Nach dem Erdbeben in Nepal: „Selbst die Retter haben Angst“
Die Zahl der Todesopfer in Nepal ist auf über 3.000 gestiegen. Nachbeben erschüttern die Region weiterhin und erschweren den Rettungsteams die Einsätze.
KATHMANDU ap | Die Zahl der Toten bei der Erdbebenkatastrophe im Himalaya ist auf mindestens 3.218 gestiegen. Das teilte die Polizei am Montag mit. Anhaltende Nachbeben versetzten die Menschen in Nepal in Panik und machten den Hilfsteams zu schaffen. Zudem versperrten ihnen Erdrutsche den Weg zu abgeschnittenen Bergdörfern. Dort befürchten die Behörden weitere Todesopfer. Die Vereinten Nationen warnten zudem vor einem Mangel an Impfstoffen und sich ausbreitenden Krankheiten.
Das bitterarme Nepal war am Samstag vom schlimmsten Erdbeben seit mehr als 80 Jahren heimgesucht worden. Besonders hart traf es das Kathmandu-Tal, in Straßen und Hauswänden klafften riesige Spalten. Zahlreiche Gebäude und historische Tempel stürzten ein. Am Mount Everest löste das Erdbeben eine Lawine aus, die mindestens 18 Menschen in den Tod riss. 61 wurden verletzt, wie Ang Tshering vom Nepalesischen Bergsteigerverband sagte. Eine unbekannte Zahl von Gipfelstürmern werde vermisst.
61 Tote waren im Nachbarland Indien zu beklagen, wie Vize-Polizeichef Komal Sing Bam sagte. Aus Tibet meldeten chinesische Behörden 20 Todesopfer.
Die Erde in der Unglücksregion kommt nicht zur Ruhe. „Es hat fast 100 Beben und Nachbeben gegeben, was die Rettungsarbeit erschwert“, sagte der Chefverwalter von Kathmandu, Ek Narayan Aryal. „Selbst die Retter haben Angst und rennen weg.“ Laut Aryal konnten bislang an zehn Orten in Kathmandu Zelte und Wasser verteilt werden.
Campieren auf offenen Plätzen
Zehntausende Menschen verbrachten die Nacht in Parks oder auf einem Golfplatz. Andere campierten auf offenen Plätzen. „Wir fühlen uns hier überhaupt nicht sicher“, sagte der Anwohner Rajendra Dhungana. Den ganzen Sonntag verbrachte er bei der Familie ihrer toten Nichte, die in einem Tempel in Kathmandu eingeäschert werden sollte.
In der nepalesischen Hauptstadt leben rund 700.000 Menschen. Auch im dicht besiedelten Tal von Kathmandu mit 2,5 Millionen Bewohnern wurden wegen der schlechten Bauqualität der Häuser weitere Opfer befürchtet.
Nepalesische Soldaten und indische Helfer zogen zuletzt 16 Leichen und einen Überlebenden aus einem eingestürzten, dreistöckigen Gebäude, das eine Kirche beherbergt hatte. Behörden zufolge war im zweiten Stock ein christlicher Gottesdienst abgehalten worden, als am Samstag die Erde bebte. Die Einsatzkräfte setzten trotz schwindender Hoffnung die Suche nach Verschütteten fort. „Ich zweifle daran, dass hier noch jemand lebt, aber wir müssen es weiter versuchen“, sagte ein Helfer.
Retter warnten, dass die Situation in der Nähe des Epizentrums im Bezirk Gorkha noch schlimmer sein könnte. Die Straßen dorthin waren durch Erdrutsche blockiert. Die Hilfsorganisation World Vision teilte mit, Bergdörfer seien komplett unvorbereitet auf Zerstörungen dieses Ausmaßes. Es sei möglich, dass einige Ortschaften komplett von herabgestürzten Felsen begraben worden seien.
Masernausbruch befürchtet
Die internationale Hilfe nahm Fahrt auf. Die Organisation Search and Rescue Germany teilte mit, ein Team von 52 Helfern, unter ihnen Ärzte und Rettungsexperten, sowie einige Hundestaffeln zu schicken. Auch China, Pakistan, die Vereinigten Arabischen Emirate, und Frankreich entsandten Hilfe. In den USA hob eine Maschine der Luftwaffe mit einem Nothilfe- und Suchteam sowie 45 Tonnen Fracht Richtung Nepal ab.
Eine der dringlichsten Aufgaben der Einsatzkräfte bestehe darin, die Ausbreitung von Krankheiten in der Katastrophenregion zu verhindern, sagte UN-Sprecherin Orla Fagan. Laut einem Bericht ist Durchfall ein zunehmendes Problem, zudem wird angesichts rückläufiger Impfmittel ein Masernausbruch befürchtet. 14 internationale Medizinerteams seien schon auf dem Weg nach Nepal, sagte Fagan. „Sie müssen da so schnell wie möglich hin.“
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