfer in die Luft geschossen hatten.

Pakistan hat großen Einfluss auf eine wichtige Fraktion der Taliban-Führung. Am Samstag besuchte der Chef des pakistanischen Geheimdienstes ISI, Fais Hamid, Kabul, nachdem zuvor ein Versuch zu einer Regierungsbildung der Taliban gescheitert war. Vor mehr als drei Wochen hatten die Taliban Kabul erobert und die Macht in Afghanistan übernommen. Wegen offensichtlicher Streitigkeiten zwischen einzelnen Taliban-Fraktionen ist immer noch keine neue Regierung gebildet worden.

Derweil appellierten die UN eindringlich an die internationale Gemeinschaft, mehr Geld für die Versorgung der Menschen in Afghanistan bereitzustellen. Bis Ende des Jahres seien 606 Millionen US-Dollar (511 Millionen Euro) nötig, sagte der Sprecher des UN-Büros zur Koordinierung humanitärer Hilfe, Jens Laerke, in Genf. Bisher seien nur etwa 40 Prozent davon eingegangen. Die UN-Organisation hoffe auf die internationale Afghanistankonferenz am kommenden Montag.

Schulen im Fokus

Die UN und ihre Hilfswerke wie das Welternährungsprogramm wollten auch nach der Machtübernahme der radikalislamistischen Taliban in Afghanistan Mitte August der Bevölkerung beistehen, sagte der Sprecher. Die UN appellierten wiederholt an die Taliban, den Helfern uneingeschränkten Zugang zu den Menschen zu geben.

Rund die Hälfte der 38 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner Afghanistans sind laut UN auf humanitäre Hilfe in Form von Lebensmitteln, Wasser oder Medikamenten angewiesen. Etwa ein Drittel der Bevölkerung wisse nicht, wie es an die nächste Mahlzeit kommen soll.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch forderte unterdessen dringende Maßnahmen, um Schulkinder und Lehrerinnen und Lehrer in Afghanistan zu schützen. Während des Vormarsches der Taliban seien in den ersten sechs Monaten des Jahres etwa 40 Schulen mit Explosionswaffen angegriffen worden, erklärte die Organisation unter Berufung auf einen Bericht der Globalen Koalition zum Schutz der Bildung vor Angriffen.

Die meisten der über 185 getöteten oder verwundeten Schulkinder und Lehrkräfte seien weiblich gewesen. Von 2018 bis zur Jahresmitte 2021 habe es über 200 solcher Anschläge auf Bildungseinrichtungen gegeben, mehr als 600 Kinder und Lehrpersonen seien dabei verwundet oder getötet worden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.