Nach dem Flüchtlingsprotest in Kreuzberg: Was vom O-Platz übrig blieb
Vor zwei Jahren wurde das Protestcamp der Flüchtlinge am Oranienplatz geräumt. Was hat sich seitdem getan? Die taz hat nachgefragt.
Adam Bahar sitzt in einem Stuhlkreis und spricht mit ruhiger, aber eindringlicher Stimme. Um ihn herum sind etwa 30 Menschen, die zuhören und Fragen stellen. Sie kommen aus Syrien, Afghanistan oder dem Iran und sind nun als Flüchtlinge in Berlin untergebracht in einer Notunterkunft im Osten der Stadt.
Bahar kennt ihre Situation. Er kam selbst als Flüchtling nach Deutschland, 2012 war das, nach einer langen und gefährlichen Reise aus dem Sudan. Zunächst lebte er in einem Heim in Bayern, dann schloss er sich dem Marsch der Flüchtlinge von Würzburg nach Berlin an und wurde dort zu einem der wichtigsten Aktivisten auf dem besetzten Oranienplatz.
Das Protestcamp dort gibt es nicht mehr, zum zweiten Mal jährt sich am 8. April seine Räumung. Auch über Flüchtlinge wird in dieser Stadt mittlerweile ganz anders gesprochen als zu den Hochzeiten des Flüchtlingsprotestes: eben fast nur noch über sie statt mit ihnen. Dennoch sind die ProtagonistInnen der Bewegung vom Oranienplatz fast alle noch aktiv, wenn auch etwas anders als früher: Bahar geht es jetzt darum, seine Erfahrungen aus den Protesten an die vielen Neuankömmlinge weiterzugeben.
„Wir versuchen, eine Lücke zu schließen zwischen den selbst organisierten Flüchtlingsprotesten und der Situation der jetzt neu ankommenden Menschen“, sagt Bahar. Deswegen das Treffen. Er berichtet dort von seinen Erfahrungen aus den Oranienplatzprotesten. Seine wichtigste Botschaft dabei: Es lohnt sich, gemeinsam gegen Missstände aktiv zu werden, von der nicht abschließbaren Zimmertür in den Heimen bis zum deutschen Asylrecht.
Viele Flüchtlinge sind eingeschüchtert
„Viele Flüchtlinge trauen sich nicht, gegen die oft schlimmen Zustände in den Unterkünften aktiv zu werden, weil sie Angst haben, dass sich das auf ihr Asylverfahren auswirken könnte“, sagt Bahar. Dabei würden auch Fehlinformationen eine Rolle spielen, etwa das Gerücht, dass Securityangestellte in den Verfahren mit entscheiden würden.
Bahar und eine Handvoll weiterer OranienplatzaktivistInnen haben deswegen ein neues Zeitungsprojekt mit dem Namen Daily Resistance begonnen. Darin erzählen sie mehrsprachig von ihren Erfahrungen, informieren über die Asylrechtsverschärfungen und berichten von aktuellen Flüchtlingsprotesten. 2.000 Kopien der ersten, sechsseitigen Ausgabe werden momentan in Berliner Unterkünften verteilt, neben Informationsweitergabe erhoffen sich die AktivistInnen auch eine bessere Vernetzung der Flüchtlinge untereinander. Darin lag schließlich einer der Haupterfolge der Oranienplatzbewegung.
Adam Bahar, Flüchtlingsaktivist
Doch schon diese Vernetzung ist kein einfaches Ziel: In den Unterkünften gibt es oft tiefe Risse zwischen den verschiedenen Nationalitäten, sagt Bahar, die seiner Meinung nach vor allem daraus entstehen, dass die Menschen unterschiedliche Chancen auf Asyl haben. Auch bei den Menschen vom Oranienplatz spielt das eine Rolle: Viele sind sich sicher, dass „weiße“ Syrer hierzulande willkommener sind als „schwarze“ Afrikaner.
„Oranienplatz ist überall“
Für Bahar aber ist etwas anderes wichtig: „Die Ausgangsbedingungen für Flüchtlinge sind heute teilweise noch schlechter als 2012, als wir mit unserem Kampf begannen“, sagt er, „was zum Beispiel die Situation in den Unterkünften angeht.“ Gleichzeitig werde den Flüchtlingen permanent der Eindruck vermittelt, sie seien viel mehr Menschen, als Deutschland verkraften könne. „Daraus entsteht das Gefühl, sich nicht beschweren zu dürfen“, sagt Bahar.
Dagegen wollen er und die anderen AktivistInnen vom Oranienplatz etwas tun – auch, um nicht hinter die eigenen Erfolge zurückzufallen. „Oranienplatz ist überall“, proklamierten sie 2014 nach der Räumung des Protestcamps. Ob das stimmt, wird sich auch daran bemessen, ob der Schulterschluss zwischen den erfahrenen FlüchtlingsaktivistInnen und den Neuankömmlingen tatsächlich gelingt.
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