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Nach antiziganistischem BrandanschlagVerdächtige festgenommen

Im Mai wollten mehrere Männer den Wohnwagen einer schlafenden Familie in Brand setzen. Nun hat die Polizei acht Tatverdächtige verhaftet.

Kundgebung gegen Antiziganismus am Berliner Mahnmal für Sinti und Roma im Jahr 2013 Foto: dpa

Berlin taz | Nach einem offenbar antiziganistischen Brandanschlag in Baden-Württemberg hat die Polizei acht Tatverdächtige festgenommen. Das teilte das Polizeipräsidium Ulm am Dienstagnachmittag mit. Die Männer sollen beteiligt gewesen sein, als Ende Mai in der Kleinstadt Erbach nahe Ulm eine brennende Fackel in unmittelbare Nähe eines Wohnwagens geworfen wurde, in dem eine Sinti-Familie mit ihrem neun Monate alten Baby schlief.

Die Familie hatte mit ihren Wohnwagen auf einer Wiese in Erbach übernachtet. Die Tatverdächtigen seien mit einem Auto vorbeigefahren und hätten etwas gerufen. Anschließend sei aus dem Auto heraus die Fackel geworfen worden, die den Wagen nur knapp verfehlte. Die Täter flüchteten, die betroffene Familie wandte sich an die Polizei. Diese stellte die Fackel sicher und teilte etwa eine Woche später mit, man gehe von einer antiziganistischen Tat aus und suche nach Zeugen. Wegen des Verdachts einer politisch motivierten Straftat übernahm die Schwerpunktstaatsanwaltschaft Stuttgart die Ermittlungen.

Am Dienstag dann durchsuchte die Polizei mehrere Wohnungen und ein Gartengrundstück in Erbach und dem benachbarten Blaustein. Die acht Tatverdächtigen seien Männer im Alter von 16 bis 20 Jahren. Es seien „zahlreiche Beweismittel“ sichergestellt worden – um was es sich dabei handelt, wollte die Behörde auf Nachfrage mit Blick auf die laufenden Ermittlungen nicht konkretisieren.

Vier Verdächtige wurden dem Haftrichter vorgeführt, drei wurden zwischenzeitlich wieder entlassen. Bei einem Beschuldigten war zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Textes noch nicht entschieden, ob er dem Haftrichter vorgeführt wird.

Vermehrte Hasskriminalität

Antiziganismus zeigt sein grausames Gesicht in Baden-Württemberg“, sagte Daniel Strauß, Vorstandsvorsitzender des Landesverbands Deutscher Sinti und Roma in Baden-Württemberg, der taz. Es seien insgesamt 18 Familien vor Ort gewesen. „Sie alle waren in Gefahr.“ Der Verband werde Anwälte beauftragen, die Familie als Nebenkläger zu vertreten. „Nach dem NSU und NSU 2.0 ist es besonders wichtig, auf diese Straftaten ein Augenmerk zu haben“, sagte Strauß.

Die Zahl antiziganistischer Straftaten ist in Deutschland zuletzt deutlich gestiegen. Sie erhöhte sich im vergangenen Jahr im Vergleich zu 2017 um knapp 54 Prozent. So zählte die bundesweite Statistik zu politisch motivierter Kriminalität im Jahr 2018 63 Taten aus dem Unterbereich „Antiziganistisch“. Im Vorjahr waren es 41. Hasskriminalität gegen Roma und Sinti wird erst seit 2017 separat erfasst. Zuletzt hatte sich auch der Bundestag mit dem Thema beschäftigt: Eine Ende März vom Bundesinnenministerium eingesetzte Expertenkommission soll bis 2021 eine Bestandsaufnahme zum Hass gegen Sinti und Roma erarbeiten.

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